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Alte müssen einen Zahn zulegen

19.10.2007 - von THOMAS EMONS

Das Theater Spätlese aus Mühlheim an der Ruhr lud im Kasino des Evangelischen Krankenhauses zum Gespräch über Gesundheit im Alter.
Gleich zum Auftakt der zweiten Diskussion im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Reichtum des Alters" gab es wieder Theater. Kein Wunder, wenn das Theater Spätlese einlädt. Kaum hatte Helmut Rehmsen mit seiner Moderation begonnen, hörte man ein schrilles Lachen. Und schon stand eine auf Krücken gestützte Dame vor ihm: "Ich habe meinen Arzt nur gefragt, ob ich in meinem Alter noch ein künstliches Hüftgelenk bekommen kann", klagte sie ihm ihr Leid. Und eine depressiv dreinschauende Frau, die ungefragt auf dem Podium Platz genommen hatte, berichtete ihm: "Ich war wirklich gut. Doch dann wollte mich meine Firma nicht mehr haben, weil ich mit 55 zu alt war. Und später wurde ich dann auch noch krank." Die Einstiegsszene spiegelte bereits einige Probleme, die später im Gespräch zwischen Podium und Publikum aufgegriffen und vertieft werden sollte.

Soziale Integration fördert Gesundheit

Dass das Gefühl, "nicht mehr dazu zu gehören" die Gesundheit der aus dem Arbeitsleben ausgeschiedenen Menschen belaste, wenn ihnen im Ruhestand der soziale Ausgleich fehle, lag für Waldemar Schmidt vom Gerontologischen Institut der Universität Dortmund auf der Hand. Für Dirk Kolo vom Business Service der Unternehmerhaus AG steht aber ebenso fest, dass beim Thema Alter eine Trendwende einsetzt, weil die Unternehmen angesichts verstärkten Fachkräftemangels wieder mehr auf die Erfahrung älterer Arbeitnehmer setzten, weil davon auch die jüngeren Mitarbeiter profitieren könnten. Allerdings sieht Kolo bei manchen Arbeitnehmern über 50 auch die fatale Neigung, sich beim Thema Fortbildung zurückzulehnen.
Das räumte auch Hanna Schweitzer vom Büro gegen Altersdiskriminierung ein, wies aber auch darauf hin, dass nur 17 Prozent der deutschen Unternehmen in den vorbeugenden Gesundheitsschutz und die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren.

"Wir lassen uns zu viel bieten. Die Alten müssen einen Zahn zulegen", forderte Schweitzer mit Blick auf Diskriminierung von Senioren. Die sieht sie beim Thema Gesundheit zum Beispiel darin, dass es für Frauen ab 69 keine Mammografie mehr gebe, obwohl ab 70 das Brustkrebsrisiko nachweislich zunehme.

Die Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung, Dorothea Stimpel machte deutlich, dass der altersbedingte Verschleiß des Körpers eigentlich schon ab 20 einsetzt, "wenn man nicht mehr wächst". Das Alter beginne eigentlich dann, wenn man merke, "dass der Körper nicht mehr so funktioniert, wie der Kopf es will." Leider achteten die meisten Menschen aber erst dann auf eine gesunde Lebensführung, wenn eine Erkrankung für einen Schlag ins Kontor gesorgt habe. Die Medizinerin sprach sich für die Einrichtung einer geriatrischen Abteilung in Mülheim aus und forderte der Gerontologie im Rahmen der Ärzteausbildung mehr Raum zu geben.

Waldemar Schmidt warnte davor, das Thema Gesundheit im Alter auf Pflegebedürftigkeit zu reduzieren. 87 Prozent der deutschen Senioren führten, trotz macher Altersgebrechen, ein absolut selbstständiges und selbstbestimmtes Leben. Doch wurde im Publikum auch die Sorge laut, "dass wir den Schatz unseres noch gutfunktionierenden Gesundheitssystems verlieren" könnten, wenn man den unweigerlichen Folgen des demografischen Wandels gleichgültig begegne.


19.10.2007

Link: http://www.altersdiskriminierung.de//artikel.php?id=2377
Quelle: NRZ , 19.10.07

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