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Würdevolles Leben durch Energieeffizienz?

21.11.2007 - von Hanne Schweitzer

"Die Pflegeversicherung ist und bleibt eine Teilkasko, die Vorsorge jedes Bürgers gehört dazu, um für das Alter gut gewappnet zu sein", meinte die Parlamentarische BMG Staatssekretärin Marion Caspers-Merk (SPD)auf einer Tagung der Gesellschaft für Versorgunswissenschaft und -Gestaltung "Alter(n) und Gesundheit in Deutschland" und blies kräftig ins Horn der Versicherungswirtschaft.

Wie man aber vorsorgen soll, wenn man so wenig verdient, dass man schon heute kaum mit dem Geld auskommt und in der Zukunft die Altersarmut droht, das sagte sie leider nicht. Stattdessen lobte sie die Pflegereform der großen Koalition: „Die Reform verbessert die Lebenssituation für Millionen – für Pflegebedürftige, für Angehörige und für Pflegekräfte. Jeder Mensch soll auch im Pflegefall soweit wie möglich so leben, wohnen und betreut werden, wie sie oder er es gerne möchte. Wir bringen die Pflege zu den Menschen und sichern ihnen damit ein Stück Heimat und Geborgenheit.“ Damit sind die umstrittenen Pflegestützpunkte gemeint. Dort sollen, damit es billiger wird, auch ehrenamtliche MitarbeiterInnen für Gottes Lohn arbeiten.

Staatssekretär Gerd Hoofe liegen die Pflegebedürftigen ebenfalls am Herzen. Damit Heimbewohner ein "würdevolles und selbst bestimmtes Leben" führen können, finanziert das Bundesfamilienministerium mit insgesamt 2,8 Millionen Euro
Euro eine Projektreihe: "Innovative Technik". Technik in der Altenhilfe das bedeutet in letzter Konsequenz: Roboter als Pflegehelfer. Bis es soweit ist, muss eine postive Einstellung zum Einsatz von Technik in der Pflege erzeugt werden.

Bloß keine Vorbehalte! Denn, so der Statssekretär bei der Eröffnung des Pflegeheims "Viertes Viertel" in
Güstrow, Mecklenburg-Vorpommern: "Technik ist für die Menschen da - nicht umgekehrt. Deshalb setzen wir technische Innovationen gezielt zum Wohl älterer und pflegebedürftiger Menschen ein".
Die mit Steuermitteln finanzierte Projektreihe 'Das intelligente Heim' macht den Alltag für ältere Menschen, ihre Angehörigen und die Pflegekräfte spürbar einfacher", so der Staatssekretär. "Der Einsatz innovativer Technik und eine bedarfsgerechte Architektur entlasten das Pflegepersonal, so dass mehr Zeit für die Betreuung der Menschen bleibt. Die Bewohner können ein würdevolles und selbst bestimmtes Leben führen und weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilhaben."

Nach so viel Vorab-Lob beschreibt er das steuerfinanzierte ´intelligente Projekt` in Güstrow. Dieses Haus "verfügt über 44 Pflegeplätze in vier Hausgemeinschaften sowie 30 barrierefreie Wohnungen für alle Generationen." Falls Ihnen das nicht besonders innovativ vorkommt: Gemach, der Statssekretär nähert sich langsam, aber stetig seinem Ziel.

"Das Heim zeichnet sich unter anderem durch elektronische Schaltterminals in den Pflegezimmern aus, in die die Pflegerinnen und Pfleger ihre Notizen eingeben, die damit automatisch zentral erfasst werden. Andere Geräte wie Induktionsherde, die leicht handhabbar sind und Verbrennungen vorbeugen, helfen den Bewohnerinnen und Bewohnern dabei, ihren Tagesablauf so eigenständig wie möglich zu gestalten. Auch auf Energieeffizienz wird geachtet: Die Heizköper schalten sich bei geöffnetem Fenster automatisch ab, Solarkollektoren dienen zur Wärmegewinnung und eine Zisterne versorgt einen eigenen Wasserkreislauf."

SteuerzahlerIn, was lernst Du? Wenn Notizen zentral erfasst werden, Induktionsherde angeschafft, Solarzellen eingebaut und ein eigener Wasserkreislauf installiert wird, wenn die Heizung sich während des Lüftens ausschaltet, dann trägt das - nach Meinung des Bundesfamilienministeriums - dazu bei, dass: "Die Bewohner ein würdevolles und selbst bestimmtes Leben führen und weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilhaben (können)."

Damit nicht genug: Wenn die Heizung ausgeht, während das Fenster geöffnet ist, und Wasser in einer Zisterne umwälzt wird, führt das, laut Staatssekretär Gerd Hoofe, zur Entlastung des Pflegepersonals und trägt dazu bei, "dass mehr Zeit für die Betreuung der Menschen bleibt"!

Ob die Presseabteilung des Ministeriums dem Staatssekretär die falsche Vorlage mit auf den Weg nach Güstrow gegeben hat? Wieso wird das Pflegepersonal entlastet, wenn Sonnenkollektoren auf dem Dach sind? Erstaunlich!

"Das "Vierte Viertel" in Güstrow ist eines von elf Projekten des Modellprogramms "Das intelligente Heim - Ablaufoptimierung, kurze Wege, Entbürokratisierung".
Entbürokratisierung? Damit sind die Schwerpunkte der anderen Modellprojekte gemeint. Diese "liegen unter anderem auf der automatisierten Sprach- und Schreiberkennung in der Pflegedokumentation und technischen Hilfen für Menschen mit Sehbehinderung oder für solche mit Demenzerkrankungen."

Mehr Zuwendung durch intelligente Technik im Betreuten Wohnen? Ich stelle mir vor, dass jene Technik einen fünf Minuten untätig vor sich hinsitzenden Bewohner auffordert: „Hermann, tu’ doch endlich mal was!“ (s. die berühmte Loriot-Szene).
Mit sehr nachdenklichen Grüssen
Peter Müller
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Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ursula von der Leyen, besuchte am 27. August 2008 das Integrative Senioren + Begegnungszentrum "St. Anna" in Pfaffenhausen. Das Begegnungszentrum gehört auch zum Modellprogramm "Das intelligente Heim - Ablaufoptimierung, kurze Wege, Entbürokratisierung", mit dem das Bundesministerium neue Techniken und moderne Infrastruktur in Heimen und Wohnstätten der Altenhilfe erproben lässt. Link

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=2325
Quelle: BMFSFJ Internetredaktion, PM Nr. 253/2007

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20.11.2007: Altenheime immer unbeliebter
15.11.2007: +++ Hausrecht im Heim
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