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Gesetz reduziert Arbeitslosenzahlen

02.07.2008 - von Hanne Schweitzer

Ach wie so trügerisch ... Die Arbeitslosenzahlen sind enorm gesunken, schallt es aus dem Blätterwald und den Nachrichtensendungen. Sogar von Vollbeschäftigung wird geschwätzt. Lassen Sie sich nicht für dumm verkaufen, oder - wie Winston Churchill einst sagte: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.

Langzeitarbeitslose über 58 Jahren werden nur noch dann in der bundesdeutschen Arbeitslosenstatistik geführt, wenn ihnen innerhalb eines Jahres ein konkretes Job-Angebot gemacht werden kann. So beschlossen im Bundestag am 25.1.2008.

Die Regierungskoalition hat damit ihren Willen zur Änderung des Sozialgesetzbuchs (SGB) III durchgesetzt. Folgsam hat die Mehrheit der Bundestagsabgeordenten damit ein Gesetz verabschiedet, das die Arbeitslosigkeit via Statistik weiter künstlich reduziert.

Rückwirkend zum 1. Januar 08 werden nur noch die über 58jährigen Erwerbslosen in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit aufgeführt, denen innerhalb von zwölf Monaten nach Beginn des Leistungsbezugs eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten wurde. Alle anderen Arbeitslosen
fliegen aus der Statistik raus. Sie können sich fortan rühmen, wesentlich, wenn nicht sogar entscheidend, zum Abbau der Arbeitslosigkeit in D beigetragen zu haben. Die Verteilung offizieller Anstecker ist bislang nicht vorgesehen. Produktion und Vertrieb könnten aber von den Arbeitslosen, die ja offiziell nicht arbeitslos sind, selbst in die Hand genommen werden.

Wie FAZnetm 21.1.08 gemeldet hatte, warnte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in seiner Stellungnahme zur Gesetzesänderung vor diesem unseriösen Taschenspielertrick: Mit der neuen Definition von Arbeitslosigkeit entferne sich D. noch weiter von den international üblichen Kriterien, der Arbeitslosenstatus für Ältere wäre abhängig vom "Vorhandensein eines Stellenangebotes". Die Bundesagentur für Arbeit rügt, dass letztlich „das Fehlen von Arbeitsplätzen zum Kriterium des Ausschlusses aus der Zählung als Arbeitslose“ werde. Dies setze die Behörde „dem nicht zumutbaren Risiko eines Vorwurfs der Manipulation von Arbeitslosenzahlen aus“.

Das ganze riecht deftig nach einem Deal zwischen den Parteien. Außer der gesetzlich verordneten Manipulation der Arbeitslosenzahlen nach dem Motto: Wenn keine Jobs da sind, können auch keine Arbeitslosen da sein, wurden nämlich im gleichen Aufwasch die von SPD-Chef Kurt Beck geforderte Verlängerung des Arbeitslosengeld-I-Bezugs auf 24 Monate für die älteren Erwerbslosen beschlossen, ausserdem die Einführung eines neuen Eingliederungsgutscheins für Ältere, sowie die Verschiebung der „Zwangsverrentung“ vom 58. auf das 63. Lebensjahr beschlossen.

Zurück zur verdeckten Arbeitslosigkeit: Nicht gezählt werden in der umjubelten Arbeitslosenstatistik auch alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die in Ein-Euro-Jobs oder Qualififzierungsmaßnahmen geparkt werden. Nach Auskunft von Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, sollen derzeit rund eine Million Personen in diesen Maßnahmen untergebracht sein. Sie zählen nicht als arbeitslos, weil die Internationale Arbeitsorganisation ihren Einfluss dahingehend geltend machte, dass nicht als arbeitslos gilt, wer dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht.

Im Januar 2008 meldeten sich nach Informationen der Frankfurter Rundschau 676.787 Männer und F auen zwischen 55 und 64 Jahren bei der Bundesagentur arbeitslos. Das waren mehr als 168.000 mehr, als im Jahr zuvor. Wilhelm Adamy, Arbeitsmarktexperte des DBG: Die Zahl der älteren Hilfebedürftigen (=50-64 Jahre) hat sich in den ersten drei Jahren von Harzt 4 um 22,7 Prozent erhöht. Das Risiko von Altersarmut nimmt zu. Denn insbesondere bei den Langzeitarbeitslosen wird sich bemerkbar machen, dass die monatlichen Rentenbeiträge des Bundes für Hartz I- Empfänger auf 20 Euro pro Monat reduziert worden ist. Dadurch steigt die monatliche Rente für ein volles Jahr mit Harzt IV nur noch um 2,19 Euro.

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=2544
Quelle: FAZ, 21.1.08,Reuters, 25.1.08, Mail a.d. Redaktion

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