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Verstößt Zwangsrente mit 65 gegen EG-Recht?

27.02.2010 - von Dr. Klaus Bertelsmann

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat sich am Dienstag den 23.2.2010 mit der Problematik der Zwangspensionierung mit 65 beschäftigt. Dies erfolgte aufgrund eines Vorlageverfahrens des Arbeitsgerichts Hamburg (21 Ca 235/08, Vorlagebeschluss vom 20.1.2009).
Das Problem: In fast allen Tarifverträgen (und auch im Beamtenrecht) sind Regelungen enthalten, mit denen das Arbeitsverhältnis automatisch mit Erreichen der sozialversicherungsrechtlichen Altersgrenze beendet wird, zur Zeit also mit 65 Jahren, nach und nach ansteigend bis auf 67 Jahre. Diese Altersgrenze 65 gibt es seit Jahrzehnten. Sie sind nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetztes (AGG) neu als Problem diskutiert worden.
Der Fall:
Eine Reinigungskraft wurde 65. Der Arbeitgeber teilte ihr unter Verweis auf den einschlägigen Rahmentarifvertrag für das Gebäudereiniger-Handwerk mit, dass mit Vollendung des 65. Lebensjahres ihr Arbeitsverhältnis enden würde.Die Arbeitnehmerin war damit nicht einverstanden. Sie erhob Klage gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und auf Weiterbeschäftigung.
Das Arbeitsgericht Hamburg fand die Argumentation der Klägerin, die durch Rechtsanwalt Dr. Klaus Bertelsmann vertreten wird, plausibel: „Eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit 65 ist eine Altersdiskriminierung, die gegen Europa-Recht verstößt. Zwar ist eine solche Möglichkeit in § 10 Ziff. 5 AGG enthalten. Diese Regelung verstößt jedoch gegen die Altersdiskriminierungsrichtlinie der EG.“
Das Bundesarbeitsgericht hatte allerdings am 18.06.2008 entschieden, dass die Altersgrenze möglich sei. Das Arbeitsgericht Hamburg ist der Rechtsprechung des BAG nicht gefolgt, sondern hatte dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die darauf abzielten, dass diese 65-Grenze gegen EG-Recht verstößt.
Das Verfahren wurde am 23.2.2010 vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg verhandelt, und zwar vor der Großen Kammer (mit 15 Richterinnen und Richtern). Die Parteien plädierten, auch Vertreter mancher EG-Staaten (Großbritannien, Dänemark), auch Deutschland und die EG-Kommission. Ein Urteil des EuGH kommt erst später: zuerst wird am 28.4.2010 noch die Generalanwältin des EuGH plädieren, die einen Entscheidungsvorschlag macht. Das Urteil des EuGH wird für den Spätsommer erwartet.
Rechtsanwalt Bertelsmann: „Nach dem Verlauf der Verhandlung vermute ich, dass der EuGH seine Rechtsprechung zur Altersgrenze 65 verschärfen wird und höhere Anforderungen als bisher an eine Rechtfertigung solcher Altersgrenzen stellen wird. Ich erwarte dies insbesondere hinsichtlich der konkreten Begründung für eine vorübergehende Altersgrenze aus Arbeitsmarktgründen, zudem hinsichtlich der Überprüfung der konkreten ökonomischen Absicherung Betroffener durch eine selbst erarbeitete eigene ausreichende Rente“.

Link unter „Aufsätze“ der Aufsatz: „Altersgrenze 65, EuGH und AGG - Zwangsbeendigung von Arbeitsverhältnissen nur eingeschränkt zulässig“.

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=3187
Quelle: PM RA Bertelsmann, 25.2.2010