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Österreich: Sachwalterschaft ist Einladung zum Mißbrauch

Österreich - 13.03.2013 - von Chris Goetz + V.A.

In keinem Land der EU verlieren so viele Menschen so schnell ihre bürgerlichen Rechte wie in Österreich! Dazu ein Offener Brief der Initiative proEthos.
Sehr geehrte Frau Justizministerin!
Sehr geehrter Herr Bundespräsident!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Auf Grund der sich seit Jahren häufenden Beschwerden sowie der massiven Kritik in Bezug auf die Zwangsentrechtungspraktiken der so genannten Sachwalterschaft berichteten die Medien im Juni vergangenen Jahres über die mit Nachdruck geforderte, unverzügliche Abschaffung jener unhaltbaren, menschenrechtswidrigen Missstände in unserem Land.

Abschaffung der Sachwalter
BehindertenvertreterInnen fordern die schrittweise Abschaffung der Sachwalterschaft und "ein Ende der Entmündigung" von behinderten und psychisch kranken Menschen in Österreich, berichtet das Ö1-Morgenjournal. Früher wurden behinderte oder psychisch kranke Menschen entmündigt. De facto habe sich daran wenig geändert, sagt Bernadette Feuerstein, die Vorsitzende des Behinderten-Dachverbands "Selbstbestimmt Leben". Es würde jetzt nur besachwaltet heissen, aber das gleiche passieren. Die Betroffenen "werden entmündigt, und es wird ihnen ihr freier Wille genommen."

Marianne Schulze, Vorsitzende des Monitoring-Ausschusses zur Einhaltung der Behindertenrechtskonvention, sagt, dass die Sachwalterschaft in ihrer jetzigen Form nicht der Menschenrechtskonvention entspreche. Schulze bevorzugt das Modell der "unterstützten Entscheidungsfindung", das es in Kanada und Schweden gibt. Es sieht vor, dass etwa bei Entscheidungen über das Vermögen eines Menschen mit Behinderung, über seinen Wohnort oder die Betreuungsform mehrere Personen den Willen des Betroffenen ergründen. Auch in Österreich soll der Sachwalter durch einen Kreis von Vertrauenspersonen ersetzt werden, fordert Schulze. Diese Vertrauenspersonen, die die Person mit Behinderungen oder psychischen Beeinträchtigungen aus ihrem Alltag heraus kennen, können diese in ihrer Selbstbestimmung unterstützen, wünscht sich Schulze.

Der ÖVP-Seniorenbund unterstützt Behindertenvertreter und die Sprecher aller Parlamentsparteien bei einer tiefgreifenden Reform des Sachwalterrechts. Die Pensionistenvertreter wollen konkret, dass die Sachwalterschaft für ältere Menschen durch eine Alterswohlfahrt ersetzt wird. Diese Alterswohlfahrt soll die Sachwalterschaften ersetzen: Keine Sachwalterschaft in der derzeitigen Form - wir müssen hier sofort eine Neuregelung schaffen.

Derzeitige Gesetzeslage ist Einladung zum Missbrauch -
Wien (OTS) - Für eine umfassende Reform des Sachwalterrechts spricht sich heute BZÖ-Justizsprecher Abg. Gerald Grosz in einer Reaktion zur Mitteilung des Monitoringausschusses im Sozialministerium aus. Das Sachwalterrecht sei entwürdigend und lädt zum Missbrauch ein. Hier wird im Zusammenspiel zwischen Richtern, Gutachtern und Rechtsanwälten offenbar Schindluder mit den Menschenrechten getrieben. Die Besachwaltung ist das schärfste Mittel zum Entzug der Grundrechte und darf nicht zu einem Geschäftsfeld verkommen", so Grosz. Dieses Sachwalterrecht ist eine Keule des Rechtsstaates, bei der sich Richter, Gutachter und Rechtsanwälte eine goldene Nase verdienen. Die Klienten werden als verrückt abgestempelt, und ihnen wird kein Glaube mehr geschenkt. Komplett gesunde Menschen können in diesem Land ihrer Grund- und Menschenrechte beraubt werden, wenn sie mächtigeren Institutionen nicht ins Konzept passen.

Unterstützte Entscheidungsfindung" als Alternative zum Sachwalter
Ein Pilotprojekt startet laut Justizministerium spätestens Anfang 2013 - Angehörige und Bekannte von Besachwalteten ersetzen Sachwalter und Pflegschaftsrichter. Aber plötzlich hiß es am 14. Februar dieses Jahres: Das Österreichische Sachwalterrecht ist besser als sein Ruf. Wir haben mit diesem Rechtsgebiet im internationalen Vergleich ein ausgereiftes und praxiserprobtes Instrument für den Umgang mit geistig beeinträchtigten Menschen zur Hand, begann heute, Donnerstag, Justizministerin Dr. Beatrix Karl bei der Enquete "Alterswohlfahrt" im ÖVP-Parlamentsklub ihr Impulsreferat. "Trotz aller Probleme im Einzelfall kann das Sachwalterrecht nach wie vor seine Aufgabe erfüllen, nämlich den Schutz und die Förderung geistig beeinträchtigter Menschen im rechtlichen Verkehr, so wie es Paragraph 21 ABGB seit mehr als 200 Jahren verlangt." (APA-OTS, 14. Februar 2013)

Probleme sind keine Einzelfälle
Tausende von nicht abnehmen wollenden Beschwerden sind den Behinderten- und SeniorenvertreterInnen, der Volksanwaltschaft und dem Monitoring-Ausschuss sowie auch den JustizsprecherInnen der verschiedenen politischen Parteien seit Jahren hinlänglich bekannt, und diese haben auch das Justizministerium von jenen untragbaren Missständen informiert. Dass es sich bei den gängigen Praktiken der so genannten Sach-Walterschaft um schwere Menschenrechtsverletzungen handelt, geht alleine aus folgenden Menschenrechtsartikeln hervor: Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention: Recht auf Freiheit und Sicherheit - also auch Recht auf freie Wahl des Wohnorts! Dieses ist bei einer zwangsbesachwalteten Person nicht mehr gegeben. Sie darf z. B. ihren Wohnort nur mit gerichtlicher Zustimmung wechseln, was als 'Fussfessel' gesehen werden muss!

Art. 8: Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens!
Auch dieses ist bei einer zwangsbesachwalteten Person nicht gegeben, da diese, als unbescholtene/r BürgerIn (!), unter gerichtlicher Dauerkontrolle steht! Des Weiteren wird durch die Zwangsbesachwaltung einer Person u. a. auch deren Menschenrecht auf Zugriff zu deren Privateigentum aufs Gröbste verletzt, wenn ein fremder Sachwalter plötzlich darüber bestimmt, was und wie viel die betroffene Person von ihrem eigenen Geld zum Leben benötigen darf. Die Abgeordnete und Richterin Helene Partik-Pablwies die Öffentlichkeit bereits vor Jahren auf diesen schweren und seit langem hinlänglich bekannten Missstand hin: Kritisiert wird von Partik-Pabl, dass die Entschädigung des Sachwalters nicht mit einem Fixbetrag festgeschrieben wird. Derzeit hängt dies vom Vermögen ab. "Dadurch ist der Sachwalter nicht interessiert, dass der Betroffene sein Vermögen verbraucht", erläutert die Abgeordnete.

Und schliesslich gibt es nach wie vor den viel missachteten Paragraphen 268. (2) ABGB: Die Bestellung eines Sachwalters ist unzulässig, wenn der Betreffende durch andere Hilfe, besonders im Rahmen seiner Familie oder von Einrichtungen der Öffentlichen oder privaten Behindertenhilfe, in die Lage versetzt werden kann, seine Angelegenheiten im erforderlichen Ausmass zu besorgen. Dieser Paragraph 268. Abs. 2 ABGB sichert das Grund- und Menschenrecht auf Familien- und Privatleben zusätzlich ab. Die meisten Beschwerden würden also demzufolge gar nicht existieren, würde man sich an diesen Paragraphen sowie den Willen der Betroffenen, ihrer Familien oder ihrer sonstigen Vertrauenspersonen halten!

Art. 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert das Recht auf wirksame Beschwerde. Angesichts der nun seit Jahren andauernden, unzähligen Beschwerden insbesondere auch bei Volksanwaltschaft, Justizministerium, ja sogar beim Bundespräsidenten besteht nach wie vor dringendster Handlungsbedarf, wozu Sie hiermit im Namen Abertausender unsäglich leidender unbescholtener BürgerInnen, WählerInnen und SteuerzahlerInnen zum wiederholten mal aufgefordert werden: Unter Willensbruch und Zwangsgewalt statt findende gerichtliche Eingriffe in das Privatleben unbescholtener BürgerInnen sind menschenrechtswidrig!
Mit freundlichen Grüssen,
Christine Götz
Initiative proEthos, 13.3.2013
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Meine Mutter wurde besachwaltet, wollten ihr nur noch 50 Euro pro Woche auszahlen. Ich hatte Streit mit dem Sachwalter-Büro VertretungsNetz deswegen. Der Streit eskalierte. Ich schlug auf eine Angestellte,die mich provozierte. 8 Monate U-Haft. Jetzt werde ich von der Sachwalterschaft bedroht,zwecks Besachwaltung und eventell weiterer Verleumdungen...
V.A. 13.3.2013

Link: Sachwalterschaft nimmt Sparbücher ab
Quelle: Initiative pro Ethos