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Kindererziehungszeiten + Koalitionsverhandlungen

Frankfurt/Main Flughafen, 2012 Foto: H.S.

08.10.2013 - von H.S.

Bisher war vom Thema Kindererziehungszeiten nicht viel zu hören in den Berichterstattungen über die Koalitionsverhandlungen. Vor der Wahl hatten CDU und CSU ja versprochen, allen Müttern oder Vätern, die ihre Kinder vor 1992 erzogen haben, für jedes Kind einen Engeltpunkt mehr bei der Rente anzurechnen. Insgesamt wären es damit dann zwei. Das war der Kompromiss von CDU/CSU vor der Wahl. Die Frauen hatten nämlich zwei Punkte mehr gefordert. Damit sie gleichgestellt würden mit den jüngeren Müttern, denen gesetzlich drei Punkte für die Erziehung eines jeden Kindes zugebilligt wurde, das nach 1992 geboren wurde.

Die SPD, ganz Echternacher Springprozession, zauderte und entsprechend schwammig drückte sie sich vor der Wahl aus. Im Namen des Parteivorstands schrieb Juliane Wlodarczak, für die SPD sei entscheidend, "dass in der gesetzlichen Rentenversicherung Eltern von vor 1992 geborenen Kindern bessergestellt werden, wenn sie wegen der Erziehung der Kinder nicht im gewünschten Umfang arbeiten konnten."
Daraus wurde im Regierungsprogramm der SPD: "Wir wollen in angemessenem Umfang Berücksichtigungszeiten auch auf Eltern ausdehnen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, und so gezielt Rentenansprüche für Eltern verbessern, die wegen fehlender Betreuungsinfrastruktur nicht Vollzeit arbeiten konnten."

Von der "Besserstellung" zur "gezielten Verbesserung von Rentenansprüchen". Was aber meint die SPD mit "gezielter Verbesserung"? Einen Punkt mehr? zwei Punkte mehr? anderthalb Punkte mehr oder nur einen halben? Bei einer Hartz4 Partei sollte man sich nicht zu große Hoffnungen machen. Denn es geht ums Geld. Für Kindererziehung werden RentnerInnen akutell im Westen 28,07 Euro pro Kind und Monat ausgezahlt, im Osten sind es 24,92 Euro. (Von einer Ost-West-Angleichung ist fast nie die Rede.)

Leider hat die SPD vor der Wahl aber nicht nur nicht gesagt, wie sie die staatlliche Altersdiskriminierung der älterer Mütter konkret verbessern will, sie hat sich ebenfalls darüber ausgeschwiegen, woher das Geld für eine "gezielte Verbesserung" der Kindererziehungszeiten kommen soll.

Frau Merkel hat sich für die CDU in dieser Frage weit aus dem Fenster gelehnt und eine Meinung verkündet. Im sogenannten Kanzlerduell erklärte sie, die Mehrkosten für die Kindererziehung älterer Mütter aus den Reserven der Rentenversicherung bezahlen zu wollen. Holla! Das wäre eine Hinterrücksenteignung der eh gegenüber den PensionsbezieherInnen benachteiligten RentenbeitragszahlerInnen**. Die Vorräte sollen geplündert werden.

Schäuble ist bekanntlich selten anderer Meinung als Merkel, er drückt sich nur etwas anders aus. Er ließ ja verlautbaren, das Geld solle aus den sogenannten Bundeszuschüssen zur Rentenkasse genommen werden. Damit erkennt er anders als Merkel, immerhin an, dass die ganze Gesellschaft von Kindererziehung profitiert, und deshalb die Leistung für Kindererziehung aus dem Steuertopf bezahlt werden muss. Und nicht aus der Rentenkasse.

Dieser Meinung ist auch die Rentenversicherung. "Eine Ausweitung der Kindererziehungszeiten muss aus Steuermitteln finanziert werden", so ein Sprecher der Rentenversicherung im Juni. Zu den Finanzierungsvorschlägen von Merkel sagte der gleiche Mann: Höhere Kindererziehungszeiten, das bedeute auch höhere Beiträge zur Rentenversicherung. Der Sprecher wies den Vorschlag Schäubles zurück, die Erhöhung der Kindererziehungszeiten aus dem Bundeszuschuss zu bezahlen. Der Grund dafür ist die traurige Tatsache, das das Steuergeld, dass die Rentenversicherung jedes Jahr vom Bund überwiesen bekommt, der sogenannte Bundeszuschuss, dass dieser Bundeszuschuss Zeit seines Bestehens noch nie ausgereicht hat. Die RentnerInnen haben immer draufgezahlt. Die Rentenversicherung musste viel zu viele Sachen bezahlen, die sie eigentlich gar nicht hätte bezahlen müssen: Jede Menge versicherungsfremde Leistungen, wie die Kindererziehungszeiten zum Beispiel.

Setzt sich Schäuble bei den Koalitionsverhandlungen mit seinem Vorschlag, die Kindererziehungszeiten aus dem Bundeszuschuss zu bezahlen durch, bedeutet das: Der eh schon zu niedrige Bundeszuschuss wird mit zusätzlichen 6.5 Milliarden Euro belastet. Soviel soll die Erhöhung der Kindererziehungszeiten um einen Punkt ungefähr pro Jahr kosten. Weil der Bundeszuschuss aber jetzt schon nicht reicht, muss die Rentenversicherung das Geld aus der Rentenkasse bzw. deren Reserven nehmen. Hinterrücksenteignung auch das.

Die Rentenversicherung Bund ist anderer Meinung und sie ist damit nicht allein*! Auch BürgerInnen und Organisationen fordern von der Politik, also von den derzeitigen Sondierungs- und Koalitonsverhandlungs- Zampanos, eine eventuelle Erhöhung der Kindererziehungszeiten 1:1 aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren. Der Berliner Rentenfachmann Steffen erklärt das so: "Wenn die Union diese Leistungen durch ein zusätzliches Kindererziehungsjahr für Geburten vor 1992 ausweiten will, muss sie für eine entsprechende Gegenfinanzierung über Steuermittel sorgen. Alles andere wäre eine Ausweitung der Fehlfinanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben, die zu Lasten der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler geht."

Ob die SPD sich dieser Meinung anschließen darf, ist ungewiss.
Wir werden sehen. Kommt Zeit, kommt Entscheidung. Im nächsten Jahr sind wir schlauer. Derweil können wir ja mal Koalitionsverhandlungen spielen. Aber denken Sie daran: Sie müssen was zum Tauschen mitbringen! Und eine zweite Forderung. Falls die Erhöhung der Kindererziehungszeiten nicht zu einem Koalitionsthema werden sollte. Und stattdessen mit ins Parlament geht. Und von da in die Ausschüsse und Unterausschüsse, in die Beratungen, Expertenrunden usw. usw.usw., um es nach bestem Wissen und Gewissen locker noch mal vier Jahre zu verschleppen.

*Dies ist ebenso die Meinung von:
- Büro gegen Altersdiskriminierung aus Köln,
- Aktion Demokratische Gemeinschaft aus Eichenau,
- Bettriebsrentner aus Dießen und
- Bündnis für Rentenbeitragszahler und Rentner.

Link: Kindererziehungszeiten: Fühle mich diskriminiert
Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung