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Der Emir von Qatar, Erdogan, Merkel und die Flaggenfrage

Foto: H.S.

28.09.2018 - von Hanne Schweitzer

Die Türkei behandelt ihre Staatsgäste nicht gleich. Dazu muss man wissen: Es entspricht den internationalen diplomatischen Gepflogenheiten, dass bei einem Fototermin zweier Regierungschefs hinter jedem die Flagge seines Landes steht. In Ankara, der Hauptstadt der Türkei, ist das anders. Macht Präsident Erdogan die Ungleichbehandlung seiner Staatsgäste an deren Religion fest? Oder daran, wieviel Geld sie mitbringen? Ist es eine Laune des Präsidenten? Fällt den Mitarbeitern des Auswärtigen Amts in der Bundesrepublik Deutschland, von denen die Auslandsreisen des Bundespräsidenten, der Bundeskanzlerin und des Bundesaußenministers betreut werden, nicht auf, wie korrekt nichteuropäische Politiker in der Türkei behandelt werden?

Beim Besuch des gutaussehenden Emir von Qatar, Tamim bin Hamad al-Thani, zum Beispiel, ist alles prima. Er sitzt auf dem Foto, das Reuters von seinem Staatsbesuch in der Türkei gemacht hat, ganz so, wie es das Protokoll will, links im Bild. * Link Er trägt einen grauen Anzug, das Jackett offen, das Hemd weiß, die Krawatte hellblau. Das Einstecktuch in Rechteckfaltung blitzt nur eine Winzigkeit hervor. Schwarz-braun changieren die Schuhe. Sein Schnurrbart ist kurz geschnitten, die lockigen schwarzen Haare sind nach hinten gekämmt.

Der Emir ist im August zu Gast im Präsidentenpalast in Ankara. Und wie es das diplomatische Protokoll vorsieht, steht hinter dem Sessel des Staatsgasts aus Katar die kastanien-braune, mit einem breiten weißen, gezackten Streifen versehene Flagge von Katar. Leicht versetzt rechts neben ihm sitzt Präsident Recep Tayyip Erdogan, der Gastgeber. Hinter ihm die rote türkische Flagge mit weißem Sichelmond und weißen Stern.

Beide Männer können gut miteinander. Beim Treffen sagt der Emir Erdogan zu, sofort 15 Milliarden Euro in der Türkei zu investieren. Und im September verkündet das türkische Staatsfernsehen TRT, der Emir habe Erdogan aus lauter Zuneigung eine Boeing 747 geschenkt. Der schicke Jumbojet kommt aus der Schweiz in die Türkei geflogen und landet in Istanbul. Der Emir ist allerdings nicht an Bord, und begibt sich auch nicht in den Präsidentenpalast. Deshalb wird die Meldung vom angeblich geschenkten Flugzeug von der FAZ mit einem Foto ** Link illustriert, das bereits am 15. August im Palazzo Prozzo in Ankara aufgenommen worden war. Die Männer tragen dieselben Anzüge und Krawatten wie damals. Einziger Unterschied: Sie sitzen nicht, sondern beide stehen. Das tun sie auch auf dem Bild, *** Link mit dem das Handelsblatt schon im August die Meldung von den 15 katarischen Milliarden für die Türkei illustriert hatte.

Auch die online-Zeitung Hurriyet Daily News berichtet über die Flugzeugschenkung, hinter der sich ein geschickter Deal der Erdogan-Familie verbergen soll. Sie bebildert die Freundschaft der beiden Männer mit einem Foto, **** Link auf dem der Emir - diplomatisch korrekt - links zu sehen ist, und Erdogan folglich rechts. Sie schütteln sich die Hände. Erdogan trägt eine blaue Weste mit weißen Knöpfen unter der Jacke seines Anzugs, der Emir hat ganz kurze Haare, was ihm alles Pfiffige nimmt, der Zweireiher, den er trägt, hat ein breites Revers, sein Schlips ist rot. Andere Kleidung, anderes Datum, anderer Staatsbesuch.
Aber: wie auf allen Fotos, die den Emir Tamim bin Hamad al-Thani als Staatsgast bei Recep Tayyip Erdogan zeigen: die Flagge von Katar ist immer dabei. Wie es das diplomatische Protokoll vorsieht.

FÜR MERKEL, STEINMEIER, MAAS UND MAY GELTEN IN DER TÜRKEI REGELN, DIE NICHT DEN DIPLOMATISCHEN GEPFLOGENHEITEN ENTSPRECHEN
Merkel Link, Steinmeier Link und Maas Link stehen oder sitzen, wenn sie bei Erdogan zu Besuch sind, vor der türkischen und nicht, wie es den diplomatischen Regeln entspricht, vor der eigenen Staatsflagge. Theresa May auch. Ende Januar 2017 ist sie die erste Regierungschefin aus Europa, die dem türkischen Präsidenten nach dem Putschversuch ihre Aufwartung macht. Eine, die sich für beide Seiten lohnt. British Aerospace Industries Electronics Systems und Turkish Aerospace Industries unterzeichnen eine Übereinkunft über 100 Mio. Pfund, damit die Türkei den Kampfjet TF-X entwickeln kann, ausserdem soll das Handelsvolumen zwischen beiden Staaten von 15 auf 20 Milliarden Dollar pro Jahr steigen. Das entsprechende Foto aus dem Präsidentenpalast zeigt May lächelnd und händeschüttelnd mit Erdogan, beide umrahmt von zwei türkischen Flaggen. Ihren Hals und einen Arm schmücken großgliedrige silbernfarbene Ketten. ***** Link

ALS ERDOGAN MINISTERPRÄSIDENT WAR, DA WAR ALLES ANDERS
Im April 2014 besucht der damalige Bundespräsident Joachim Gauck den Recep Tayyip Erdogan. Der ist noch Ministerpräsident und residiert in der Residenz des Ministerpräsidenten in Ankara. Präsident wird er vier Monate später, am 28.8.2014. Die gepolsterten Stühle mit den goldenen Einfassungen stehen vor einem Kamin über dem ein goldgerahmtes Gemälde hängt. Es fällt auf, dass die Stühle sehr viel enger zusammengerückt sind, als im heutigen Präsidentenpalast. Versetzt hinter Gauck die deutsche Flagge, versetzt hinter Erdogan die türkische.
2010 reist Christian Wulff und wird von Ministerpräsident Erdogan in seiner Residenz empfangen. Auf dem offiziellen Foto der Begegnung stehen beide Männer, sich die Hände schüttelnd, vor dem goldgerahmten Gemälde. Hinter Wulff ist die deutsche, hinter Erdogan die türkische Flagge zu sehen. ******* Link


* Foto Emir von Katar und Erdogan bei UKReuters: Business News, August 15, 2018 / 5:28 PM: Link

** Foto Emir von Katar und Erdogan in der FAZ: Aktualisiert am 17.09.2018-19:45: Link

***Foto Emir von Katar und Erdogan im Handelsblatt: 15.08.2018 Update: 16.08.2018 - 00:03 Uhr: Link

****Foto hurriyetdailynews ohne Datum abgerufen am 20.9.2018 unter: Link

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Foto May und Erdogan Die Zeit, 28.1.2017: Link

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Foto Gauck und Erdogan: MOZ, 28.4.2014 Link

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Foto Wulff und Erdogan: Bundespraesident.de abgerufen am22.9.2018 unter: Link
PS: Auf der deutsch-katarischen Wirtschaftskonferenz im September in Berlin kündigte der Emir an, in den nächsten fünf Jahren 10 Milliarden Euro im Sommermärchen-Land investieren zu wollen.

Link: Maas, Erdogan und die Flaggenfrage
Quelle: Büro gegen Altesdiskriminierung

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