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26.09.2019 - von Hanne Schweitzer
Am Dienstag wollte die Bundestagsfraktion der FDP `einen großen Wurf` in Sachen Weiterbildung beschließen: Das "Midlife Bafög". Aber so viel Schmackes zeichnet den bislang noch unveröffentlichten Wurf nicht aus. Denn bereits 2004 hatte die Expertenkommission »Finanzierung Lebenslangen Lernens« auf die nötige Erweiterung des öffentlichen Bildungsauftrags ins Erwachsenenalter hingewiesen. Sie schlug vor, ein allgemeines BAföG für Erwachsene einzuführen und denjenigen zu gewähren, die älter als 25 sind, einen Schul- oder Berufsabschlusses im Erwachsenenalter nachholen wollen, und die über kein ausreichendes eigenes Einkommen oder Vermögen verfügen.
Das "Midlife Bafög" der FDP, auch ´zweites Bildungssystem für das ganze Leben` genannt, haben sich Johannes Vogel und Jens Brandenburg ausgedacht. Es soll durch die Einrichtung von ´Freiraumkonten` für Berufstätige über 18 funktionieren.
Auf dieses "Freiraumkonto" sollen ArbeitnehmerInnen eigenes Geld einzahlen oder Boni und Überstunden in Form von Entgeltumwandlung (aus dem Bruttogehalt) vom Arbeitgeber gutschreiben lassen. Für Leute mit niedrigem Einkommen ist im Konzept vorgesehen, dass der Staat zwischen 500 und maximal 1.000 Euro im Jahr auf das "Freiraumkonto" überweist, das sogenannte "Midlife Bafög". Das muss innerhalb von 10 Jahren in Weiterbildung investiert werden oder - es fällt an den Staat zurück.
Das eigenverantwortliche lebenslange Lernen soll durch das Erstellen und Betreiben einer "digitalen Bildungsarena" erfolgen. Auf dieser Amazon-ähnlichen Handelsplattform will die FDP alle Bildungsangebote bündeln, damit die ArbeitnehmerInnen sich dort ihre Weiterbildungsangebote aussuchen und buchen können. Die Bezahlung, so der Plan, solle direkt über die "Freiraumkonten" laufen.
Fragen zu den "Freiraumkonten" und zum "Midlive Bafög"
- Wo bleibt der öffentliche Bildungsauftrag?
- Wo sollen die "Freiraumkonten" angesiedelt werden?
- Fallen Gebühren für die Kontoführung an?
- Wer hat Zugang zu den Daten? (Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Bildungseinrichtung, Plattform-Betreiber?)
- Wer soll die Software für die Handelsplattform entwickeln, wer soll sie betreiben, wer soll das bezahlen und wer verdient daran?
- Welche Weiterbildungsanbieter erhalten unter welchen inhaltlichen und finanziellen Bedingungen Zugang zur Plattform? Ist die Einführung kostenpflichtiger Zertifikate geplant?
- Orientiert sich das Projekt an der "WUS-Informationsstelle Bildungsauftrag NordSüd", das die entwicklungsbezogene Bildungsarbeit in der Bundesrepublik Deutschland koordinert? Link
Wie sieht es beim "Midlife Bafög" mit den Altersgrenzen aus?
Dazu ließ sich Christian Lindner Anfang September 2019 wie folgt vernehmen: "Auch ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jenseits der 50 müssen neue Wiedereinstiegschancen gewinnen." https://www.n-tv.de/der_tag/Lindner-fordert-Midlife-Bafoeg-statt-Midlife-Crisis-article21252615.html
Ganz anders liest sich das im FDP-Antrag an den Bundestag vom Juni 2019. "Exzellenzinitiative Berufliche Bildung – Update für die Aus- und Weiterbildung in der neuen Arbeitswelt" (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/111/1911106.pdf) Der Antrag enthält diskriminierende Altersgrenzen. So soll z.B. die Teilnahme am Programm "Erasmus+ für berufliche Bildung" nur bis zu fünf Jahre nach Abschluss der Ausbildung möglich sein, und der "Vorrang von Ausbildung vor der Vermittlung in Arbeit "soll nur "für unter 30 Jährige ohne Berufsabschluss" gelten. Und das, obwohl im Antrag die Rede ist von "über zwei Millionen bzw. 14,2 % der jungen Menschen zwischen 20 und 34 , die keinen Berufsabschluss haben."
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Dr. Jens Brandenburg, Bundestagsabgeordneter der FDP, Sprecher für lebenslanges Lernen der Fraktion. Berufliche Tätigkeit vor der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag: The Boston Consulting Group GmbH, München, Consultant
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Johannes Vogel. Bundestagsabgeordneter der FDP, arbeitsmarktpolitischen Sprecher der Fraktion. Seit 2014 Führungskraft bei der Bundesagentur für Arbeit, unter anderem Leiter Strategie- und Geschäftsentwicklung der Internationalen Abteilung (ZAV) und Geschäftsführer der Arbeitsagentur Wuppertal-Solingen.
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