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Verhandlung beim LSG wg. Kranken- + Pflegekassenbeiträgen aus Deferred Compensation Auszahlung

Foto: H.S.

19.10.2019 - von Peter Weber

Die mündliche Verhandlung von Peter Weber als Kläger und Berufungskläger gegen die Techniker Krankenkasse und Techniker Krankenkasse Pflegeversicherung wegen Beiträgen zur Kranken-und Pflegeversicherung aus einer Deferred Compensation beginnt am Mittwoch, dem 23.10 um 10.15 vor dem Landessozialgericht Baden Württemberg im 4.Stock, Saal 404, Hauffstraße 5, 70190 Stuttgart (Am Neckartor).

An das Landessozialgericht Baden-Württemberg
25. April 2018
In Sachen S 9 KR 973/17-Sozialgericht Reutlingen
Peter Weber, ... Kläger-gegen T echniker Krankenkasse, Bramfelder Str. 140, 22305, Hamburg-Beklagte-Techniker Krankenkasse Pflegeversicherung Bramfelder Str. 140, 22305, Hamburg-Beklagte
- wird beantragt, unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Reutlingen vom 22.03.2018 den Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2017 insoweit aufzuheben, als hierin ab dem 01. Mai 2016 aus der an ihn ausgezahlten Deferred Compensation in Höhe von 56.676.02 EUR Beiträge zur Kranken-und Pflegeversicherung erhoben werden. Das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22.03.2018 (Anlage 11) wird dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zur vollen Überprüfung zugeführt.
Der Kläger vertritt sich selbst.

Entgegen der Auffassung der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 30.03.2017 (Anlage 10) und den Ausführungen des Sozialgerichts Reutlingen in seinem Urteil vom 22. März 2018 (Anlage 12) liegt dem der Klage zugrunde liegenden Einzelfall keine Leistung aus einer betrieblichen Altersvorsorge vor. Es fehlt diesbezüglich an einem betrieblichen Bezug. Überdies verletzt das in §229 SGB V vom Gesetzgeber festgelegte Verfahren zur Berechnung der Beitragshöhe zur Kranken-und Pflegeversicherung den Kläger in seinem Grundrecht nach Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG.

DARLEGUNG DES SACHVERHALTS
Da sowohl die beklagte Techniker Krankenkasse (TKK) als auch der ehemalige Arbeitgeber des Klägers, die First Data Deutschland GmbH (FDD), mit ihren Darlegungen eher zur Verwirrung denn zur Aufklärung beitragen, werden nachfolgend nochmals die besonderen Umstände des Einzelfalls erläutert:

[1] Seit dem 15.04.2002 bestand zwischen dem Kläger und der FDD ein Arbeitsverhältnis, welches zum 31.12.2007 durch einen am 09.08.2007 vor dem Arbeitsgericht Frankfurt geschlossenen Vergleich aufgehoben wurde. In Abänderung von Punkt 5 des Vergleichs wurde darüber hinaus am28.08.2007 vereinbart, die dem Kläger noch für das Jahr 2007geschuldete variable Vergütung (Tantieme) in Höhe von 48.000 EUR als Deferred Compensation (DC) zeitverzögert auszuzahlen. Die konkreten Regelungen hierzu wurden im April 2008 in einer separaten Versorgungszusage schriftlich niedergelegt.
Beweis: Schreiben des Klägers vom 12.12.2007 an FDD (Anlage 1)

[2] Mit Datum vom18.04.2008 wurde rückwirkend zum 31.12.2007 vereinbart, dass die dem Kläger geschuldete Tantieme zur Finanzierung einer Versorgungszusage nach §1 Abs. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) verwendet werden soll. Allerdings hätte die Vereinbarung mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt werden können, sollten sich in dieser Zeit die maßgebenden Verhältnisse so wesentlich geändert haben, dass den Parteien die Aufrechterhaltung dieser Vereinbarung nicht mehr zugemutet werden kann.

Einzelheiten wurden in der Versorgungszusage mit Datum vom 18.04.2008 näher bestimmt, allerdings ohne jegliche Bezugnahme auf §1 Abs. 1 BetrAVG. Unter Punkt 6 ließ sich FDD das Recht zum Abschluss einer Rückdeckungsversicherung bei der VICTORIA Lebensversicherung AG (V.AG) einräumen. Die Ansprüche aus dieser Versicherung standen ausschließlich der Gesellschaft zu.

Sowohl in der Vereinbarung vom 18.04.2008 wie auch in der Versorgungszusage selbst weist FDD darauf hin, dass die Auszahlung der Deferred Compensation lohnsteuerpflichtig ist. Einen Hinweis darauf, dass die Auszahlung der Beitragspflicht zur Kranken-und Pflegeversicherung unterliegt, findet sich im Gegensatz dazu aber in keinem der angeführten Dokumente und wurde dem Kläger auch sonst nicht mitgeteilt.
Beweis: Vereinbarung mit Datum vom 18.04.2008 (Anlage 2) Beweis: Versorgungszusage (Anlage 3)

[3] Ergänzend zur Versorgungszusage verpfändete FDD den ihr aus der Rückdeckungsversicherung zustehenden Anspruch auf Erlebensfallleistung und Rückkaufwert an den Kläger, und die Todesfallleistung an die versorgungsberechtigten Hinterbliebenen.
Im Betreff der Pfandrechtsanzeige an die V.AG heißt es „Versorgungsleistung statt Barvergütung“.
Beweis: Pfandrechtsanzeigevom 18.04.2008 (Anlage 4)
Beweis: Pfandrechtsvereinbarung vom 18.04.2008 (Anlage 5)

[4] Mit Schreiben vom 28.07.2017 teilte die V.AG dem Sozialgericht Reutlingen mit, dass die Kapitalleitung der Rückdeckungsversicherung an FDD als Versicherungsnehmer ausgezahlt worden sei. Nach Abzug der Lohnsteuer und des Solidarzuschlagswurde der Nettobetrag dann im April 2016 an den Kläger überwiesen. Die Entgeltabrechnung mit Datum vom 13.04.2016 enthält keine Abzüge für Beiträge zur Kranken-und Pflegeversicherung.
Beweis: Entgeltabrechnung mit Datum vom 13.04.2016 (Anlage 6)

[5] Mit Schreiben vom 05.01.2017 teilt FDD der TKK mit, dass es sich bei der DC um eine „rein arbeitgeberfinanzierte betriebliche Versorgungszusage mit Erlebnisfallkapital“ handelt. Weiter wird in dem Schreiben mitgeteilt: „Der Zeitpunkt der Versicherungsvertragsübernahme durch unseren ehemaligen Arbeitnehmer ist wie vertraglich fixiert der 01.04.2008.“
Beweis: Schreiben der FDD an die Techniker Krankenkasse vom 05.01.2017(Anlage 7)

[6] Mit Bescheid vom 20.05.2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Kapitalleistung der DC der Beitragspflicht unterläge. Hiergegen legte der Beklagte am 02.06.2016 Widerspruch ein, der aber erst nach einer erfolgreichen Untätigkeitsklage mit Widerspruchsbescheid vom 30.03.2017 zurückgewiesen wurde.
Beweis: Beitragsbescheid vom 20.05.2016 (Anlage 8)
Beweis: Widerspruch vom 02.06.2016 gegen Beitragsbescheid vom 20.05.2016 (Anlage 9)
Beweis: Widerspruchsbescheid vom 30.03.2016 (Anlage 10)

BEGRÜNDUNG
Die an den Kläger ausgezahlte Deferred Compensation ist keine Leistung der betrieblichen Altersvorsorge / kein Vorliegen eines betrieblichen Bezugs [7] Im Widerspruchsbescheid der TKK vom 30.03.2016 wird die Beitragspflicht der dem Kläger ausgezahlten DC mit Urteilen zu Direktversicherungen begründet, um auszuführen, dass für Rückdeckungsversicherungen zur Erfüllung von Zusagen auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nichts anderes gelten könne. Hierbei ist anzumerken, dass eine Rückdeckungsversicherung einem völlig anderen Zweck dient als eine Direktversicherung. Im Gegensatz zu einer Direktversicherung wird eine Rückdeckungsversicherung in §1 BetrAVG auch nicht als möglichen Durchführungsweg der betrieblichen Altersvorsorge aufgeführt.

Eine Rückdeckungsversicherung schließt ein Arbeitgeber zur Absicherung eigener Risiken ab. Während eine Direktversicherung ein Vertragsverhältnis zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Versicherungsgesellschaft begründet, bleibt der Arbeitnehmer bei einer Rückdeckungsversicherung als Vertragspartner außen vor. Die Versicherung wird lediglich auf sein Leben abgeschlossen. Aufgrund der unterschiedlichen Zwecksetzung der beiden Versicherungsarten ist die Begründung der Beitragspflicht für die an den Kläger ausgezahlte Kapitalleistung durch Gleichsetzung der Rückdeckungsversicherung mit einer Direktversicherung nicht stichhaltig und wird zurückgewiesen. [8]

Wie sich aus den Darlegungen zum Sachverhalt unzweifelhaft ableiten lässt, liegt entgegen der Behauptung von FDD (siehe Anlage 7) auch keine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Versorgungszusage mit Erlebnisfallkapital vor. Die DC finanzierte der Kläger unter Verwendung der ihm für das Jahr 2007 geschuldeten Tantieme zu 100 Prozent aus eigenen Mitteln. Siehe auch Pfandrechtsanzeige von FDD mit Datum vom 18.04.2008 an die V.AG mit dem Betreff „Versorgungsleistung statt Barvergütung“.

Die Tantieme war mit Datum vom 01.01.2008 in das Eigentum des Klägers übergegangen. Erst im April 2008 erteilte FDD eine Versorgungszusage, da war das Arbeitsverhältnis jedoch schon seit über drei Monaten beendet. Aufgrund des damit verbundenen Zahlungsverzugs lagen die wirtschaftlichen Verfügungsrechte spätestens nach dem 15.01.2008 beim Kläger. Er hätte ab diesem Zeitpunkt die Auszahlung der Tantieme an sich verlangen können, um z.B. anstelle der Investition in die DC Aktien für seine Altersversorgung zu kaufen. Die Behauptung von FDD -aus welchen Gründen auch immer sie geäußert wurde –„vorliegend sei eine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Versorgungszusage mit Erlebnisfallkapital“ erteilt worden, ist mithin unrichtig.[9] Falsch ist ferner die Behauptung, dass zum 01.04.2008 eine Versicherungsvertragsübernahme an den Kläger erfolgt sein soll. Dazu hätte der Kläger in die Rolle des Versicherungsnehmers wechseln müssen, eine solche Vertragsänderung ist ihm jedoch nicht bekannt und bei einer Rückdeckungsversicherung rechtlich auch nicht möglich.

Tatsächlich verpfändete FDD die ihr zustehende Kapitalleistung aus der Rückdeckungsversicherung an den Kläger, um dessen Ansprüche aus der DC abzusichern. Dies ist aber etwas völlig anderes als z.B. die Versicherungsvertragsübernahme bei einer Direktversicherung, bei der der versicherte Arbeitnehmer in die Rolle des Versicherungsnehmers tritt. Aus diesem Grund wurde die Kapitalleistung der Rückdeckungsversicherung auch nicht an den Kläger, sondern mit dessen Zustimmung aufgrund der Verpfändung an FDD ausgezahlt. [10] Bestenfalls ließe sich aus den Umständen des Einzelfalls eine Direktzusage des Arbeitgebers mit Entgeltumwandlung nach §1 Abs. 2 Nr. 3 konstruieren. Dies scheitert jedoch an der im Betriebsrentengesetz formulierten Bedingung, dass nur zukünftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden dürfen. Das ist, siehe Absatz [9],vorliegend aber nicht der Fall. Die dem Kläger geschuldete Tantieme beruhte auf bereits erworbenen Ansprüchen.

Rechtlich liegt einer Entgeltumwandlung ein Novationsvertrag zu Grunde, d.h. die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erbringung seiner Gegenleistung, der Zahlung des Arbeitsentgelts, wird noviert und partiell durch eine Versorgungszusage ersetzt. 1 „Bereits fällige oder auch nur erdiente erarbeitete) Entgeltansprüche scheiden von einer Entgeltumwandlung iSv § 1 Abs. 1 Nr. 1 SvEV (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 ArEV) aus. Insoweit liegt im Fall der DC des Klägers keine Novation des Arbeitsvertrags bzgl. der künftigen Zusammensetzung von Entlohnungsbestandteilen vor, sondern eine Abrede über die Verwendung bereits entstandener Ansprüche“.
2 Was unter Entgeltumwandlung zu verstehen ist, definierte das BSG in einem Urteil vom 14.07.2004 (Az.: B 12 KR 10/02 R, RN 35). Danach unterscheidet sich die Entgeltumwandlung von einer bloßen Abrede über die Verwendung des laufenden Lohnes oder Gehaltes dadurch, dass die Gegenleistungspflicht des Arbeitgebers für die Zukunft durch Änderung des Arbeitsvertrages allgemein geändert wird“. [11]

Folglich wurde weder ein bestehender Arbeitsvertrag noviert, noch wurden künftige Entgeltansprüche umgewandelt, denn das Arbeitsverhältnis gab es zum Zeitpunkt der Versorgungszusage nicht mehr. Vorliegend fehlen deshalb alle Voraussetzungen für eine „echte“ Entgeltumwandlung nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG. Stattdessen ist durch Auslegung des Sachverhalts von einer Abrede über die Verwendung bereits entstandener Ansprüche für eine private Gehaltumwandlungsversicherung auf der Grundlage von § 783 BGB (Rechte aus der Anweisung) auszugehen, die private Eigenvorsorge darstellt und damit nicht unter §229 SGB V fällt. Zu Recht hat das BVerfG zur Begründung der Ablehnung der Verfassungsbeschwerde -1 BvR 1660/08-in RN 14 Satz 2 darauf verwiesen, dass die institutionelle Unterscheidung des §229 SGB V sich nur daran orientieren kann, ob die rechtlichen Vorgaben betrieblicher Altersversorgung erfüllt sind, oder ob von einer privaten Eigenvorsorge auszugehen ist.

Vorliegend sind die rechtlichen Vorgaben betrieblicher Altersvorsorge nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgericht Reutlingen unterliegt die an den Kläger ausgezahlte DC damit nicht der Beitragspflicht zur Kranken-und Pflegeversicherung nach §229 SGB V, eine private Lohnverwendungsabrede schließt per Definition einen betrieblichen Bezug aus.

Verfassungsrechtliche Bedenken[12]
Sollte die DC gemäß Beitragsbescheid der TKK dennoch der Beitragspflicht zur Kranken-und Pflegeversicherung unterliegen, stellt sich die Frage, ob die Beklagte bei der Berechnung der Beitragshöhe nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot nach Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verstößt. Für die Berechnung der Beitragshöhe nimmt sie die Kapitalleistung als Bemessungsgrundlage. Bei einer klassischen Betriebsrente, die der Arbeitgeber zusätzlich zum Lohn des Arbeitnehmers finanziert, ist das nicht strittig 3. Bei der klassischen Variante der betrieblichen Altersversorgung fließt dem Arbeitnehmer nicht nur der Ertrag (aufgelaufene Zinsen, ggf. Leistungen einer Überschussbeteiligung) sondern auch die vom Arbeitgeber zusätzlich zum Gehalt geleisteten Beitragszahlungen als Entgelt seinem Vermögen zu.

Im Fall der arbeitnehmerfinanzierten betrieblichen Altersvorsorge (Entgeltumwandlung) ist es jedoch nur der Ertrag, der vom Arbeitnehmer im Alter als zusätzliche Einnahme mit Entgeltcharakter aufgezehrt werden kann, die vom Arbeitnehmer in der Ansparphase selbst aufgebrachten Beiträge zu seiner Altersvorsorge gehörten ihm ja bereits und können ihm deshalb nicht ein zweites Mal als Entgelt (für welche erbrachte Leistung?) zufließen.[13]

Nun sollte man annehmen, dass die aufgezeigten Unterschiede bei der Berechnung der an die Krankenkassen zu entrichtenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach Auszahlung der Kapitalleistung zu beachten sind. Aber weit gefehlt. In §229 SGB V heißt es : „Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für einhundertzwanzig Monate. “Die Krankenkassen legen diesen Satz so aus, dass sowohl für die arbeitgeberfinanzierte wie auch für die arbeitnehmerfinanzierte Altersvorsorge die Berechnung der Beitragshöhe zur Kranken-und Pflegversicherung auf einer einheitlichen Bemessungsgrundlage, der Kapitalleistung, zu erfolgen hat.

Nach dieser Logik kommt Entgelt, welches bereits dem Vermögen des Arbeitnehmers zugeflossen ist und aus dem er seine Altersversorgung finanzierte, bei der Auszahlung der Kapitalleistung erneut Entgeltcharakter zu. Anders ausgedrückt: Entgeltzahlungen aus einem ehemaligen Arbeitsverhältnis mutieren bei Auszahlung der Kapitalleistung der Altersvorsorge erneut zu einer Entgeltzahlung. Sozusagen ein finanzielles Perpetuum Mobile –darauf muss man erst einmal kommen! Was in der Physik nicht möglich ist (die Energieprobleme der Welt wären gelöst) und als Argument den gesundem Menschenverstand beleidigt, hält Politiker und Krankenkassen nicht davon ab, auf der Grundlage dieses simplen Taschenspielertricks in die Altersvorsorgekasse von Arbeitnehmern zu greifen. Wer glaubt, wie in einigen Sozialgerichtsurteilen nachzulesen ist, dass sich dadurch ja die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer erhöhen würde, glaubt auch an Wunder. [14]

Die finanziellen Auswirkungen dieser Auslegung sind, wie unter RN [15] dargelegt, gravierend. Die Unterschiede lassen sich anhand von konkreten Zahlen belegen. Bei gleicher Kapitalleistung wird in nachfolgender Tabelle das Ergebnis der Altersvorsorge der „arbeitnehmerfinanzierten“ DC des Klägers dem Ergebnis der „arbeitgeberfinanzierten“ Vergleichsvariante gegenübergestellt. LinkDie Vergleichsvariante wäre relevant, wenn, wie von FDD behauptet, eine „arbeitgeberfinanzierte Versorgungszusage“ erteilt worden wäre.

Bemessungsgrundlage ist nach Definition der Beklagten in beiden Fällen die an den Kläger für seine Altersvorsorge ausgereichte Kapitalleistung. Bei der dritten Variante handelt es sich um eine „arbeitnehmerfinanzierten“ Altersvorsorge, bei der die Beiträge zur Kranken-und Pflegeversicherung alleine auf der Bemessungsgrundlage des Ertrags berechnet wurden.[15] Anhand der Gegenüberstellung lässt sich unschwer erkennen, dass die arbeitnehmerfinanzierte DC des Klägers im Ergebnis deutlich hinter den beiden anderen Varianten zurückbleibt. Der Unterschied ist mit einer Differenz in Höhe von rund 37.000 EUR bei einer Kapitalleistung von 56.676 EUR sogar erheblich.

In der Entscheidung zu -2BvR 1188/05 -RN 26 vertrat das BVerfG folgende Auffassung: „Der allgemeine Gleichheitssatz verpflichtet die Grundrechtsadressaten, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Verschiedenheit und Eigenart ungleich zu behandeln. Er ist verletzt, wenn die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, wenn also bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung fehlt.“ Dieser Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist nichts hinzuzufügen. Einen vernünftigen und ein-leuchtenden Grund für die Verbeitragung der arbeitgeber-und arbeitnehmerfinanzierten Altersvorsorge auf Basis derselben Bemessungsgrundlage kann der Kläger nicht erkennen. Indem die Beklagte das Eigentum des Klägers erneut zu einer Einnahme mit Entgeltcharakter erklärt, verletzt sie das Recht des Klägers auf Gleichbehandlung nach Artikel 3 Abs. 1. Der Gleichbehandlungsgrundsatz bliebe nur gewahrt, wenn anstelle der Kapitalleistung der Ertrag der DC zur Bemessung der Beitragshöhe für die Kranken-und Pflegeversicherung herangezogen worden wäre. Zwar wäre im Vergleich zu einer rein arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung der Unterschied immer noch erheblich, siehe Tabelle, aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten aber nicht zu beanstanden.

Bei der an den Kläger ausgezahlten Kapitalleistung aus seiner DC handelt es sich um private Altersvorsorge auf der Grundlage einer Lohnverwendungsabrede. Private Vorsorge fällt nicht unter §229 SGB V und unterliegt nicht der Beitragspflicht zur Kranken-Pflegeversicherung. Dies ergibt sich aus der Auslegung der Umstände des Einzelfalls. Schon aus diesem Grund ist der Beitragsbescheid der Beklagten zurückzuweisen.[18] Die Anwendung einer einheitlichen Bemessungsgrundlage zur Berechnung der Beitragshöhe der Kranken-und Pflegeversicherung für eine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung und einer arbeitnehmerfinanzierten betrieblichen Altersvorsorge verletzt das Gleichheitsgebot nach Artikel 3 Abs. 1 GG. Die Sachverhalte sind im Ergebnis, wie oben dargestellt, derart verschieden, dass sich eine Gleichbehandlung mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise verbietet.

Sollte das Landessozialgericht bei der an den Kläger ausgezahlten Kapitalleistung trotz der vorgetragenen Argumente für das Vorliegen einer betrieblichen Altersvorsorge plädieren, wäre der Beitragsbescheid der Beklagten trotzdem zurückzuweisen. Ein neuer Beitragsbescheid müsste sich bei der Berechnung der Beitragshöhe an der Bemessungsgrundlage des Ertrags orientieren. Peter Weber

Anlagen
1. Schreiben des Klägers vom 12.12.2007 an FDD
2. Vereinbarung zwischen Kläger und FDD mit Datum vom 18.04.2008
3. Versorgungszusage vom 18.04.2008
4. Pfandrechtsanzeige von FDD an V.AG vom 18.04.2008
5. Pfandrechtsvereinbarung zwischen Kläger und FDD vom 18.04.2008
6. Entgeltabrechnung mit Datum vom 13.04.2016
7. Schreiben der FDD an die Techniker Krankenkasse vom 05.01.2017
8. Beitragsbescheid der Beklagten vom20.05.2016
9. Widerspruch des Klägers vom 02.06.2016
10. Widerspruchsbescheid der Beklagten gem. §85 Sozialgerichtsgesetz vom 30.03.2017
11. Klage gegen Widerspruchsbescheid vom 03.04.2017
12. Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.03.2017


KLAGEERWEITERUNG vom 26.5.2019
An das Landessozialgericht Baden-Württemberg
In meiner Klage vom 25. April 2018 hatte ich dargelegt, dass meine Deferred Compensation (DC) auf einer Abrede zur Verwendung von offenen Gehaltsansprüchen zur privaten Eigenvorsorge beruht, die nicht von der Norm des§ 229 SGB V umfasst ist. Wie nachfolgend gezeigt wird, unterliegt die Kapitalzahlung der DC aber auch aus einem anderen entscheidenden Grund nicht der Beitragspflicht zur Kranken-und Pflegeversicherung.

BEGRÜNDUNG
Die Änderung des § 229 SGB V zum 1. Januar 2004 hatte die Beseitigung eines Umgehungstatbestands zum Ziel, nicht jedoch die Einführung der Beitragspflicht von originären Kapitalzahlungen. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vom 14.11.2003 wurde bekanntlich nur ein einzelner Texteinschub in § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V eingefügt: „Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge...“. 1. Nach Bieback (NZS 2019, S. 246) war nach den vorliegenden Gesetzesmaterialien Ziel des Einschubs, die Umgehung von Rentenzahlungen durch eine vor Fälligkeit getroffene Vereinbarung einer Einmalzahlung zu verhindern. So heißt es im Gesetzesentwurf vom 08.09.2003 (DS 15/1525) zur Begründung der Änderung des § 229 SGB V:
„...Die Regelung beseitigt Umgehungsmöglichkeiten bei der Beitragspflicht für Versorgungsbezüge. Nach bisherigem Recht gilt für eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung (Kapitalabfindung), die an die Stelle eines Versorgungsbezugs tritt, als monatliche beitragspflichtige Einnahme 1/120 der Leistung für längstens 10 Jahre (§ 229 Abs. 1 Satz 3 a. F.).

Die Spitzenverbände der Kranken-und Rentenversicherungsträger haben im Gemeinsamen Rundschreiben vom 21. März 2002 hierzu ausgeführt, dass Beiträge aus einer Kapitalabfindung nur dann berechnet werden können, wenn dadurch ein bereits geschuldeter Versorgungsbezug ersetzt wird. Geschuldet wird ein Versorgungsbezug, wenn der Versicherungsfall (Erwerbsminderung, Rentenalter) bereits eingetreten ist. Im Umkehrschlusssind keine Beiträge zu berechnen, wenn der Anspruch auf die Kapital-leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls zugesichert wird bzw. die einmalige Leistung von vornherein als solche vereinbart oder zugesagt worden war (originäre Kapitalleistung; BSGE vom 18. Dezember 1984 und 30. März 1995).

Beitragspflicht wird also durch entsprechende Vereinbarungen umgangen. Aus Gründen der gleichmäßigen Behandlung aller Betroffenen soll diese Lücke geschlossen werden. “Bieback bemerkt hierzu: Nach einer weiten Interpretation soll sich die Formulierung „oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt“ im neuen zweiten Satzteil auf den (allgemeinen) Terminus „nicht regelmäßige wiederkehrende Leistung“ im alten ersten Satzteil beziehen. Damit würde auch eine originäre Kapitalzahlung beitragspflichtig, ohne dass jemals eine Rentenzahlung vereinbart war.

Dies war sofort die Interpretation der GKV-Spitzenverbände, der Literatur und Rechtsprechung gefolgt sind, die aber auch Kritik fand. Diese Interpretation überzeuge jedoch nicht. Denn der Begriff „eine solche Leistung“ wird im vorherigen Satzteil nicht allgemein, sondern speziell definiert durch das Merkmal „an die Stelle der Versorgungsbezüge tritt“. Wenn sich „solche“ nicht auf dem im ersten Satzteil spezifizierten, sondern auf den allgemeinen Begriff „nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung“ beziehen sollte, hätte es Bieback zufolge nahe gelegen, ihn auch so als allgemeinen Begriff zu wiederholen und dann zu spezifizieren („oder ist eine nicht regelmäßige wiederkehrende Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt“). Oder man hätte eine noch generellere Gleichstellung normiert, die beide Alternativen erfasst: „als Rente-/Versorgungsleistung gilt auch eine nicht regelmäßige wiederkehrende Leistung...“

Die grammatikalische Interpretation von Bieback wird durch zwei dem Kläger vorliegende Sprachgutachten gestützt. Der Germanist, Schriftsteller und Privatdozent Dr. Wolfgang Beutin schreibt in seinem Gutachten (Anlage 1):„Mit dem Demonstrativpronomen (Anm.: gemeint ist „solche“) verbleibt der Anwender vollkommen im Raum ein-und desselben Sachverhalts. Die Sprache erlaubt nicht, dass der Sprecher ungeachtet des Demonstrativpronomens den Raum des Sachverhalts verlässt und in einen anderen hinüberspringt. Es geht dem Gesetzgeber nun in dem bewussten Paragraphen um eine von den Rentenzahlungen abgeleitete einmalige Abfindung. Allein um sie. So Daher fällt eine sonstige einmalige Kapitalauszahlung, die nicht eine von der Rente abgeleitete Abfindungsleistung darstellt, gemäß der sprachlich korrekten Formulierung des Gesetzgebers auch keineswegs unter den Paragraphen(Anm.: gemeint ist §229 SGB V). Es ist also dessen Anwendbarkeit auf eine x-beliebige, sonstige einmalige Kapitalauszahlung nicht gegeben. Genau dies besagt das Demonstrativpronomen.

“Zu derselben Schlussfolgerung kommt die Gesellschaft für die deutsche Sprache e.V.(GfdS) in ihrer Gesetzestextinterpretation (Anlage 2):„Das Demonstrativpronomen ´solche` bezieht sich in diesem Satz ganz eindeutig und ausschließlich auf die vorherige Nominalphrase „nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung“. Solche nimmt die Stelle der vorherigen Leistungsbeschreibung (nicht regelmäßig wiederkehrend) ein und stellt durch seine Anwesenheit die Referenz darauf her. Da die zuvor beschriebene Leistung syntaktisch sehr nah (nur drei Wörter) an solche liegt, ist der Bezug für die Lesenden deshalb eindeutig. Damit handelt es sich im vorgelegten Gesetzestext um eine spezielle nicht wiederkehrende Leistung, nämlich nach Bundestagsdrucksache 15/1525 vom 08.09.2003 um eine einmalige „Kapitalabfindung“, die an die Stelle der Versorgungsbezüge tritt. “Genauso wie § 229 SGB V vom Gesetzgeber im Präsensformuliert wurde und Renten bzw. rentenähnliche Einnahmen damit erst mit dem Eintritt in die gesetzliche Rente von der Normsetzung des Gesetzes erfasst werden, lässt die grammatikalische Interpretation des Gesetzestextes kein Zweifel daran, welche Zielsetzung der Gesetzgeber mit dem Texteinschub in § 229 SGB V verfolgte. Alleiniges Ziel war die Beseitigung der Möglichkeit, die Beitragspflicht einer Rente durch Zahlung einer Kapitalabfindung zu umgehen, nicht dagegen originäre Kapitalzahlungen der Beitragspflicht zu unterwerfen.

Soviel an dieser Stelle zur grammatikalisch korrekten Auslegung von § 229 SGB V durch renommierte Experten der deutschen Sprache. Vermutlich hätte aber auch Mittelstufenschulwissen ausgereicht, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen.3.

Gegen die Interpretation des Einschubs durch den Lobbyverband der gesetzlichen Krankenkassen und der ihr folgenden Sozialgerichte sprechen Bieback zufolge zudem alle anderen Methoden der Gesetzesinterpretation:
a. Einmal, dass es gemäß § 229 Abs. 1 EinlS. und Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 ja weiterhin um „Versorgungs-Bezüge“ und „Renten“, also wiederkehrende Leistungen geht, was die einmalige Kapitalzahlung des Klägers nicht ist, wohl aber alle anderen der sonst in § 229 Abs. 1 genannten Versorgungsbezüge sind –um die vorher ab 1984 für das BSG zentrale systematischen Interpretation auch hier zur Geltung zu bringen.
b. Zum anderen die Motive des Gesetzgebers, nur eine „Umgehung“ der Verbeitragung der privaten Rentenversicherung zu verhindern. Da, wo es nie die Vereinbarung einer Rentenzahlung gab, wie bei der DC des Klägers, kann sie auch nicht umgangen werden.
c. Ebenso ausgenommen bleibt der früher zu Recht vom BSG betonte Unterschied zur Zahlung einer Rente, bei der die Versicherung das Risiko der Langlebigkeit abdeckt, während eine reine Kapitalzahlung in Zielsetzung und Kalkulation einer Rente nicht ähnelt und insoweit auch kein Ersatz von Lohneinkommen ist.

Zur Abgrenzung einer Rente von einer einmaligen Kapitalzahlungen führte das BSG (BSG 12 RK 36/84) in 1984 richtig aus: „Rente als einem vom Begriff her regelmäßig wiederkehrenden Bezug sind nur Bezüge vergleichbar, die wie sie regelmäßig wiederkehren (laufende Bezüge). Nur sie sind auch hinsichtlich ihrer sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung den Renten ähnlich; für einmalige oder in wenigen, unregelmäßigen Raten ausgezahlte Versorgungsleistungen trifft dies nicht zu. So bietet ein einmaliger Kapitalbetrag im Gegensatz zur Rente keine Gewähr dafür, dass der Empfänger ihn in der Folgezeit zur Deckung seines Lebensunterhalts und damit zur langfristigen Alterssicherung verwendet; häufig wird er ihn vielmehr zur Befriedigung zeitlich begrenzter Bedürfnisse verwenden. “Die Definition des BSG ist eindeutig und wurde bis heute nicht durch eine andere Festlegung außer Kraft gesetzt.

Zu guter Letzt wird auf den im Gesetzentwurf vom 08. September 2003 (DS15/1525) ausgewiesenen Entlastungseffekt (siehe Tabelle auf S. 171) verwiesen. Danach belaufen sich die zusätzlichen Beitragseinnahmen der Krankenkassen aus Versorgungsbezügen auf 1,6 Mrd. EUR p.a. In dieser Prognose sind alle finanziellen Auswirkungen der mit dem GKV-Modernisierungsgesetz beschlossenen Änderungen der §§229 und 248 SGB V zusammengefasst.

Aktuell spielen Sozialpolitiker der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD verschiedene Szenarien durch, die betriebliche Altersvorsorge zu entlasten. In einem der Szenarien wird für die Betragsbemessung von Versorgungsbezügen zur Kranken-und Pflegeversicherung wieder nur der halbe allgemeine Beitragssatz zugrunde gelegt. Dies entspräche einer Rückabwicklung der in § 248 SGB V zum 1. Januar 2004 vorgenommenen Anhebung von Versorgungsbezügen auf den vollen allgemeinen Beitragssatz. Dadurch ergäben sich für die Krankenkassen, so die Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums, zukünftig Beitragsmindereinnahmen i.H. von 3 Mrd. EUR p.a. Die Rückzahlung aller seit 2004 zusätzlich einbehaltenen Beitragseinnahmen aus Versorgungsbezügen wird vom Bundesgesundheitsministerium mit 42 Mrd. EUR beziffert und als nichtfinanzierbar dargestellt. Stellt man diesen Zahlen die Prognose der im Entwurf des GKV-Modernisierungsgesetzes zu Grunde gelegten zusätzlichen Beitragseinnahmen i. H. von 1,6 Mrd. EUR p.a. entgegen, ergibt sich ein deutlich geringerer Rückzahlungsbetrag i. H. von 22,4 Mrd. EUR (1,6 Mrd. EUR/Jahr * 14 Jahre).

Daraus folgt eindeutig, dass den Krankenkassen über die prognostizierten 1,6 Mrd. EUR p.a. hinaus zusätzliche Beitragseinnahmen aus Versorgungsbezügen zugeflossen sind, die im Gesetz von der Politik so nicht vorgesehen waren. Diese zusätzlichen Beitragseinnahmen stammen aus der gesetzeswidrigen Auslegung des § 229 SGB V durch die Lobbyverbände der Krankenkassen, mit der originäre Kapitalzahlungen in einen Rentenbezug „fingiert“ wurden. Die Sozialgerichte folgten dieser Auslegung willig und kritiklos, und der Gesetzgeber ließ es geschehen.
Schließlich spülte die widerrechtliche Auslegung des geänderten § 229 SGB V durch die Lobbyverbände der Krankenkassen bis 2017 zusätzlich rund 40 Mrd. EUR in die Kassen der Kranken-und Pflegeversicherungen, ohne dass eine Partei dafür öffentlich hätte den Kopf hinhalten müssen. Recht war fortan, was die Kassen der Kranken-und Pflegeversicherungen füllte. Zum Glück blieb der Betrug bei den Betroffenen nicht unbemerkt und brachte die verantwortlichen Politiker und Parteien immer mehr in Erklärungsnot. Kein Wunder, dass der Glaubwürdigkeitsverlust der etablierten Parteien und die daraus resultierende Politikverdrossenheit zunehmend zu einem ernsten Problem für unsere Demokratie werden.

.§ 229 SGB V ist eine in sich geschlossene Norm, die weder Lücken aufweist noch zweideutige Interpretationen zulässt. Wie schlüssig dargelegt, regelt § 229 SGB V die Beitragspflicht von laufenden Einnahmen, die mit der gesetzlichen Rente vergleichbar sind, nicht jedoch die Beitragspflicht von originären Kapitalzahlungen, die nie eine Rente waren. Die indirekten Argumente der ständigen Rechtsprechung wie „Bezug zum Arbeitsleben“, „institutioneller Rahmen“, „gleiche Zwecksetzung“ etc., mit denen die Sozialgerichte versuchen, originärer Kapitalzahlungen mit laufenden Rentenzahlungen gleichzusetzen, sind Auslegungen contra legem und gesetzeskorrigierendes Richterrecht. Sie sind logische Zirkelschlüsse, die in ihren Thesen und Argumenten voraussetzen, was sie zu beweisen suchen.

So führt der 12.Senat des BSG in seinem Urteil (B 12 KR 12/15 R) vom 20. Juli 2017 unter RN 13an: „... der Senat hat den Begriff der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Beitragsrechts der GKV seit jeher als gegenüber dem Begriff der betrieblichen Altersversorgung im BetrAVG eigenständig verstanden.“ Die Richter im12. BSG-Senat mögen das so sehen, aber ohne Bezug zur Normsetzung eines konkreten Gesetzes ist diese Aussage schlicht Richterprosa. Nicht ohne Grund haben die Väter des Grundgesetzes aus der geschichtlichen Erfahrung des dritten Reichs mit seiner auf Unrecht und Willkür basierenden Rechtsprechung im Grundgesetz den Grundsatz der Gewaltenteilung(Art. 20 Abs. 2 GG) verankert und verfügt, dass Richter an die Gesetzgebung gebunden sind (Art. 20 Abs. 3 GG).Gewaltenteilung und die Bindung von Richtern an das Gesetz sind grundlegende Prinzipien der demokratischen Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, über die sich die Judikative mit ihrer Rechtsprechung zu § 229 SGB V leichtfertig hinwegsetzt.

FAZIT
Originäre Kapitalleistungen der betrieblichen Altersversorgung unterliegen im Gegensatz zu Kapitalabfindungen von Renten nicht der Beitragspflicht zur Kranken-und Pflegeversicherungen. Originäre Kapitalzahlungen, die nie eine Rente waren, werden von § 229 SGB V nicht umfasst. Eine andere gesetzliche Norm, aus welcher die Beitragspflicht originärer Kapitalzahlungen zur Kranken-und Pflegeversicherung hervorginge, ist dem Kläger nicht bekannt. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2017 ist aufzuheben und die zu Unrecht eingehaltenen Beiträge sind zu erstatten.
Peter Weber

Anlagen:
1 –Sprachgutachten PD Dr. Wolfgang Beutin Br.
2–Sprachgutachten der Gesellschaft für deutsche Sprache e.V

Quelle: Mail an die Redaktion