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03.12.2019 - von Bagso
Standpunkte der BAGSO zu Altersdiskriminierung anlässlich einer ISS-Tagung
Auf der Tagung „‚ICH? Zu alt?‘ Diskriminierung älterer Menschen“ des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) in Mainz, stellte Jens-Peter Kruse, Mitglied des BAGSO-Vorstandes, die Position der BAGSO zu den unterschiedlichen Aspekten von Altersdiskriminierung dar. Dabei wies er auch auf neue Diskriminierungsrisiken hin, die die Digitalisierung mit sich bringt. Eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat vor kurzem gezeigt, dass Algorithmen von Suchmaschinen und Internet-Portalen auch für Ältere erhebliche Diskriminierungspotentiale bergen.
Die BAGSO hält einen erweiterten gesetzlichen Diskriminierungsschutz beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen für dringend erforderlich. Zwar sieht das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bereits Regelungen für den zivilrechtlichen Bereich vor, die auch das Merkmal „Alter“ einbeziehen. In vielen Fällen greift das AGG bislang jedoch zu kurz, zum Beispiel bei höheren Tarifen für Menschen ab 65 Jahren, bei KfZ-Versicherungen oder bei der Kreditvergabe im Bankengeschäft, die an Altersgrenzen gebunden werden.
Aus Sicht der BAGSO sind Diskriminierungserfahrungen älterer Menschen eng mit einer mangelnden gesellschaftlichen Wertschätzung des Alters verbunden, die sich auch in der Sprache ausdrückt. Vorhandene Altersgrenzen in vielen gesellschaftlichen Bereichen werden problematisch gesehen und müssen konsequent überprüft werden.
Jens-Peter Kruse, Mitglied des BAGSO-Vorstandes, wies in seinem Tagungsbeitrag u.a. auf Diskriminierungsrisiken hin, die die Digitalisierung mit sich bringt
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Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat vor kurzem mit Hilfe einer in Auftrag gegebenen Studie* gezeigt, dass Algorithmen von Suchmaschinen und Internet-Portalen auch für Ältere zum Diskriminierungsrisiko werden können. Die Untersuchungmacht deutlich, dass Algorithmen und digitale Datensätze für ältere Menschen erhebliche Diskriminierungspotentiale bergen, zum Beispiel bei der Vergabe von Wohnraum, in der Kreditwirtschaft und bei der Berechnung von Versicherungstarifen. Die Differenzierung von Personengruppen, wie sie von Algorithmen vorgenommen werden, ist insbesondere dann problematisch, wenn sie direkt oder indirekt an gesetzlich verbotene Gründe wie das Alter anknüpft. Dringend notwendig sind Reformen im Antidiskriminierungs-und Datenschutzrecht.
Ähnlich wie die BaFin-Überprüfung der Versicherungskalkulationen bedarf es eines Einsichtsrechts in Algorithmen für Antidiskriminierungsstellen und eine Dokumentationspflicht für Unternehmen und Verwaltungen, die Algorithmen in rechtlich sensiblen Bereichen nutzen, um die Rechte Betroffener zu stärken.
Nach der Charta der Grundrechte der Europäischen Union aus dem Jahre 2000 darf niemand aufgrund seines Alters benachteiligt werden. Der Bundestag der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesrat haben dieser Charta zugestimmt und 2006 das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) beschlossen. Darin wird festgehalten, dass das Merkmal Alter – neben ethnischer Herkunft, Geschlecht, Weltanschauung, Religion, Behinderung und sexueller Identität – nicht zur Diskriminierung führen darf.
Auf eine Erweiterung des Merkmals Alter in Artikel 3 des Grundgesetzes wurde damals leider verzichtet. Um die Altersdiskriminierung in Deutschland zu überwinden, bedarf es eines umfassenden und nachhaltigen Maßnahmenbündels. Erfolg wird sich nur dann einstellen, wenn das Alter mit den anderen vor Diskriminierung geschützten Gruppen durch eine Aufnahme in Art. 3 des Grundgesetztes gleichgestellt wird und Versicherungen zum Beispiel ihre versicherungsmathematisch ermittelten Risikobewertungen gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) offenlegen müssen.
Die BAGSO hat dieVerankerung des Diskriminierungsgrundes Alter im Grundgesetz erstmalig in ihrer Dortmunder Erklärung (2018) zum Ausdruck gebracht. Dort heißt es: „Wir wollen insbesondere mitreden, wenn es in unserer Gesellschaft um die Interessen Älterer geht. Teilhabe darf nicht vom Alter abhängen. Daher wollen wir erreichen, dass im Grundgesetz festgeschrieben wird, dass niemand wegen seines Lebensalters diskriminiert werden darf.“
Eine älter werdende Gesellschaft kann sich eine Abwertung des Alters nicht leisten. Schon Ernst Bloch hat im „Prinzip Hoffnung“formuliert: Eine „Gesellschaft, die sich verzweifelt auf Jugend schminkt, ... läuft Gefahr, das Entwicklungspotenzial im hohen und sehr hohen Alter zu verkennen, zu vernachlässigen oder gering zu schätzen.“
* Näheres zur Studie "Diskriminierungsrisiken durch Verwendung von Algorithmen", von Dr. Carsten Orwat unter Link
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