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Betriebsrentner unzu­frie­den mit Rege­lung zu Kran­ken­ver­si­che­rungs­bei­trägen

Foto: H.S.

10.12.2019 - von (pk/09.12.2019)

Die von der sogenannten Doppelverbeitragung betroffenen Betriebsrentner sehen in der geplanten Einführung eines Freibetrages keine systematische Lösung der Problematik. Zwar sei die Initiative der Bundesregierung zu begrüßen, jedoch offenbarten sich grundlegende Schwachstellen, erklärte der Verein der Direktversicherungsgeschädigten (DVG) anlässlich einer Expertenanhörung über den Gesetzentwurf zur Einführung eines Freibetrages in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge (19/15438). Die Experten äußerten sich am Montag, 9. Dezember 2019, in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses unter Vorsitz von Erwin Rüddel (CDU/CSU) und in schriftlichen Stellungnahmen.

Neuer Freibetrag von 159,25 Euro
Neu eingeführt werden soll ein Freibetrag von 159,25 Euro. Damit werden erst auf höhere Betriebsrenten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) fällig. Da nach Berechnungen der Regierung rund 60 Prozent der Betriebsrentner weniger als 318 Euro im Monat bekommen, werden sie künftig maximal den halben statt wie bisher den vollen Krankenkassenbeitrag bezahlen.

Die übrigen 40 Prozent würden mit der Regelung ebenfalls entlastet. Von dem Freibetrag sollen auch jene Betriebsrentner profitieren, deren Rentenbezug vor 2020 begonnen hat oder deren Kapitalauszahlung weniger als zehn Jahre zurückliegt. Der Freibetrag verändert sich jährlich mit der Lohnentwicklung.

Mindereinnahmen von 1,2 Milliarden Euro jährlich erwartet
Bislang gibt es lediglich eine Freigrenze in Höhe von 155,75 Euro. Betriebsrenten bis zu dieser Summe bleiben beitragsfrei. Wer jedoch mehr Betriebsrente bekommt, muss dann auf die komplette Summe den Krankenkassenbeitrag bezahlen. Für die Beiträge zur Pflegeversicherung soll weiter die Freigrenze gelten.

Die Bundesregierung rechnet aufgrund der Reform mit Mindereinnahmen in der GKV in Höhe von 1,2 Milliarden Euro jährlich, die 2020 komplett aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds finanziert werden sollen. Von 2021 bis 2023 sollen die fehlenden Beträge noch teilweise aus dem Gesundheitsfonds bereitgestellt und stufenweise zurückgeführt werden. Ab 2024 müssen die Krankenkassen die Beitragsausfälle dann in voller Höhe selbst tragen.

Geschädigte fordern eine Entschädigungsregelung
Der DVG monierte, mit der Reform würden in keiner Weise die Besonderheiten der Altersversorgung in Form der Direktversicherung korrigiert, insbesondere jener Verträge, die vor dem 31. Dezember 2003 abgeschlossen wurden. Der Verein fordert eine Entschädigungsregelung. So sollte eine Rückabwicklung der Verträge vom 1. Januar 2004 bis Ende 2019 ermöglicht werden. Gefordert wird auch eine Reduzierung der Beiträge auf den halben Satz. Für alle vor 2004 abgeschlossenen Direktversicherungsverträge müsse die Beitragsfreiheit gelten.

Der Aufteilungszeitraum für die Kapitalauszahlung sollte zudem von 120 auf 240 Monate erhöht werden, da ansonsten deutlich höhere Beiträge zu zahlen seien, argumentierte der DVG. Der Freibetrag sollte auch für die Pflegeversicherung gelten. Da viele Betroffene mehrere Verträge hätten, sollte der Freibetrag zudem pro Vertrag wirksam werden und nicht pro Kopf. Zur Finanzierung sollten kostendeckende Beiträge zur GKV für die Bezieher von Arbeitslosengeld II aus Steuermitteln eingeführt werden.
VdK: Keine Entlastung für bisherige Betriebsrentner

Nach Ansicht des Sozialverbandes VdK sind Krankenversicherungsbeiträge ein Hemmnis für den Auf- und Ausbau der betrieblichen Altersversorgung. Die mit dem GKV-Modernisierungsgesetz 2004 eingeführten Regelungen hätten den Betroffenen viel Ärger gebracht und Geld gekostet. Die nun geplante Reform bringe keine Entlastung für jene Betriebsrentner, die seit 2004 den vollen Beitragssatz allein zahlen müssten.

Insbesondere die Direktversicherten, deren Zehnjahresabzahlung auf die Kapitalausschüttung bereits abgelaufen sei, profitierten nicht mehr. Der VdK kritisiert auch, dass die GKV ab 2024 die Kosten selbst tragen solle. Es sei nicht Aufgabe der GKV-Versicherten, die Betriebsrenten zu fördern.

„Freibetrag sollte auch für Pflegebeiträge gelten“
Auch die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba) wertete die vollen Beiträge auf Betriebsrenten als zentralen Fehlanreiz. Die volle Beitragspflicht habe die Betriebsrenten seit 2004 um rund 40 Milliarden Euro geschmälert. Zudem habe die Neuregelung ohne jede Übergangsfrist zu einem Vertrauensverlust geführt.

Der Verband erklärte, der Begriff Doppelverbeitragung werde in zweierlei Hinsicht verwendet: Zum einen werde seit 2004 der volle Beitragssatz erhoben statt wie bis dahin der halbe, zum anderen stehe der Begriff für die Belastung von Betriebsrenten in der Finanzierungs- und Leistungsphase mit Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.

Mit der Novelle würden die Betriebsrentner weiterhin stärker belastet als vor 2004. Der Freibetrag sollte auch für die Pflegebeiträge gelten, eine Ungleichbehandlung wäre schwer vermittelbar.

DGB: Kleine Betriebsrenten werden spürbar entlastet
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte die geplante Reform als sinnvolle Initiative, um bestehende Probleme zu lindern und die Betriebsrenten auch langfristig attraktiv zu halten.

Die Novelle sei sozial ausgewogen, da sie vor allem kleine Betriebsrenten spürbar entlaste und die Abbruchkante an der Freigrenze abschaffe. Allerdings sollten die Einnahmeausfälle auch langfristig aus Steuermitteln finanziert werden.
Krankenkassen wollen Gegenversicherung aus Steuergeldern

An der geplanten Finanzierung stößt sich auch der GKV-Spitzenverband, der darauf hinwies, dass eine attraktivere Altersvorsorge eine krankenversicherungsfremde Initiative sei. Sowohl die Finanzierung aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds als auch die Finanzierung aus den laufenden Beitragseinnahmen werde abgelehnt. Die Gegenfinanzierung müsse aus Steuergeldern sichergestellt werden.

Der Verband warnte zudem vor Umsetzungsproblemen, da die Regelungen schon 2020 in Kraft treten sollen. Auch wegen der getrennten Beitragsberechnung für die Kranken- und Pflegeversicherung sei eine längere Vorlaufzeit nötig, zumindest jedoch ein automatisiertes Erstattungsverfahren.

Eine komplette Rückabwicklung der kritisierten Neuregelung von 2004 wäre nach Aussage mehrerer Sachverständiger in der Anhörung äußerst kompliziert und würde vermutlich zu höheren Krankenversicherungsbeiträgen führen.

Quelle: Deutscher Bundestag