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Dümmlich – akademischer Renten – Zynismus in der FAZ

Foto: H.S.

04.07.2023 - von Werner Rügemer

Die Unternehmer-Postille FAZ veröffentlichte am 9. Juni 2023 den ganzseitigen Artikel „Renten, stabiler als gedacht?“ Dafür holte sie zwei hochrangige Wissenschaftler: Senior Economist Benjamin Bittschi vom Institut für Wirtschaftsforschung WIFO in Wien und Professor Berthold Wigger vom Karlsruher Institut für Technologie KIT. Beide werden mit ihren erfolgreichen Karrieren in diversen Universitäten vorgestellt, Wigger noch als Mitglied des „Wissenschaftlichen“ Beirats beim Bundesfinanzministerium. Die Idylle wird durch ein großes Buntfoto untermalt: Ein Rentner in Sommerkleidung räkelt sich bequem im Gartenstuhl unter den hohen Bäumen des Kurparks Bad Füssing.

Im Interesse der vielen Neurentner: Beschäftigte sollen länger arbeiten!

„Die Rente“, so die Behauptung der beiden FAZ-Akademiker, ist „stabil“. Für die „Stabilität der Rente“ und für die „Stabilität des Konsums im Rentenalter“ müsse lediglich die Lebensarbeitszeit verlängert werden.

Und diese notwendige Erhöhung des Renteneintrittsalters lasse sich umso leichter durchsetzen, weil jetzt und in den kommenden Jahren immer mehr „Babyboomer“ in Rente gehen. Damit erhöhe sich logischerweise die Zahl der Rentner – und die haben „natürlich“ das existenzielle Interesse, dass die Renten stabil bleiben oder möglichst noch steigen.

„Wissenschaftliche“ Schlussfolgerung der beiden FAZ-Professoren: Die jetzigen Rentner selbst und die zahlreichen Neurentner sind die besten Unterstützer für die Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Denn dann zahlen immer mehr Beschäftigte immer länger und mehr in die gesetzliche Rentenkasse ein. Das gelte für Deutschland wie auch für „viele andere Länder“.

Dezenterweise nennen die beiden Autoren keine Zahl: Das Renteneintrittsalter von jetzt 67 auf 70 Jahre erhöhen, beispielsweise? Das lassen sie offen. Die konkrete Zahl 70 nennen allerdings ihre geistig-kapitalistisch Verwandten schon seit einiger Zeit, so in Deutschland BDI-Präsident Siegfried Russwurm und Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf, auch der CDU-Wirtschaftsrat, aktuell der ökonomische Chefberater des FDP-Finanzministers Lindner, Professor Dr. Dr. Lars Feld, der zugleich Vorsitzender des Beirats des CDU-Wirtschaftsrates ist.[1]

Die Neurentner als politische Komplizen der Arbeitszeitverlängerung

Bittschi/Wigger bieten sich als Berater der Politik an. Sie loben die jetzt kommenden vielen Neurentner aus den Babyboom-Jahrgängen ab Ende der 1950er-Jahre als wichtige politische Komplizen für die angeblich notwendige Erhöhung des Renteneintrittsalters.

So werde „das politische Gewicht der Rentner, wie beschrieben, in den kommenden Jahren deutlich zunehmen… Zwar dürften sich die Erwerbstätigen gegen ein höheres Renteneintrittsalter zu wehren versuchen. Ihr politischer Einfluss auf das Renteneintrittsalter wird aber tendenziell geringer sein als in der Vergangenheit.“

Das ist doch auch ein passender Vorschlag für die wählermäßig abdriftenden Christen-Parteien, nicht wahr? Traditionell werden die (un)christlichen Kapitalparteien vorwiegend von alten und Christenmenschen gewählt. Der im Versuch der Erneuerung begriffene CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat ja schon überlegt: Das „Christliche“ zieht nicht mehr, die Kirchen leeren sich, und der sexuelle Missbrauch nagt am Image! Sollen wir das „C“ im Parteinamen nicht lieber abschaffen? Merz zögert. Er hat noch keinen überzeugenden Ersatz gefunden. Da kommen doch die neuen Babyboomer-Rentner als neue Stütze gerade recht, oder? Also das „C“ durch das „R“ ersetzen: die neue Rentner-Partei! Oder besser noch: Die neue BabyBoomer-Partei, also die BBR-Partei! Gute Idee, Herr Merz?

Das Tabu im „Demografie“-Klischee: Sinkende Arbeitseinkommen

Die beiden FAZ-Akademiker beschwören das seit Jahrzehnten von der Kapital-Lobby behauptete „Demografie“-Problem: „Steigende Lebenserwartung und geringe Geburtenzahlen“ gefährden das gesetzliche Rentensystem. Denn immer mehr Rentner müssen von den Einzahlungen von immer weniger Beschäftigten leben, so das „wissenschaftlich“ unterstützte Klischee.

Doch da wird genau die zentrale Ursache des „Renten-Problems“ zugedeckt, verschwiegen, geleugnet: die sinkenden Arbeitseinkommen. Denn je niedriger die Arbeitseinkommen, desto geringer sind die prozentualen Einzahlungen in die Rentenkasse.

Seit dem Ende des Sozialismus musste das bisher so schöne reiche westliche „Schaufenster“ mit Wohlstand und zumindest annähernder Vollbeschäftigung nicht mehr so schön und reich geschmückt werden. Die Arbeitseinkommen wurden gesenkt, schrittweise, oft unmerklich. Zuerst wurde Ost-Deutschland, also die Ex-DDR, deindustrialisiert und verarmt – durch westdeutsche Investoren. Und seit etwa dem Jahr 2000 wird West-Deutschland deindustrialisiert und verarmt, durch US-Investoren – und das jetzt noch beschleunigt durch die US-geführten Maßnahmen für den Ukraine-Krieg.

So stagnieren seit 1990 die durchschnittlichen Arbeitseinkommen der abhängig Beschäftigten, gemessen an der Kaufkraft. Für eine Minderheit stiegen die Einkommen leicht, für die Mehrheit stagnierten sie oder sanken ab[2] – während die Besserverdiener wie Bittschi/Wigger und die Investoren immer mehr „verdienen“. ...

Weiterlesen: Werner Rügemer auf gewerkschaftsforum.de unter: Link

Quelle: gewerkschaftsforum.de

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