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Berlin: Wahlanfechtungsklage Sozialwahlen 2017 - nach drei Jahren endlich Verhandlung

18.02.2020

Wahlanfechtungsklage gegen die Sozialwahlen 2017 an denen sich auch die „Initiative gegen Altersarmut IgA“ beteiligt hatte, aber ausgeschlossen wurde. Nach fast drei Jahren gibt es nun einen Gerichtstermin: Dienstag 18.02.2020, um 10.45 Uhr, LSG Berlin –Brandenburg in 14482 Potsdam. Durch Ihre Anwesenheit bei der mündlichen Verhandlung können Sie Peter Weber als Klagevertreterunterstützen. Alle weiteren Informationen entnehmen Sie bitte der Pressemitteilung im Anhang dieser Mail.

Noch Rechtsstaat oder schon Bananenrepublik?

BRR stellt Rechtmäßigkeit der Sozialwahl bei der Deutschen Rentenversicherung Bund in Frage

Am 11. Oktober 2019 überreichten die Bundeswahlbeauftragten für die SozialwahlenHerrn Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, ihren Abschlussbericht zur Sozialwahl2017.

Einen Hinweis auf eine noch laufende Wahlanfechtungsklage, mit der der BRR die Wahl zur Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund anficht, sucht man im Abschlussbericht vergeblich.

Darüber, ob die Wahl wegen eines rechtswidrigen Beschlusses der Rentenversicherung für ungültig erklärt und wiederholt werden muss, entscheidet das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in öffentlicher Verhandlung am 18. Februar 2020 in Potsdam.

Im Sommer 2016 entschloss sich die Initiative-gegen-Altersarmut (IgA), ein Bündnis mehrerer Vereine, mit einer eigenen Liste unter Führung des BRR an der Wahl zur Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) teilzunehmen.

Wegen Formfehlern verweigerte die Rentenversicherung der IgA-Liste jedoch die Teilnahme an der Wahl.

Aber nicht nur deswegen, sondern auch wegen eines rechtswidrigen Beschlusses der Rentenversicherung stellt der BRR die Gültigkeit der Sozialwahl in Frage.

Bedingung für die Teilnahme an der Sozialwahl bei der Deutschen Rentenversicherung Bund nämlich ist, dass eine Liste von mindestens 2.000 Rentenversicherten unterstützt wird. In diesem Zusammenhang schreibt die „Wahlordnung für die Sozialversicherung“ (SVWO) verbindlich vor, dass Unterstützer einer Liste auf Unterschriftsformularen neben Namen und Anschrift auch ihre Versicherungsnummer anzugeben haben.

Entgegen dieser Rechtsvorschrift beschloss der Wahlausschuss der Rentenversicherung allerdings Unterstützerunterschriften auch dann anzuerkennen, wenn anstelle der Versichertennummer nur das Geburtsdatum angegeben wird. Über den Beschluss öffentlich zu informieren, hielt die Rentenversicherung aber nicht für geboten.

Von der Erleichterung – wer kennt schon seine Versicherungsnummer? - profitierten damit nur Listen, die aufgrund der vorangegangenen Sozialwahl im Wahlausschuss der Rentenversicherung vertreten waren. Außerhalb des Gremiums stehende Listen wurden dagegen in ihrem Recht auf Chancengleichheit beschnitten.

Bis heute wird dem BRR die Einsicht in das Protokoll der Wahlausschusssitzung verweigert. Ebenso hält die Rentenversicherung unter Verschluss, welche Listen das Quorum nur auf der Grundlage des Beschlusses erreichten. Ein fragwürdiges Verständnis von Demokratie und Transparenz.

Ohne Angabe der Versicherungsnummer sind Unterstützerunterschriften ungültig, dies entschied das Landessozialgericht für das Saarland bereits am 30.06.2016. Der Gesetzgeber habe die Vorschrift nicht geändert. Kurz vor der Sozialwahl 2017 wurde die Entscheidung durch das Bundessozialgericht höchstrichterlich bestätigt.

Trotz dieses offensichtlichen Wahlrechtsverstoßes lehnte das Sozialgericht Berlin den Antrag des BRR auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Aussetzung der Wahl ab. Die daraufhin beim Sozialgericht Berlin eingereichte Wahlanfechtungsklage entschied dieselbe Richterin einige Monate später im Sinne der Rentenversicherung. Mit Verweis auf ihre richterliche Unabhängigkeit begründet sie ihr Urteil damit, dass man die SVWO auch anders interpretieren könne.

Für Direktversicherungsgeschädigte, die die IgA-Liste mit vielen hundert Unterschriften unterstützten oder als Listenkandidaten selbst zur Wahl antraten, klingt die Begründung der Richterin wie Hohn, werden doch ihre Klagen gegen die Zwangsverbeitragung ihrer Kapitallebensversicherungen zur Kranken-und Pflegeversicherung von den Sozialgerichten, auch in Berlin, regelmäßig mit dem Hinweis auf höchstrichterliche Urteile abgewiesen.

Gegen das Willkürurteil legte der BRR im November 2017 Berufung ein. Nach mehr als zwei Jahren des ungeduldigen Wartens, etlichen Sachstandsanfragen, zweier Dienstaufsichtsbeschwerden wegen mutmaßlicher Verschleppung und einer Verzögerungsrüge nach §198 GVG legte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg am 21.11.2019 endlich einen Verhandlungstermin fest. Vermutlich aber nur deshalb, weil das verantwortliche Justizministerium von Brandenburg das Landessozialgericht nach einer Intervention des BRR um einen Bericht bat.

Laut Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip bzw. Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention haben Bürger einen Anspruch auf ein faires Verfahren, in welchem Streitigkeiten von einem unabhängigen und unparteiischenauf Gesetz beruhendem Gericht in einem fairen Verfahrenöffentlich und in angemessener Frist verhandelt werden.

Was aber ist von einer Judikative zu halten, die Jahre benötigt, um über eine Wahlanfechtungsklage zu entscheiden und der nächste Wahltermin dann schon wieder vor der Türe steht? Nichts -das Recht auf ein faires Verfahren in angemessener Frist wird ad absurdum geführt.

Eine englische Rechtsweisheit besagt: „Verzögertes Recht ist verweigertes Recht“. Besser lässt sich die Situation nicht beschreiben -die Bananenrepublik lässt grüßen!***

Termin und Ort der mündlichen Verhandlung:
Dienstag, 18.02.2020, um 10:45 UhrLandessozialgericht Berlin-Brandenburg, Försterweg 2-6, 1. Etage, Saal 1 14482 Potsdam