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Offener Brief an die Mitglieder der Bundesregierung

Foto: H.S.

20.03.2020

Sehr geehrte Damen und Herren Bundesministerinnen und Bundesminister,
zehntausende Geflüchtete sind auf griechischen Inseln und an der türkisch-griechischen Grenze gestrandet. Sie leben unter katastrophalen Bedingungen. Es kommt zu Gewalt gegen Schutzsuchende und Helfer*innen. Menschen werden in Lebensgefahr gebracht. Die griechische Regierung hat zudem das Asylrecht ausgesetzt. Dies ist mit der Menschenwürde, zu der uns unser Grundgesetz verpflichtet, unvereinbar.

Dazu wollen wir nicht schweigen. Literatur hat eine Stimme. Kultur hat eine Stimme. Wir können der Schande, der sich Europa gerade schuldig macht, nicht tatenlos zusehen.

Wir Kulturschaffende fordern die Bundesregierung auf, sich konsequent dafür einzusetzen, die Missstände zu beenden. Wir fordern die Bundesregierung auf, sofort zu handeln und auf Zuruf der Kommunen, die ihre Aufnahmebereitschaft erklärt haben, Geflüchtete aus den Lagern nach Deutschland zu holen.

Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung legt fest, dass nicht mehr als 180.000 bis 220.000 Geflüchtete nach Deutschland kommen sollen. Diese Zahl ist bei Weitem nicht erreicht, die Zahl der jährlich gestellten Asylanträge sinkt. Die Zusage mehrerer EU-Mitgliedstaaten, 1.600 Kinder unter 14 Jahren im Rahmen einer „Koalition der Willigen“ aufzunehmen, ist angesichts von mehreren zehntausend Hilfesuchenden und ausreichend freien Plätzen in Erstaufnahmeeinrichtungen lächerlich unzureichend. Mehr als 100 Kommunen haben sich längst zusammengeschlossen und ihre Bereitschaft geäußert, Menschen aufzunehmen. Diese Bereitschaft auszuschlagen, empfinden wir als zynisch.
Wir fordern die Bundesregierung auf, in unserem Namen das zu tun, was wir als die Pflicht aller Bürger*innen ansehen: Menschen in Not zu helfen.

Mit freundlichen Grüßen
Unterschrieben von über 700 Kulturschaffenden.



In Österreich haben Kulturschaffende eine ähnliche Initiative in Form einer Petition gestartet. Der Staat wird auffordert, Menschen aus griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen. Link

Quelle: FREITAG, Ausgabe 14/2020