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Besuchsverbote in Pflegeeinrichtungen: Brutales Sozialexperiment mit unbekanntem Ausgang

Foto: H.S.

23.04.2020 - von avstoesser, H.S.

In den Pflegeinrichtungen fehlt es noch immer an Personal, Schutzkleidung, Masken und an
Corona-Tests. Laut Robert-Koch-Institut sind bisher fast 1.500 Bewohner von Alten- und
Pflegeheimen mit einer Corona-Infektion (nicht an) gestorben, das ist annähernd ein Drittel
aller Corona-Toten in Deutschland, so die Süddeutsche am 23.4.2020. Den Bewohnerinnen und Bewohnern mangelt es an anderem: Ihnen fehlt Zuwendung, Gespräch, Kontakt, die Gemeinsamkeit mit den Angehörigen, das Zusammensein im Gemeinschaftsraum, beim Essen. Sie leiden unter der sozialen Isolation in ihren kleinen Zimmern, sie fühlen sich wie weggesperrt. H.S.

"Mit Verweis auf Corona erscheint jeder Verstoß gegen bisher geltendes Recht, Anstand und Kultur gerechtfertigt. So wird die zwangsfürsorgliche Maßnahme der Besuchsverbote gegenüber pflegebedürftigen, kranken und sterbenden Menschen begründet mit dem Argument: „Es geht um Leben und Tod.“

Eine ganze Nation lässt sich bereitwillig fast sämtlicher Rechte berauben, im Glauben etwas Gutes für die Alten und Pflegebedürftigen zu tun. Soviel Nächstenliebe hat das Land noch nicht erlebt, sollte man meinen. Endlich bekommen auch die Pflegenden die Aufmerksamkeit, um die bisher vergeblich gebettelt wurde. Was bei oberflächlicher Betrachtung nur zum Besten geschieht, edel und toll klingt, stellt sich bei näherer Betrachtung als „pauschalisierte Herzlosigkeit“ heraus, schreibt der Jurist und Journalist Heribert Prantl in der Osterausgabe der Süddeutschen. Corona stellt alles bisher gewesene und geglaubte auf den Kopf und bringt einen auf verrückte Gedanken, erklärt Prantl:

„In meinem Falle betrifft es die Eltern. Ich habe sie geliebt. Aber ich bin jetzt froh, dass sie schon tot sind, gestorben vor der Corona-Krise. Die Vorstellung, die Mutter im Altenheim nicht besuchen zu dürfen, die Vorstellung, dass sie verzweifelt wartet und in der Einsamkeit an Einsamkeit verstirbt – die bloße Vorstellung treibt mich um. Ich hätte bei Gericht eine einstweilige Verfügung beantragt, um eine Umarmung zu erwirken. Ich hätte am Rechtsstaat gezweifelt, wenn er diese elementare Geste der Menschlichkeit verweigert hätte.“

Genau in dieser Lage befinden sich derzeit zigtausende Töchter, Söhne, Ehepartner, Enkel, Schwestern oder Brüder, denen der Zugang zu einem geliebten Angehörigen, in Pflegeheime und Krankenhäusern, ja sogar in Hospizen, verweigert wird. Einstweilige Verfügungen sind zwecklos. Alle bisherigen Versuche wurden abgewiesen, weil sich die angerufenen Gerichte, ohne Wenn und Aber, ohne Erbarmen, als Vollstecker der staatlichen Besuchsverordnungen sehen. Durch diese Besuchsverbote werden hunderttausende wehrlose Menschen ihrer elementaren Menschenrechte beraubt.

Appell an die politischen Verantwortungsträger:
Heben Sie die Besuchsverbote auf! Diese sind unmenschlich und unnötig! Eine Begrenzung der Besucherzahl pro Patient/Bewohner würde reichen. Hygieneregeln, die jeder Besucher beachten sollte, können diesem ausgehändigt werden, verbunden mit dem Hinweis, dass bei Zuwiderhandlung Besuche untersagt werden können."


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Link: http://https://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=11176
Quelle: Pflegeethik-Initiative e.V. 15.4.2020