Diskriminierung melden
Suchen:

Dringende Empfehlungen der BAGSO an die Politik: Pflegende Angehörige in der Corona-Situation besser unterstützen!

Foto: H.S.

04.05.2020 - von Bagso

Rund drei Viertel der Pflegebedürftigen und zwei Drittel der demenziell Erkrankten leben zu Hause. Die meisten von ihnen werden allein durch Angehörige versorgt, in zwei von drei Fällen sind es Frauen, die diese Aufgabe übernehmen. Die Systemrelevanz der pflegenden Angehörigen ist offensichtlich, die bisher im Zuge der Corona-Situation ergriffenen Maßnahmen zum Schutz der Beteiligten und zur Entlastung pflegender Angehöriger werden dem jedoch nicht gerecht.

Folgende Maßnahmen in Bund, Ländern und Kommunen sehen wir als besonders dringlich an:

1.Schutz vor Ansteckung mit dem Coronavirus
Pflegende Angehörige leben in der Sorge, das Virus unbemerkt mit nach Hause zu bringen und auf die pflegebedürftige Person zu übertragen. Sie wissen, dass eine solche Infektion gerade für die Pflegebedürftigen eine tödliche Gefahr darstellt. Das ist für viele eine große psychische Belastung. Wie in Krankenhäusern und Pflegeheimen muss sichergestellt werden, dass alle Personen, die zum häuslichen Pflegesetting gehören, in ausreichendem Umfang mit Desinfektionsmitteln und Schutzkleidung (insb. Atemschutzmasken, Handschuhen und Schutzkitteln) ausgestattet werden. Dazu zählen auch diejenigen, die – wenn auch zurzeit nur in eingeschränktem Umfang – hauswirtschaftliche Dienstleistungen oder Betreuungsaufgaben in den Pflegehaushalten übernehmen. Ebenso müssen pflegende Angehörige – wie professionell Pflegende – sehr schnell prüfen lassen können, ob sie sich infiziert haben. Dazu muss in allen Kommunen ein mobiles, zugehendes Angebot – dem Corona-Taxi in Heidelberg entsprechend – bereitgestellt werden.

2. Sicherstellung der pflegerischen Versorgung
Häufig hängt die häusliche Pflege an einer Person. Fällt sie aus, braucht es einen Notfallplan. Nicht immer steht dann eine andere Person aus dem familiären Umfeld bereit, die die Pflegeaufgaben übernehmen kann. Auf kommunaler Ebene muss für diese Fälle eine Notbetreuung sichergestellt werden, sei es über stationäre Einrichtungen, sei es über regionale „Soforthilfe-Teams“, bestehend aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von derzeit nicht geöffneten Tages- und Kurzzeitpflegeangeboten. Ein zweiter wichtiger Aspekt zur Sicherstellung der häuslichen Pflege ist eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Pflege. Im Hinblick auf die aktuelle Situation, in der Entlastungsangebote wie die Tagespflege ganz entfallen oder – um die Zahl der Kontaktpersonen zu reduzieren – auf Betreuungsangebote verzichtet wird, brauchen berufstätige pflegende Angehörige mehr zeitlichen Spielraum: Gemeinsam mit unserem Mitgliedsverband wir pflegen e.V. fordern wir deshalb bei Inanspruchnahme von Pflegezeit eine Lohnfortzahlung für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten sowie eine Verlängerung des bestehenden Anspruchs auf Arbeitsunterbrechung bei „kurzzeitiger Arbeitsverhinderung wegen Pflege“ von 10 auf mindestens 20 Arbeitstage. Solche Entlastungsleistungen würden bei Ausfall der Hauptpflegeperson das Einspringen eines anderen Angehörigen aus dem familiären Umfeld erheblich erleichtern. Viele Familien sind auf unterstützende Hilfe durch ausländische Pflege- und Haushaltskräfte angewiesen, die vorübergehend in den Haushalten leben. Viele von ihnen haben Deutschland bereits im März verlassen, aus Furcht vor Ansteckung bei damals in Deutschland exponentiell steigenden Infektionszahlen oder aus Sorge, sonst nicht mehr in ihre Heimatländer zurückkehren zu können. Wie es beim grenzüberschreitenden Pendlerverkehr und bei Arbeitskräften für die Ernte zum Teil bereits gelungen ist, müssen in bilateralen Gesprächen dringend Lösungen gefunden werden, die den Pflegekräften und Haushaltshilfen Reisefreiheit garantieren.

3. Unterstützung pflegender Angehöriger
Wie in anderen „systemrelevanten“ Bereichen muss die Politik pflegende Angehörige in der aktuellen Situation verstärkt unterstützen. Gemeinsam mit wir pflegen e.V. fordern wir – mit Blick auf derzeit nicht vorhandene Entlastungsangebote – den Pflegebedürftigen ein frei verfügbares Budget zur Verfügung zu stellen, um flexibel auf die aktuellen Herausforderungen reagieren zu können. Das Budget sollte sich an den Sätzen für die Tagespflege bzw. die Kurzzeitpflege orientieren. Zudem sollte der Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro nach § 45b SGB XI nicht nur bei Pflegegrad 1, sondern bei allen Pflegegraden flexibel einsetzbar sein. Wir fordern schließlich, dass die Pflegekassen alle Haushalte, in denen Menschen gepflegt werden, postalisch mit den wichtigsten Informationen versorgen: Wohin wende ich mich in welchen Fällen? Welche zusätzlichen Leistungen kann ich beanspruchen?

Vor dem Hintergrund der außergewöhnlichen Belastungssituation der pflegenden Angehörigen müssen insbesondere psycho-soziale Beratungsangebote verstärkt angeboten werden und sieben Tage die Woche erreichbar sein.

4. Mai 2020 BAGSO
Bundesarbeitsgemeinschaftder Seniorenorganisationen e.V.Noeggerathstr. 4953111 Bonn
Telefon 0228 / 24 99 93-0 Fax 0228 / 24 99 93-20 kontakt@bagso.deLink
Die BAGSO vertritt über ihre 120 Mitgliedsorganisationen viele Millionen ältere Menschen in Deutschland.

Quelle: Bagso