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Woher stammen die IFA-Zahlen der an Covid19 verstorbenen HeimbewohnerInnen?

Foto: H.S.

30.06.2020 - von Hanne Schweitzer

Die "International Federation on Ageing" (IfA), eine weltweit agierende Nichtregierungsorganisation, veröffentlichte am 28.6.2020 eine Pressemitteilung mit einer Infografik. Diese soll Auskunft darüber geben, wie viele mit Covid 19 zusammenhängende Todesfälle weltweit in den Pflegeheimen aufgetreten sind. Dabei sollen sich die pro Land aufgeführten Prozentsätze auf die Gesamtzahl der Todesfälle beziehen.

Dazu muss man wissen:
1.
Die Infografik enthält lediglich Angaben zu 18 Staaten, "weltweit" ist etwas anderes.

2.
Die IfA nennt keine Quellen für ihre Angaben über die Covid 19 Sterblichkeit in den Pflegeheimen. Diese sind, - zumindest optisch - sogar nach Männern und Frauen differenziert.

3.
Die Prozentsätze der an oder mit COVID 19 Verstorbenen in den Pflegeheimen der Bundesrepublik, die von der IfA genannt werden, können nur aus Quellen stammen, die der Bundesregierung unbekannt sind, die für sie nicht zugänglich, nicht seriös genug sind oder, und das ist leider der Fall, sie hat die Daten nicht erhoben. Die Hotspots Pflegeheim, ein Fake der Medien.

Das belegen die Antworten aus dem Bundesgesundheitsministerium auf die Fragen, die Pia Zimmermann von der Linkspartei am 4.6.2020 der Bundesregierung gestellt hat. Damit wollte sie u.a. in Erfahrung bringen, wie viele Menschen, die in Pflegeheimen wohnen, im Zusammenhang mit Covid 19 bisher infiziert wurden bzw. verstorben sind. Die parlamentarische Staatssekretärin, Sabine Weiss, hat diese Anfrage am 11.6.2020 wie folgt beantwortet:

Frage Nr. 6/50:
In wie vielen stationären Pflegeeinrichtungen gemäß SGB XI kam es nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem 01. März 2020 zu Infektionen mit dem COVID-19-Virus (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln), und wie viele Landkreise bzw. kreisfreie Städte waren betroffen
Antwort:
Der Bundesregierung liegen keine Angaben zu der Anzahl von stationären Pflegeeinrichtungen nach § 72 SGB XI vor, in denen seit dem 1. März 2020 Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nachgewiesen wurden, da es für diese Daten keine Erfassung nach Infektionsschutzgesetz gibt.


Frage Nr. 6/52:
Wie viele Bewohner/innen in stationären Altenpflegeeinrichtungen haben sich nach Kenntnis
der Bundesregierung seit dem 01. März 2020 mit dem COVID-19-Virus infiziert (bitte auf schlüsseln in aktuell Infizierte, Genesene, Verstorbene), und wie viele der an COVID-19 erkrankten Bewohner/innen wurden aus ihrer stationären Einrichtung in ein Krankenhaus verbracht (bitte aufschlüsseln in aktuell Infizierte, Genesene, Verstorbene)?Seite 3 von 3
Antwort:
Nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) wird für COVID-19-Fälle übermittelt, ob die Personen in oder durch eine Einrichtung oder ein Unternehmen gemäß § 36 IfSG (u. a. Pflegeeinrichtungen, Obdachlosenunterkünfte, Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylsuchenden, sonstige Massenunterkünfte, Justizvollzugsanstalten betreut oder untergebracht sind. Es erfolgt jedoch keine Differenzierung nach den Einrichtungen.
Der Bundesregierung sind daher keine gesonderten Daten zu infizierten Bewohnerinnen und Bewohnern stationärer Altenpflegeeinrichtungen bekannt. Auch Angaben zu Bewohnerinnen und Bewohnern, die von einer stationären Pflegeeinrichtung in ein Krankenhaus gebracht wurden und dort erfolgreich behandelt und genesen oder verstorben sind, liegen der Bundesregierung nicht vor.
Daten der in oder von den Einrichtungen und Unternehmen nach § 36 IfSG Betreuten oder Untergebrachten, die infiziert, stationär behandelt wurden, genesen und verstorben sind, werden täglich im Lagebericht des Robert Koch-Instituts aktualisiert und veröffentlicht:
Link Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html.

Hierzulande gibt es also keine detaillierten Angaben über die verstorbenen oder infizierten BewohnerInnen in den Pflegeeinrichtungen, die monatelang unter Kasernierung und Kontaktsperren leiden mussten. Die in den Heimen lebenden Alten werden in einen statistischen Topf geworfen mit den Menschen in Obdachlosen- und Asylunterkünften und in den Gefängnissen.

Um so misstrauischer muss man sein, wenn die IfA in ihrer Pressemitteilung für jedes der 18 Länder eine andere Prozentzahl für die Sterbefälle in den Pflegeheimen durch Covid 19 behauptet und zum Anlass nimmt, systematische Reformen zu fordern, die sich in "Systemen und Strategien" niederschlagen sollen, welche aber nicht erläutert werden.
Ergiebiger ist deshalb z.B. ein Blick auf die Expertentagungen der Ifa zum Thema Immunisierungen im Alter: siehe: Impfungen im Alter und COVID 19: Fleissige Vorarbeit von NGOs: Link


Pressemitteilung der IfA vom 28.6.2020: (aus dem englischen übersetzt)
"Da die Welt weiterhin mit einer beispiellosen Gesundheitskrise konfrontiert ist, sind ältere Menschen zu den sichtbarsten Opfern geworden. Dies könnte nicht offensichtlicher werden, als bei der Betrachtung der prozentualen Anteile der Todesfälle in Langzeitpflegeeinrichtungen rund um den Globus. Obwohl diese Statistiken in vielen Ländern über 50% erreichen, sagen Experten, dass diese Zahlen höchstwahrscheinlich eine grobe Unterschätzung der krassen Realitäten sind, mit denen die Einrichtungen konfrontiert sind.

"Die Zahl der Todesfälle in Langzeitpflegeeinrichtungen ist sowohl schockierend als auch vermeidbar", sagt Greg Shaw, Direktor für internationale und korporative Beziehungen der International Federation on Ageing, "Die Notwendigkeit einer systematischen Reform könnte nicht klarer sein".

COVID-19 hat seit langem bestehende, systematische Probleme in Langzeitpflegeeinrichtungen weltweit aufgedeckt. Die International Federation on Ageing fordert alle Regierungsebenen auf, ältere gefährdete Bevölkerungsgruppen durch die Entwicklung von Systemen und Strategien zu schützen, die gewährleisten, dass Mitarbeiter und Bewohner in Langzeitpflegeheimen bei künftigen Ausbrüchen von Infektionskrankheiten, die die Sicherheit und das Wohlergehen aller bedrohen, geschützt sind.

Sterblichkeit im Zusammenhang mit COVID-19 in Langzeitpflegeheimen, weltweit, in Prozent der Gesamttodesfälle.
Infografik siehe: Link
Bitte beachten Sie, dass Unterschiede in der Testkapazität, den Richtlinien und den Datenerhebungsmethoden zu leichten Abweichungen bei diesen Daten führen können, die zum 25. Mai 2020 verfügbar waren."


COVID-19 Exposes Systematic Problems in Long-term Care Facilities Globally
As the world continues to face an unparalleled health crisis, older persons have become one of the most visible victims. This could not be more evident than when looking at the percentages of deaths in long-term care facilities around the globe. While these statistics reach upwards of 50% in many countries, experts say these numbers are most likely a gross underestimation of the stark realities facing these facilities.

“The number of deaths in long-term care facilities is both shocking and avoidable,” says Mr. Greg Shaw, Director, International and Corporate Relations of the International Federation on Ageing, “The need for systematic reform could not be more clear.”

COVID-19 has exposed long-standing, systematic problems in long-term care facilities, globally. The International Federation on Ageing calls on all levels of government to protect older vulnerable populations through the development of systems and policies that ensure staff and residents in long-term care homes are protected in the event of future infectious disease outbreaks which threaten the safety and well-being of all.

Mortality Associated with COVID-19 in Long-term Care Homes, Globally, as a Percentage of Total Deaths. Link

Please note that differences in testing capacity, policies, and data collection methods may result in slight variations in this data, which was available as of 25 May 2020. See the full document here.


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siehe dazu auch: Link

Link: Impfungen im Alter und COVID 19: Fleissige Vorarbeit von NGOs
Quelle: Press Release 28.6.2020: International Federation on Ageing