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Presse berichtet meist ablehnend über Vermögens- + Erbschaftssteuern

Foto: H.S.

21.10.2020 - von Otto Brenner-Institut

Die Berichterstattung zur Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung in Deutschland über die vergangenen zwei Jahrzehnte haben zwei Forscher der Wirtschaftsuniversität Wien, Hendrik Theine und Andrea Grisold, ausgewertet, akribisch analysiert und rund 10.000 Artikel aus sieben Tages- und Wochenzeitungen – von der FAZ über DER SPIEGEL bis zur taz – ausgewertet. Ihre Befunde zeigen Defizite in der Medienberichterstattung insbesondere in drei Bereichen auf: der Intensität, der inhaltlichen Ausrichtung und der zu Wort kommenden Akteure.

Tages- und Wochenzeitungen berichten eher wenig und dann meist ablehnend über Vermögens- und Erbschaftssteuern in Deutschland. Das ist das zentrale Fazit von „Streitfall Vermögenssteuer - Defizite in der Medienberichterstattung“, der aktuellen Studie der Otto Brenner Stiftung.

Bezüglich der Intensität der Berichterstattung wird deutlich, dass Vermögens- und Erbschaftssteuern in der untersuchten Zeitspanne ein relativ seltenes Thema in deutschen Printmedien darstellen: Nur etwa 0,02 bis 0,06 Prozent aller Artikel behandeln die Thematik. Die inhaltliche Ausrichtung der Berichterstattung ist geprägt von einer starken Fokussierung auf die (partei-) politische Ebene und die dortigen Kontroversen – für eine nachhaltige Hintergrundberichterstattung, die die veränderten gesellschaftspolitischen und (polit-) ökonomischen Bedingungen integriert, bleibt kaum Raum.

„Die Welt hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Dass sich Schulden-, Banken- und Eurokrise oder die wachsende soziale Spaltung kaum in der Berichterstattung über Vermögens- und Erbschaftssteuer niedergeschlagen haben, stellt ein Defizit dar, das nicht akzeptiert werden darf“, meint Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung, die die Ergebnisse der Untersuchung heute veröffentlicht.

Außerdem zeigt die Studie, dass in fast allen untersuchten Medien überwiegend solche Akteure zu Wort kommen, die eine Besteuerung von Vermögen und eine Erhöhung der Erbschaftssteuer skeptisch bis kritisch sehen. Besonders einseitig stellt sich die Auswahl der ExpertInnen aus den (Wirtschafts-) Wissenschaften dar: Hier werden hauptsächlich AnhängerInnen (ordo-) liberaler Theorieschulen zitiert, die Umverteilungsmaßnahmen generell eher ablehnend gegenüberstehen.

Mit Blick auf die einseitige Repräsentation der Wirtschaftswissenschaften kommt das ForscherInnenteam der Wirtschaftsuniversität Wien zu dem Schluss: „Die einseitige Ausrichtung der ökonomischen Hochschulbildung ist seit langem bekannt und hausgemacht, das können JournalistInnen nicht vollständig ausgleichen, auch wenn es versucht werden muss“, betont Mit-Autor Theine und bedauert: „Im Kern ist der Wirtschaftsjournalismus an dieser Stelle von der einseitigen Ausrichtung der Wirtschaftswissenschaften geprägt.“

Angesichts der Ergebnisse und Befunde sind Stiftung und AutorInnen davon überzeugt, dass eine zeitgemäße Berichterstattung über die angemessene Besteuerung hoher Vermögen und großer Erbschaften die ökonomischen und gesellschaftlichen Umbrüche der letzten Jahrzehnte stärker reflektieren und die Vielfalt der Stimmen auch in der Auswahl ihrer ExpertInnen deutlich erhöhen muss.

Zum Thema: Link

Hendrik Theine/Andrea Grisold: Streitfall Vermögenssteuer – Defizite in der Medienberichterstattung; OBS-Arbeitspapier 43; Frankfurt/Main, Oktober 2020

Quelle: PM Otto Brenner-Institut