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Schweiz: Universität Basel nimmt Corona-Protestbewegung unter die Lupe

Foto: H.S.

19.12.2020 - von P. R.-S.

Unter dem Titel «Politische Soziologie der Corona-Proteste» publizierte die Universität Basel heute eine erste Auswertung der rund 1’150 Fragebögen von Bewohnern Deutschlands und der Schweiz.

Ihrem Fazit zufolge sei «die Corona-Protestbewegung in sich heterogen, aber nach rechts offen und vom politischen System stark entfremdet.»

Demnach bezweifele eine Minderheit die Angemessenheit der Freiheitsbeschränkungen zur Eindämmung der Pandemie, insbesondere das Tragen von Masken und die Einhaltung von Sicherheitsabständen.

Bei der Bewegung handele es sich «mehrheitlich um gebildete Angehörige der Mittelschicht, ... eine relativ alte und relativ akademische Bewegung.» Charakteristisch sei eine starke Entfremdung vom politischen System und den etablierten Medien. Innerhalb der Institutionen der liberalen Demokratie würden der Justiz, der Polizei, den Umweltgruppen und den Bürgerinitiativen verhältnismässig viel Vertrauen geschenkt. Auch Unternehmen würde weniger misstraut als den Medien, der Regierung, der EU, der UNO, den Banken, den Parteien und dem Parlament.

Weiter heisst es:

«Es gibt zudem unter den Studienteilnehmenden eine Neigung zum Antisemitismus. Dies ist insofern nicht überraschend, da in der Protestbewegung eine Anlage zum verschwörungstheoretischen Denken existiert – und dieses häufig antisemitische Züge aufweist. Insgesamt sind die Teilnehmenden jedoch weder ausgesprochen fremden- oder islamfeindlich, teilweise sogar eher antiautoritär und der Anthroposophie zugeneigt. Ein Grossteil will die Alternativmedizin der Schulmedizin gleichstellen, zurück zur Natur und stärker auf ganzheitliches und spirituelles Denken setzen. 64 Prozent sagen, man solle Kindern nicht beibringen, Autoritäten zu gehorchen.»

Dass an Deutschlands Mitte der Rechtspopulismus nagt, hat nichts mit Corona zu tun. Seit 2006 befragt die Friedrich-Ebert-Stiftung alle zwei Jahre nach rechten Gesinnungen - mit eindeutigen Ergebnissen. 43 von hundert Befragten haben eine Tendenz oder eine deutliche Neigung zum Rechtspopulismus oder sogar ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild (2018/19). Würde man also die Befürworter von harten Corona-Massnahmen nach ihrer Gesinnung fragen, käme eine ähnliche Aussage zustande wie oben. Hat man aber offenbar nicht.


Grundauswertung, 17.12.2020
Prof. Dr. Oliver Nachtwey, Dr. Robert Schäfer, Dr. des. Nadine Frei
Universität Basel Institut für Soziologie


Gliederung der Studie
Einleitung: Die Corona-Massnahmen und ihre Gegner:innen
Methode

Teil A: Quantitative Grundauswertung
1. Soziodemographie und politisches Profil
Altersverteilung
Geschlecht
Ausbildungsniveau
Wahrgenommene Schichtzugehörigkeit
Nationalität
Wahlberechtigung
Wahlverhalten
2. Einstellungsmerkmale
Medienkritik in der Corona-Krise
Regierungskritik in der Corona-Krise
Verschwörungstheorien
(Rechts-)Populismus
Rechtsautoritäres Denken
Antisemitismus und Nationalsozialismus
Anthroposophisches/ Esoterisches Denken
Impfen
3. Organisationszugehörigkeit/Engagement
4. Demokratievertrauen
5. Vertrauen in Institutionen
6. Ausgewählte bivariate Befunde
Einfluss ausgewählter Indikatoren auf den Bezug zur Natur
Einfluss ausgewählter Indikatoren auf populistische Haltungen
Einfluss ausgewählter Indikatoren auf rechtsextreme Haltungen
Einfluss ausgewählter Indikatoren auf konspirative Haltungen
Wählerwanderungen BRD (Anhand der geäusserten Wahlabsicht)
7. Résumé quantitativer Teil: Wer sind die Querdenker:innen?

Teil B: Qualitative Grundauswertung
1. Ethnographische Beobachtungen
Masken
Kritik an etablierten Autoritäten
Emotionen und Affekte
2. Interviews und Dokumentanalysen
Fazit und Forschungsperspektiven

Quelle: Politische Soziologie der Corona-Proteste - Grundauswertung 7.12.2020