Österreich - 24.03.2021
VERWALTUNGSGERICHT WIEN
1190 Wien, Muthgasse 62
Wien, 24.03.2021
Geschäftsabteilung: VGW-M
GZ: VGW-103/048/3227/2021-2
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Frank über die
Beschwerde der A., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der
Landespolizeidirektion Wien, Sicherheits-u. Verwaltungspolizeiliche
Angelegenheiten, SVA Referat 3 – Vereins-, Versammlg-, Medienrechtsangel., vom
30.01.2021, GZ: ..., mit welchem die für 31.01.2021 angezeigte Versammlung
untersagt wurde, zu Recht e r k a n n t:
I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
Die Untersagung erfolgte zu Unrecht.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an
den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit angefochtenem Bescheid untersagte die belangte Behörde eine von der A. am
29.1.2021 angezeigte Versammlung zum Thema „Allgemeine Informationen der
A.“, die am 31.1.2021 von 14:35 bis 18:00 Uhr in Wien, B.-Platz hätte abgehalten
werden sollen. Begründet wurde dies mit dem zu erwartenden rechtswidrigen
Verhalten der Teilnehmer und dem daraus folgenden Seuchengeschehen sowie2
einer näher beschriebenen „Strohmanntaktik“. Es werde erwartet, sohin auch von
der A., dass gut beleumundete Strohmänner vorgeschickt würden, um den wahren
illegalen Hintergrund zu verschleiern.
In der dagegen gerichteten Beschwerde wurde eine erhöhte Kontroll- und
Begründungspflicht für die Untersagung von Versammlungen vorgebracht, wonach
die Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 3 PartG die Tätigkeit einer politischen
Partei keiner Beschränkung durch besondere Rechtsvorschriften unterworfen
werden darf.
Die belangte Behörde habe dahingehend keinen Versuch unternommen,
im Einvernehmen mit der Beschwerdeführerin eine Modifikation im
Sinne eines gelinderen Mittels durch die Änderung von Art und Ort der
Versammlung. Der Begründungsbestandteil des „unbekannten Strohmannes“
verschließe sich für den Sinn der Beschwerdeführerin gänzlich. Da die Untersagung
einer Versammlung nur Ultima ratio sein könne (VfGH 14.3.2013, B 1037/11
mwN), hätte aufgrund der schon wochenlangen Bekanntheit einer hohen
Versammlungsdichte für den 31.1.2021 die belangte Behörde initiativ Kontakt
aufnehmen müssen, um in Kooperation mit dem Veranstalter die Abhaltung der
Versammlung zu gewährleisten. Es treffe die belangte Behörde dahingehend eine
positive Schutzpflicht. Beispielsweise hätte die belangte Behörde bei der
Befürchtung eines zu beengten Versammlungsplatzes der Beschwerdeführerin
initiativ einen alternativen, gleichwertigen Versammlungsort anbieten müssen.
Ganz und gar zurückzuweisen sei die von der belangten Behörde mittelbar
vorgeworfene Unterstellung, wenn der Beschwerdeführerin, einer seit Jahrzehnten
im Parlament vertretenen politischen Partei, jegliche Organisationseffizienz
abgesprochen wurde. Dies erschließe sich aus dem Misstrauen, wenn der
Beschwerdeführerin vorweg die Einhaltung der Seuchenbestimmungen nicht
zugetraut werden. Die belangte Behörde trage darüber hinaus selbst gerade zur
Eskalation bei, weil sie damit die Abhaltung von Spontanversammlungen
befeuerte. Aus den sozialen Netzen sei dem Dienst (LVT) die hochexplosive
Stimmung gegen die Regierungsmaßnahmen bekannt.
Zusammengefasst dürfe eine Abwägung von kollidierenden Grundrechtspositionen
nicht per se zu einer gänzlichen Untersagung führen. Damit sei eine Abwägung
des öffentlichen Wohles der Gesundheit mit dem Grundrecht der
Versammlungsfreiheit unterblieben. Da die A. als im Nationalrat vertretene Partei3
eine Reputation habe, welche es um jeden Preis zu erhalten gebe, hätte sie die
Bestimmungen des § 12 Abs.2 der 3. COVID-19-NotMV rigoros überwacht. Dazu
werde bemerkt, dass die Einschätzungen des Gesundheitsdienstes sowie des LVT
allgemein für alle bis dahin für den 31.1.2021 angemeldeten Versammlungen und
vor der Anmeldung der gegenständlichen Versammlung erfolgt seien. Damit sei
eine Prognose für die konkret beabsichtigte Versammlung schon denkunmöglich
gewesen.
Von seuchenmedizinischer Seite habe es bis dato für Cluster anläßlich einer
Versammlung keine evidente Wahrnehmung gegeben. Der peer review für die
Schutzwirkung von FFP 2 Schutzmasken sei uneinheitlich, ja durch die WHO und
die Europäische Kommission negativ in Hinblick auf die Vorteile der Schutzwirkung
beantwortet.
Da die belangte Behörde in Hinblick gelinderer Mittel und eigener Handlungen zur
Minimierung der Gefahr eines akuten Seuchengeschehens keine Überlegungen
angestellt habe, laufe das verfassungsmäßig garantierte Verfahren einer bloßen
Anzeige von Versammlungen auf ein Genehmigungssystem hinaus.
Eine Bewilligung im Rahmen eines Konzessionssystems für Versammlungen sei mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit unvereinbar (VfSlg.11.651/1988 und
11.866/19888 zum Verbot einer Versammlung einer vorherigen behördlichen
Bewilligung zu unterwerfen mwN).
Weshalb davon auszugehen war, dass es bei einer Versammlung von einer im
Parlament vertretenen politischen Partei zwingend zu Verstößen gegen § 12 Abs. 2
der 3. COVID-19-NotMV kommen solle, bleibe völlig offen. Damit würde diese
Bestimmung die Grundlage einer völlig beliebigen und willkürlichen Beschränkung
der Art. 12 StGG, Art. 11 EMRK und des Versammlungsgesetzes. Darüber hinaus
mangele dem § 12 Abs. 2 der 3. COVID-19-NotMV die Einschlägigkeit für
Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz.
Diese setze nämlich Versammlungen mit Veranstaltungen gleich, was eine gänzliche Verkennung der
Rechtslage darstelle. Eine Versammlung, und eine solche liege hier vor, genieße
den höchsten Schutz nach Art. 12 StGG und Art. 11 EMRK, welche eine
Einschränkung durch bloße Verordnung verbiete.4
Bei der Beurteilung der zu erwartenden Verletzungen von Seuchenbestimmungen
werde auf „zahlreiche Medienberichte“ durch die belangte Behörde rekurriert.
Damit gebe die belangte Behörde zu erkennen, Ermittlungen und damit
Beweismittel schuldig geblieben zu sein. Eine Schlussbasis für Erwägung fehle
damit, sodass nicht nur ein Begründungsmangel, sondern der Mangel der
Unbegründetheit vorliege. Die Einschätzung des LVT Wien vom 28.1.2021 sei keine
taugliche Entscheidungsgrundlage, weil diese vor der Anmeldung der
Versammlung erfolgte und etwas nicht beurteilt werden könne, was nicht einmal
noch mitgeteilt worden sei. Weiters verlange der VfGH in VfSlg. 5.087/1966, für
die Beurteilung einer „Gesundheitsgefährdung“, dass auf „konkret, festgestellte,
objektiv erfassbare Umstände“ rekurriert wird. Der von der belangten Behörde
angefragte Gesundheitsdienst der Stadt Wien antworte nur in sehr allgemeiner
Weise und gehe auf die konkrete Veranstaltung nicht ein. Folgte man diesen
Argumenten, könnten hinkünftig alle Versammlungen ohne weiteres untersagt
werden.
Als einzelne Empfehlung des Gesundheitsdienstes seinoch
hervorzuheben, dass eine erhöhte Übertragungsgefahr nur dann gegeben wäre,
wenn Kontakte ohne Einhaltung des notwendigen Abstandes und ein Tragen eines
Mund-Nasen-Schutzes unterbliebt. Die belangte Behörde stütze ihre Untersagung
auf ein alternatives Fehlen.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Sachverhalt:
Am 26.1.2021 richtete Polizeipräsident ... per Email eine Anfrage an die
Oberphysikatsrätin der Stadt Wien, ..., betreffend „Demonstrationen am WE
30./31.1“ mit dem Ersuchen um Informationen aus gesundheitlicher Sicht zu
nachstehenden Fragen:
1) „Ist bei einer Versammlung von mehreren hundert bis uU mehreren tausend
Menschen, die den verordneten Mindestabstand von 2 Metern nicht
einhalten und überdies überwiegend keinen eng anliegenden NMS tragen,
damit zu rechnen, dass unter Bedachtnahme darauf, dass die Menschen im
Regelfall laut skandieren und ihren Forderungen so freien Lauf lassen – auch
im Hinblick auf die neu auftretenden Mutationsvarianten des Virus (und die5
damit zusammenhängenden besorgniserregenden Medienberichte) - eine
erhebliche Gefahr der Ansteckung unter den Versammlungsteilnehmern
entstehen wird und somit mit einer unkontrollierbaren Weiterverbreitung
des Virus in der Bevölkerung gerechnet werden kann?
2) Würden derartige Menschenansammlungen die Bemühungen der
Gesundheitsbehörde, die 7 Tages-Inzidenz weiter zu senken, erheblich
konterkarieren?“
Am 27.1.2021 übermittelte der Gesundheitsdienst der Stadt Wien per Email eine
Antwort an den Polizeipräsidenten persönlich mit nachstehendem Inhalt:
„Sehr geehrter Herr Landespolizeipräsident ...,
die Corona-Kommission, als beratendes Gremium des für Gesundheit zuständigen
Bundesministers weist in der letzten Empfehlung vom 21.1.2021 auf die erhöhte
Übertragbarkeit der SARS-CoV-2 Virus-Mutante B.1.1.7 und die sich daraus
ergebende Gefahr eines neuerlich sehr starken exponentiellen Anstiegs der
Fallzahlen hin. Vor diesem Hintergrund und dem nach wie vor hohen Fallgeschehen
hat die Corona-Kommission empfohlen, die gesetzten präventiven Massnahmen
zur Kontaktreduktion weiter fortzusetzen. Es wurde auch angemerkt, dass die
Akzeptanz der Bevölkerung notwendig ist, um auch weiterhin die notwendigen
Rückgänge des Fallgeschehens erreichen zu können. Die epidemiologische
Situation mit einer steigenden Anzahlm an Infektionen,
bei denen erste Testergebnisse auf mutierte Varianten des SARS-CoV-2- Virus h
inweisen, hat dazu geführt, dass in weiten Bereichen zum Schutz vor Ansteckungen das Tragen von
FFP2-Schutzmasken vorgeschrieben wurde und der vorgeschriebene
Mindestabstand auf 2 Meter ausgeweitet wurde. Aktuelle Erhebungen zeigen, dass
bei den neuen Virusvarianten Kontakte ohne Einhaltung des notwendigen Abstands
und ohne Tragen von Schutzmasken aufgrund der erhöhten Übertragbarkeit in
wenigen Tagen zu mehr Folgefällen führen können, als bisher beobachtet. Wenn
Personen, die das Virus ausscheiden, an der Versammlung teilnahmen, ohne den
geforderten Abstand einzuhalten und ohne einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen,
kann es vor diesem Hintergrund zu Übertragungen kommen, die speziell auch
aufgrund der fehlenden Nachvollziehbarkeit von Kontakten die Bemühungen zur
Reduktion der Fallzahlen konterkarieren.“6
Die Zeichnung und die Emailadresse sind im Akt geschwärzt, sodaß eine
persönliche Zuordnung verunmöglicht wurde.
Auf der offiziellen homepage der „Corona-Kommission“ (Bewertungskriterien |
Corona Ampel (corona-ampel.gv.at) finden sich eine aktuelle Risikoeinschätzung
und Bewertungskriterien.
Am 28.1.2021 übermittelte Terrorismusbekämpfung das einen Landesamt Aktenvermerk für
Verfassungsschutz zur“ Einschätzung und betr.Corona-Demos am 30. Und 31.1.202“.
Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt,
dass es – bezugnehmend auf vorangegangene Versammlungen - auf weiteren
Versammlungen zu Verstößen gegen die Covid 19 Maßnahmen kommen würde.
Für die Anmeldungen würden unbekannte „Strohmänner“ vorgeschickt werden,
welche aufgrund ihrer Unbescholtenheit zur Umgehung einer behördlichen
Untersagung Verwendung fänden. Weiters sei seitens der „führenden Figuren der
Szene“ aufgerufen worden, möglichst zahlreiche Versammlungen anzumelden, um
die Behörde zu beschäftigen und möglichst viele Polizisten dezentral zu binden.
Nur durch die Untersagung sämtlicher Versammlungen könne sichergestellt
werden, dass nicht die eine oder andere nicht untersagte Versammlung zum
Sammelbecken für präsumtive Teilnehmer anderer Versammlungen würde.
Abschließend wurde wörtlich die Lage zusammengefasst wie folgt:
„Aufgrund der groß angelegten Mobilisierung und aufgrund des großen Erfolges
der „Corona-Demos“ am 16.1.2021 ist mit einer sehr großen Teilnehmerzahl
(mehrere Tausend) zu rechnen. Eine Einhaltung des vorgeschriebenen
Mindestabstandes von 2 m scheint daher aus ha. Sicht denkunmöglich. Darüber
hinaus ist aufgrund einschlägiger Aufrufe sowie Erfahrungen bei vergangenen
Anlässen damit zu rechnen, dass ein Großteil der Teilnehmer die COVID-19
Bestimmungen (Abstand als auch MNS-Schutz) gezielt und vorsätzlich
missachten wird.“
Bearbeiter und Zeichnender wurden im Akt wieder geschwärzt.7
Sowohl die Stellungnahme des LVT als auch die Information des
Gesundheitsdienstes der Stadt Wien ergingen ganz allgemein und vor allem vor
der Anzeige einer beabsichtigten Versammlung durch die A. (sic!).
Die A. brachte mit 29.1.2021 eine Versammlung (dicte Kundgebung) zum Thema
„Allgemeine Information der A.“ am 31.1.2021 von 14:34 bis 18:00 Uhr der
Landespolizeidirektion Wien zur Kenntnis. Schutzzone und Abstand werden
eingehalten. Kurz darauf wurde eine Änderung des Standortes von C.-platz auf
B.-Platz mitgeteilt.
Darauf brachte die Landespolizeidirektion Wien, Referat für
Vereins-,Versammlungs- und Medienrechtsangelegenheiten, die Anzeige dem Magistrat der
Stadt Wien, MA 15, zur Kenntnis und bat um „weitere Veranlassung“. Um
Mitteilung von Bedenken gegen die Abhaltung der Versammlung aus gesundheitsbehördlicher Sicht wird ersucht.
Mit 30.1.2021 richtete in Vertretung der Referatsleiter für Vereins-,
Versammlungs- und Medienrechtsangelegenheiten der Landespolizeidirektion
Wien der A. die beabsichtigte Untersagung der Versammlung aus. Als Begründung
wird die befürchtete Missachtung von verordnetem Mindestabstand und Mund-
/Nasenschutz genannt. Dies wiederum auf der erwarteten großen Teilnehmerzahl
von zumindest 10.000 Personen. Die A. ging bei ihrer Anzeige von 2.000 aus.
In weiterer Folge erging der Untersagungsbescheid.
Diese Feststellung gründen auf den im Akt erliegenden Schriftstücken.
Rechtlich folgt:
Gemäß § 6 Abs. 1 Versammlungsgesetz, BGBl. Nr. 98/1953 idF BGBl. I Nr.
63/2017 sind Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder
deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet,
von der Behörde zu untersagen.8
Gemäß Art. 11 Abs. 1 EMRK BGBl. Nr. 210/1958 idF BGBl. III Nr. 30/1998, haben
alle Menschen das Recht, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen
zusammenzuschließen, einschließlich des Rechts, zum Schutz ihrer Interessen
Gewerkschaften zu bilden und diesen beizutreten.
Gemäß Abs. 2 erster Satz leg. cit. darf die Ausübung dieser Rechte keinen anderen
Einschränkungen unterworfen werden als den vom Gesetz vorgesehenen, die in
einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen und öffentlichen
Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung,
des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und
Freiheiten anderer notwendig sind.
Den Ausführungen in der Beschwerde ist in allen Punkten zuzustimmen. Des
Weiteren mangelt es dem Bescheid aus folgenden Gründen an einer haltbaren
Begründung für eine Untersagung:
Sämtliche Anfragen wurden bereits vor der Bekanntgabem der
verfahrensgegenständlichen Versammlung gestellt. Die Antworten berücksichtigen
in keiner Weise die konkrete Versammlung der A..
Darüber hinaus ist zu der beauftragten „Information aus gesundheitlicher Sicht“
Nachstehendes auszuführen:
Der Gesundheitsdienst der Stadt Wien verwendet darin die Wörter „Fallzahlen“,
„Testergebnisse“, „Fallgeschehen“ sowie „Anzahl an Infektionen“.
Dieses Durcheinanderwerfen der Begriffe wird einer wissenschaftlichen Beurteilung der
Seuchenlage nicht gerecht. Für die WHO (WHO Information Notice for IVD Users
2020/05, Nucleic acid testing (NAT) technologies that use polymerase chain reaction (PCR)
for detection of SARS-CoV-2, 20 January 2021) ausschlaggebend ist die Anzahl der
Infektionen/Erkrankten und nicht der positiv Getesteten oder sonstiger
„Fallzahlen“. Damit bleibt es schon damit offen, von welchen Zahlen die
„Information“ ausgeht. Die „Information“ nimmt Bezug auf die Empfehlung der
Corona-Kommission vom 21.1.2021.
Es ist mangels Angaben nicht nachvollziehbar, ob die dieser Empfehlung zugrundeliegenden Zahlen nur jene
Personen enthalten, die nach den Richtlinien der WHO zur Interpretation von
PCR-Tests vom 20.01.2021 untersucht wurden. Konkret ist nicht ausgewiesen,9
welchen CT-Wert ein Testergebnis hatte, ob ein Getesteter ohne Symptome erneut
getestet und anschließend klinisch untersucht wurde. Damit folgt die WHO dem
Erfinder der PCR-Tests, ... (Link. Mutatis
mutandis sagt er damit, dass ein PCR-Test nicht zur Diagnostik geeignet ist und
daher für sich alleine nichts zur Krankheit oder einer Infektion eines Menschen
aussagt.
Laut einer Studie aus dem Jahr 2020 (Bullard, J., Dust, K., Funk, D., Strong, J. E.,
Alexander, D., Garnett, L., ... & Poliquin, G. (2020). Predicting infectious severe
acute respiratory syndrome coronavirus 2 from diagnostic samples. Clinical
Infectious Diseases, 71(10), 2663-2666.) ist bei CT-Werten größer als 24 kein
vermehrungsfähiger Virus mehr nachweisbar und ein PCR Test nicht dazu
geeignet, die Infektiosität zu bestimmen.
Geht man von den Definitionen des Gesundheitsministers, „Falldefinition Covid-
19“ vom 23.12.2020 aus, so ist ein „bestätigter Fall“ 1) jede Person mit Nachweis
von SARS-CoV-2 spezifischer Nukleinsäure (PCR-Test, Anm.), unabhängig von
klinischer Manifestation oder 2) jede Person, mit SARS-CoV-2 spezifischem
Antigen, die die klinischen Kriterien erfüllt oder 3) jede Person, mit Nachweis von
SARS-CoV- spezifischem Antigen, die die epidemiologischen Kriterien erfüllt.
Es erfüllt somit keiner der drei vom Gesundheitsminister definierten „bestätigten
Fälle“ die Erfordernisse des Begriffs „Kranker/Infizierter“ der WHO.
Das alleinige Abstellen auf den PCR-Test (bestätigter Fall 1) wird von der WHO
abgelehnt, siehe oben.
Das Abstellen auf eine Antigen-Feststellung mit klinischen Kriterien (bestätigter
Fall 2) läßt offen, ob die klinische Abklärung durch einen Arzt erfolgt ist, dem sie
ausschließlich vorbehalten ist; maW: ob eine Person krank ist oder gesund, muss
von einem Arzt getroffen werden (vgl. § 2 Abs. 2 Z 1 und 2 Ärztegesetz 1998,
BGBl. I. Nr. 169/1998 idF BGBl. I Nr. 31/2021).
Zu den Antigentests ist überdies zu bemerken, dass diese bei fehlender
Symptomatik hochfehlerhaft sind (Link. Dennoch stützt sich10
die Corona-Kommission für die aktuellen Analysen ausschließlich auf Antigen-Tests
(siehe Monitoring der Covid-19 Schutzmaßnahmen, Kurzbericht 21.1.2021).
Ein Antigen-Test bestätigt einen Fall (3) auch dann, wenn eine
Kontaktnachverfolgung zu der zu bestätigenden Person erfolgreich war. Damit
werden dann zwei aufeinandertreffende Antigen-positiv getestete Personen auf
einmal zum bestätigten Fall auch ohne klinischer Manifestation und ohne PCR-Test
unter Anwendung der WHO-Richtlinien.
Sollte die Corona-Kommission die Falldefinition des Gesundheitsministers
zugrunde gelegt haben, und nicht jene der WHO; so ist jegliche Feststellung der
Zahlen für „Kranke/Infizierte“ falsch.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass selbst beim Verwenden der Fallzahlen
nach der Definition der WHO die jeweiligen Modelle des Seuchengeschehens und
die Bezüglichkeit der Zahlen ausschlaggebend für eine richtige Beurteilung sind.
Sowohl in den Bewertungskriterien als auch in der aktuellen Risikoeinschätzung
der Corona-Kommission vom 21.1.2021 finden sich dazu nur Sekundärquellen. Es
wird auf die AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und
Ernährungssicherheit GmbH) und auf die GÖG (Gesundheit Österreich GmbH)
verwiesen. Mitteilungen von diesen werden offenbar ungeprüft zugrunde gelegt
und die von diesen dafür verwandten wissenschaftlichen Quellen sowie statistisch
prognostische Methoden nicht genannt. Besonders hervorzuheben war, dass stark
steigende Fallzahlen nicht zuletzt auf stark steigende Tests zurückzuführen sind.
Insgesamt ist bezüglich der „Information“ des Gesundheitsdienstes der Stadt Wien
und der darauf fußenden Begründung des Untersagungsbescheides festzuhalten,
dass zum Seuchengeschehen keine validen und evidenzbasierten Aussagen und
Feststellungen vorliegen.
Dies wird unterstrichen durch die „Limitationen“ der Corona-Kommission, lautend
„Es kann kein Rückschluss auf die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen gezogen
werden, da davon auszugehen ist, dass diese in Wechselwirkung zueinander
stehen und sich in ihrer Wirkung gegenseitig beeinflussen.“.11
Zur rechtlichen Beurteilung einer nicht verwertbaren Information zur Seuchenlage
sowie der Einschätzung des LVT ist ergänzend auszuführen:
Die bloße, abstrakte Befürchtung eines konsenswidrigen Betriebes kann – hier im
Betriebsanlagenrecht – nicht zu einer prophylaktischen Versagung einer
Bewilligung führen (vgl. VwGH vom 21.12.2004, 2002/04/0124; vom 30.06.2004,
2001/04/0204).
Umso mehr dies bei einem Grund- und Freiheitsrecht, dem der Freiheit zu
Versammlungen, zu gelten. Wie der Verfassungsgerichtshof ständig judiziert hat
(vgl. VfGH vom 30.06.2004, B491/03; vom 30.08.2008, B663/08, beginnend mit
RGH vom 23.01.1905, 691/1904), reichen bloße allgemeine Befürchtungen nicht
aus für eine Untersagung einer Versammlung.
Die Untersagung der Versammlung erfolgte zu Unrecht, weshalb spruchgemäß zu
entscheiden war.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133
Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder
weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist
die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als
uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine
grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
B e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde
beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim
Verwaltungsgerichtshof.
Die Beschwerde bzw. außerordentliche Revision ist innerhalb von sechs Wochen
ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses durch einen bevollmächtigten
Rechtsanwalt abzufassen und ist die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof12
und/oder die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim
Verwaltungsgericht Wien einzubringen.
Für die Beschwerde bzw. die außerordentliche Revision ist eine Eingabegebühr von
je 240 Euro beim Finanzamt für Gebühren, Verkehrssteuern und Glückspiel zu
entrichten. Ein diesbezüglicher Beleg ist der Eingabe anzuschließen.
Es besteht die Möglichkeit, Verfahrenshilfe für das Verfahren vor dem
Verwaltungsgerichtshof (siehe § 61 VwGG) bzw. Verfassungsgerichtshof (siehe
§ 35 VfGG in Verbindung mit § 64 Absatz 1 ZPO) zu beantragen.
Dr. Frank
Richter
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