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Köln: Das Virus geht nachts nicht spazieren, sondern tagsüber arbeiten

21.04.2021

Demonstration: Menschen schützen - nicht die Wirtschaft!
Mittwoch, 21.4.2021 Köln, Neumarkt, 18.30 Uhr

Mit der Erweiterung des Infektionsschutzgesetzes geht die staatliche Politik der immer größeren Einschränkungen im Privatleben bei gleichzeitiger Ignoranz der Pandemie-Bekämpfungsmöglichkeiten im Bereich von Arbeit und Wirtschaft weiter.

Seit nunmehr 13 Monaten befindet sich das Land in einem permanenten Ausnahmezustand.

Doch anstatt konsequenter Politik zur Bekämpfung der Pandemie bei gerechter Lastenverteilung sehen wir uns teils gefährlich sinnlosen Entscheidungen gegenüber, die das Ziel einer raschen Eindämmung von Covid-19 schlichtweg verfehlen.

Die Corona-Einschränkungen fokussieren sich immer mehr auf das Privatleben, während die Wirtschaft weiterhin so gut wie keinen Beitrag zur Pandemieeindämmung leisten muss. Diese Ungleichverteilung wurde nun mit den Plänen für einen Bundeslockdown nochmals verschärft und soll auf lange Sicht festgeschrieben werden.

Diese Politik erreicht nun einen neuen Höhepunkt mit der Diskussion um die Ausgangsbeschränkung. Statt dort zu handeln, wo vorrangig die Ansteckung passiert, in den Großraumbüros, Werkshallen und vollen U-Bahnen, praktiziert man erneut Alibipolitik statt effektiver Pandemiebekämpfung.

Während private Kontakte zunehmend eingeschränkt werden, bleibt es noch immer Arbeitgeber:innen überlassen, ob die Beschäftigten im vollen ÖPNV täglich zu ihren Großraumbüros anzureisen haben - womit die Pandemie fahrlässig verschärft und verlängert wird.

Während Kultur und Gastronomie bei vollem Lockdown teilweise Monate auf die Auszahlung der Finanzhilfen warten, gehen Milliarden ratzfatz an Lufthansa und Automobilindustrie.

Während mittelständischen Unternehmen, Freiberufler:innen und kleinen Selbstständigen die Luft ausgeht, schütten Konzerne - trotz erhaltener staatlicher Hilfen - Dividenden aus. Besonders dreist ist der Fall Daimler, wo man - trotz allein 700 Mio. Euro an Einsparungen durch die Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld – Dividenden auch noch erhöht.

Während viele Arbeitnehmer:innen und Selbstständige durch Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit oder Betriebsschließung in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sind, feiert der DAX Allzeithochs und füllt die Taschen spekulativer Anleger.

Während Pflegekräfte in Altenheimen und Krankenhäusern mit hohen persönlichen Risiken seit Monaten über dem Limit arbeiten, verhindern Caritas und Arbeiterwohlfahrt durch mangelnde Kooperation die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages, der rund 1,2 Millionen Beschäftigten in Altenheimen ein Einkommen oberhalb des Prekären ermöglichen würde.

Es darf nicht sein, dass ausgerechnet die, die den Laden am Laufen halten, die größten Opfer in der Pandemie zu erbringen haben, während Unternehmen, die die größten Ressourcen hätten, für Arbeits- und Pandemieschutz zu sorgen, weiterhin ohne nennenswerte Einschränkungen Profitstreben vor den Pandemieschutz stellen können.

Ausgangsbeschränkungen

Ausgangsbeschränkungen sind kein wirksamer Baustein der Pandemiebekämpfung, während gleichzeitig der normale Produktionsbetrieb weiterläuft, zu Stoßzeiten die U-Bahnen rappelvoll sind mit Berufspendler:innen und in Großraumbüros und Fabriken einfach wie bisher weitergearbeitet wird.

Wenn weiterhin prekär beschäftigte Erntehelfer:innen und ehemalige Vertragsarbeiter:innen der Fleischindustrie in Sammelunterkünften zusammengepfercht sind, ebenso wie viele Geflüchtete in Massenunterkünften, wird die Pandemie weiter um sich greifen.

Die Schulen sollen weiter geöffnet bleiben bis zu einem Inzidenzwert von 200, ohne dass im Laufe des letzten Pandemiejahres die Installation von Luftreinigungsgeräten umgesetzt worden wäre. Denselben Schüler:innen, die tagsüber mit 20 Leuten in einem schlecht gelüfteten Innenraum über Stunden zusammen sitzen, will man nun verbieten, sich abends mit 2 Freunden:innen draußen im Park zu treffen.

Das Verhängen von Ausgangsbeschränkungen, also die Einrichtung eines Verbots, nach draussen zu gehen, konterkariert die neuesten Forschungsergebnisse von Aerosolforscher:innen. Diese besagen, dass der Schutz vor Ansteckungen mit dem Virus vor allem dort verbessert und intensiviert werden muss, wo sich Menschen in Innenräumen aufhalten. Im Freien werde das Virus nur äußerst selten übertragen.

Warum soll uns dennoch eine Ausgangssperre aufgebürdet werden? Nun, die Kampagne NIKA beschreibt es sehr treffend mit dem Begriff des autoritären Populismus:

"Ausgangssperren kosten wenig und suggerieren eine Handlungsfähigkeit, die der Staat gegenüber Pharmakonzernen und ihren Patenten systematisch vermissen lässt."

Nicht aus den Augen verlieren dürfen wir, was Ausgangsbeschränkungen mit den Schwächsten unserer Gesellschaft machen. Menschen in gewaltgeprägten oder einfach nur beengten Wohnverhältnissen werden damit alleine gelassen und können zukünftig ihrer bedrückenden Wohnsituation noch weniger entgegensetzen. Gegen Obdachlose werden Polizei und Ordnungsamt wider besseren Wissens nun noch repressiver vorgehen können. Uns graust vor diesen Vorstellungen.

Notwendig wäre stattdessen eine Freigabe der Patente auf Impfstoffe, Pflicht zur Ermöglichung von Homeoffice und - wo dies nicht möglich ist - ein kurzes und entschlossenes Pausieren aller derjenigen Arbeitsplätze die nicht systemrelevant sind.

Letztendlich zeigen die aktuellen Maßnahmen und die geplanten Verschärfungen, was die Essenz des Lebens im Kapitalismus ist. Wenn es hart auf hart kommt, spielt persönliche Freiheit und Lebensqualität der Einzelnen keine Rolle gegenüber der Wertschöpfung für die Dividenden einiger Weniger.

Sie sagen "Bleib zu Hause", aber meinen eigentlich "geh weiter malochen".

Wir fordern:

Eine Pandemiebekämpfung, die nicht die Interessen der Wirtschaft, sondern die der Menschen in den Vordergrund stellt.

Deshalb wollen wir mit Euch am Abend des 21. April 2021 unseren Protest gegen diese sinnfreie Politik auf die Straße bringen. Sollte der Beschluss des Bundestages vor dem 21. April vorliegen, werden wir entsprechend reagieren. Haltet Euch über unsere Kanäle auf dem Laufenden.

Corona-Leugner:innen und Rechtsextreme

Wir sind uns der Gefährdungen durch Covid-19 sehr bewusst. Vor diesem Hintergrund erteilen wir selbsternannten „Querdenker:innen“, "Selberdenker:innen", "Köln ist aktiv"-Fans und wesensverwandten Schwurbler:innen und Rechtsextremen, die zum Teil unter dem Label der Kritik an staatlichen Maßnahmen eigene Umsturzphantasien und eine faschistoide Agenda verfolgen, eine klare Absage.
Ihr habt auf unserer Demonstration nichts zu suchen.

Und wie immer gilt auf unseren Demos: Nehmt Rücksicht aufeinander, haltet ausreichend Abstand und tragt FFP2-Masken.
Aufruf auf Facebook unter: Link

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Waren es anfangs auf der Kundgebung am Neumarkt nur ca. 400 bis 500 Teilnehmer*innen, so wuchs die Zahl während der anschließenden Demo auf über 1000 Menschen an. Viele haben die Nase voll davon, dass der Privatbereich mit immer restriktiveren Regeln überzogen wird, während zugleich ein gewaltiges Umverteilungsprogramm den großen Banken die Gelder der Steuerzahler in Milliardengrößen rüberschiebt.
Zwar sind alle von der Krise betroffen, aber längst nicht auf gleiche Art und Weise. Viele Existenzen sind bereits platt gemacht. Wer in seinem Vorgarten bei hohem Gehalt entspannen kann, wird mit den verhängten Beschränkungen der Notstandsregierung anders umgehen, als jemand der mit mehreren Menschen in Flüchtlingsunterkünften leben muss oder jemand der in einer kleinen Dreizimmer Wohnung mit seinen Kindern die Pandemie überstehen muss.
Diese Ungleichheit war das Thema vieler Reden am Mittwoch (21.April ) auf dem Kölner Neumarkt. Die Leiden der Schulkinder und Lehrpersonen wurden von Betroffenen Erzieher*innen ebenso thematisiert, wie die in vielen Fällen völlig fehlenden technischen Voraussetzungen für Fernunterricht. Weitere Berichte von "vor Ort" bezogen sich auf die Menschen, die in einem Zimmer eingepfercht als Asylanten leben müssen, sowie auf die Situation von Heimbewohner*innen. Massive "Kollateralschäden" ganzer Bevölkerungsgruppen insbesondere bei der Jugend sind die Folge der verhängten Maßnahmen.Jene, die diese Maßnahmen erlassen, leben in einer anderen Welt, als die am meisten ausgebeuteten Gruppen der arbeitenden Klasse.
Das zeigt auch die amtliche Aufschlüsselung nach Stadtteilen überdeutlich:
Vergleiche das Armenviertel Vingst und das Millionärsviertel Hahnwald.
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