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Streik der Lokomotivführer: Seien wir in guter Tradition solidarisch !!!!

Foto: H.S.

16.06.2021 - von Autorenkollektiv

Der Vorstand der Gewerkschaft der Loomotivführer bereitet in den nächsten Tagen Streikaktionen vor. Für die Regierung geht es dabei darum, in einem Staatsunternehmen, der Bahn-Aktiengesellschaft, exemplarisch das Tarifeinheitsgesetz durchzusetzen. Damit sollen kämpferische Spartengewerkschaften, die in der Vergangenheit oftmals härtere Kämpfe geführt hatten, als es dem DGB lieb war, lahmgelegt werden. Es könnte sein, dass dieser Konflikt zu einer Nagelprobe für den DGB wird. Es könnte sein, dass sich Teile des DGB`s mit den kämpfenden Kolleg*innen solidarisieren.

Die Auseinandersetzung zwischen Deutsche Bahn AG und GDL spitzt sich zu
Nach dem Platzen der jüngsten Verhandlungsrunde stehen die Zeichen unzweideutig auf Streik. Dabei fährt der Bahnkonzern seit Herbst 2020 einen erkennbaren konfrontativen und provokativen Kurs, auch wenn das Gegenteil behauptet wird. Es spricht alles dafür, dass der Vorstand der DB AG für diesen Kurs die Unterstützung der Vertreterin des Eigentümers, der Bundesregierung – und hier vor allem die von CDU/CSU – hat. Auch die SPD ist mit im Boot. Immerhin bildet das „Tarifeinheitsgesetz“ aus dem Jahr 2015 einen wichtigen Hintergrund. Es wurde damals vom SPD-geführten Arbeitsministerium unter Arbeitsministerin Andrea Nahles eingebracht und im Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP verabschiedet.

Es geht um die folgenden vier Dinge:

(1)
Die materiellen Forderungen der GDL nach einem Abschluss, der keinen Reallohnverzicht
darstellt sind berechtigt. Die offiziellen Forderung lauten nach 4,8% und eine Einmalzahlung in Höhe von 1300 Euro. Der EVG-Abschluss vom Herbst 2020 ist ein solcher Reallohn-ABBAU-Abschluss. Zumal angesichts einer inzwischen deutlich ansteigenden Inflationsrate (April 2021 gegenüber Vorjahr: +2%).
Bilanz: Forderungen sind zu unterstützen.

(2)
Die Behauptungen der DB-AG-Spitze und vieler Kommentare in den Medien, diese Forderungen würden sich verbieten angesichts der DB-AG-Verluste 2020, sind nicht haltbar.

Dies ist der Fall aus den folgenden Gründen:

- Seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es im Bahnkonzern permanent steigende Ausgaben für einen sich fortwährend vergrößernden Wasserkopf (Overhead). Es wurden allein in den letzten fünf Jahren mehr als eine Milliarde Euro für Berater ausgegeben.

- 2020 wurden auch die Boni für die meisten DB-AG-Manager (Ausnahme: Vorstand) weiter
bezahlt – trotz der Milliarden-Verluste.

- Der Bund gewährt der DB-AG Gelder für eine Eigenkapitalerhöhung im Zeitraum von 2020 bis
2030 in Höhe von mehr als 10 Milliarden Euro.

- Hinzu kommen Sonderzahlungen für die Ausfälle im Coronajahr 2020. Diese Zahlungen sind weitgehend intransparent und dürften nach der Bundestagswahl im September 2020 auf den Prüfstand gestellt werden.

- Die DB AG – hier: DB Netz – entwickelt immer neue zerstörerische Großprojekte, die
Milliarden Euro verschlingen und oft sogar auf Kapazitätsabbau hinauslaufen. In jedem
Fall sind es überteuerte und unnötige Projekte. Stuttgart 21 (Gesamtsumme bis zur Fertigstellung unter Einschluss der neuen Projekte aus dem grün-schwarzen Koalitionsvertrag vom Mai 2021 = 20-25 Milliarden Euro) ist hierfür nur das bekannteste Beispiel.

Bilanz: Behauptungen der DB AG und der Öffentlichkeit sind nicht haltbar. Der Konzern gibt Milliarden für falsche und fragwürdige Zwecke aus und knausert bei einer
gerechten Bezahlung für die produktiv Beschäftigten.

(3)
Am Beispiel der GDL soll zum ersten Mal das Tarifeinheitsgesetz angewandt werden. Dieses
Gesetz wurde, wie bereits erwähnt, zwar 2014 im Bundestag von CDU/CSU, SPD und FDP
beschlossen. Es kam bislang jedoch bislang nicht zur Anwendung. 2014 schloss die DB-AG eine Vereinbarung mit der GDL ab, wonach während der Gültigkeit des damals – nach einem harten Arbeitskampf – zustande gekommenen Tarifvertrags das Gesetz NICHT zur Anwendung kommt. Dieser Tarifvertrag lief im Herbst 2020 aus. Die DB AG hätte eine neue Vereinbarung dieser Art treffen können (allerdings hätte dies eine „trilaterale Vereinbarung“ (DB + EVG + GDL) sein müssen. Das lehnte die EVG ab.

DB-AG will nunmehr das Tarifeinheitsgesetz explizit zur Anwendung bringen.
Das heißt: In den „Betrieben“ der DB soll es jeweils nur eine Gewerkschaft geben, mit der die DB verhandelt – und das ist jeweils die relativ stärkere. Wer konkret wie entscheidet, wer „der relativ stärkere“ ist, ist absolut unklar. Auch kann der Arbeitgeber selbst festlegen, was seine „Betriebe“ sind, wie diese zugeschnitten sind. Im Ergebnis der bisherigen Aussagen des DB-AG-Vorstands gibt es in unter den DB-Betrieben mehr als drei Viertel, in denen die EVG als relativ größere Gewerkschaft gesehen wird. Womit die DB AG dort nach eigener Definition und den Vorgaben des Tarifeinheitsgesetz mit der GDL in diesen Bereichen erst gar keine Tarifverhandlungen führen muss.

Bilanz: Das Tarifeinheitsgesetz ist gewerkschaftsfeindlich und undemokratisch. Es muss von allen demokratisch gesinnten Gewerkschaftsmitgliedern und Gewerkschaften abgelehnt werden.

(4)
Bislang sah sich hierzulande noch jede Gewerkschaft, die bereit zu einem harten Arbeitskampf war, massiven Angriffen der Öffentlichkeit und der Mehrheit der Parteien
ausgesetzt. Das liegt in der Natur der Dinge; in der Spaltung der (Klassen-) Gesellschaft in Kapitaleigner und Arbeitskrafteigner – wobei die Erstgenannten nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im Übrigen gesellschaftlichen Leben – also in Politik und in den Medien – dominieren.

Das einzige Instrument der Arbeitskrafteigner ihre grundsätzlich schwächere Position aufzuwerten, ist der Arbeitskampf. Entsprechend sehen sie sich im Fall eines solchen Kampfes mit massiven Angriffen, Demagogie und oft auch Hass konfrontiert.

- Das war in Westdeutschland so bei den Streiks für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall Ende der 1950er Jahre,
- das war so im großen Metallarbeiterstreik in Baden-Württemberg 1963,
- das war der Fall bei den Kämpfen für die 35-Stunden-Woche in den 1970er und vor allem in den 1980er Jahren,
- das war im vereinten Deutschland so bei dem (verlorenen) Kampf um die Übertragung der Arbeitszeitverkürzungen in Westdeutschland auf die neuen Bundesländer im Jahr 2003.
- Das war so bei den GDL-Arbeitskämpfen in den Jahren 2007/2008 und vor
allem 2014/15.

Im Fall eines GDL-Arbeitskampfes 2021 wird sich das nicht anders verhalten. Das ist bereits jetzt deutlich – beispielsweise wenn in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 10. Juni ein der IG Metall nahestehender Professor Wolfgang Schroder zur GDL-Position erklärt: „Das grenzt an die Methoden der AfD“. Und unter anderem argumentiert: „Die GDL hat in den meisten Betrieben [der DB-AG; WW] das Nachsehen. Jetzt will sie ordentlich auf den Putz hauen … um wieder mehr Mitglieder zu gewinnen.“

Bilanz: Wir erleben im Vorfeld des GDL-Arbeitskampfes das, was wir seit Gründung der Bundesrepublik im Fall von gerechtfertigten Arbeitskämpfen erlebt haben. Die öffentliche Stimmungsmache gegen die GDL wird sich noch verstärken mit Verweisen der Art „Am Ende der Corona-Pandemie wollen doch viele Leute wieder Bahn fahren“ oder
„ausgerechnet in der beginnenden Urlaubszeit“ und dann natürlich mit dem Argument, hiermit werde die Bundestagswahl am 26. September 2021 auf unzulässige Art und Weise „politisiert“.

Tatsachen sind:
Es war die Deutsche Bahn AG, hier unterstützt von der EVG, die im Herbst ein Ende des Aussetzens des Tarifeinheitsgesetzes angekündigt und seit Anfang 2021 umgesetzt hat. Es geht in diesem Arbeitskampf nicht zuletzt darum, dass eine kämpferische Gewerkschaft existenziell bedroht wird - insbesondere mit der erstmaligen Anwendung des Tarifeinheitsgesetzes. Solidarität mit der GDL ist zugleich – wie bereits 2014/15 – Ausdruck unserer Ablehnung des undemokratischen und gegen den Grundsatz der freien gewerkschaftlichen Organisierung gerichteten Tarifeinheitsgesetzes.

Es ist dieses Tarifeinheitsgesetz, das die GDL dazu ZWINGT, ihren Organisierungsbereich so
auszuweiten, dass sie Chancen des Überlebens im Gesamtkonzern Deutsche Bahn AG hat. Dazu ist die GDL entschlossen. Seit Anfang 2021 ruft sie zur Mitgliedergewinnung auch „jenseits“ der Bereiche Lokführer und Zugpersonal – und damit im gesamten produktiven Bereich der Deutschen Bahn auf. Sie hat nach eigenem Bekunden seither mehrere Tausend neue Mitglieder gewonnen – bislang Unorganisierte und Beschäftigte, die bislang bei der EVG organisiert waren.

Die Gefahr einer gesellschaftlichen Isolation der GDL in diesem Arbeitskampf ist erkennbar. Die DGB-Gewerkschaft EVG und Teile der übrigen DGB-Gewerkschaften demonstrierten in der Vergangenheit, dass sie der GDL feindlich gegenüberstehen, ja sogar, dass sie das Tarifeinheitsgesetz begrüßten oder zumindest nicht bekämpften. Unter den größeren organisierten gesellschaftlichen Gruppen ist es vor allem der Beamtenbund dbb, der die GDL unterstützt – auch in einem kommenden Arbeitskampf.

Ein Erfolg der GDL in diesem Arbeitskampf mit ihren berechtigten Forderungen wäre ein Erfolg für die gesamte gewerkschaftliche Bewegung in diesem Land. Eine Niederlage würde das gesamtgesellschaftliche Kräfteverhältnis nach rechts verschieben und alle gewerkschaftlich Organisierten negativ treffen.
Seien wir in guter Tradition solidarisch mit der GDL!
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Siehe auch: BRAVO LOKOMOTIVFÜHRERINNEN !!!
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