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Gewerkschaftsbund Österreich: Faktencheck Pensionen

Foto: H.S.

Österreich - 27.10.2021 - von ÖGB, 23. Oktober 2021

Immer öfter behaupten neoliberale Stimmen, dass die staatlichen Pensionen nicht mehr für alle ausreichen werden. Der ÖGB hat diese Aussagen einem Faktencheck unterzogen.

„Pensionen immer teurer“, titelt die Kleine Zeitung am 18. Oktober. Die Presse schreibt am selben Tag von der „Crux mit der Pensionslücke“. Und im Standard ist zu lesen: „Pensionen belasten Regierungen finanziell“. Auch laut dem Bericht des Fiskalrates werden die Kosten für Pensionen „mittelfristig spürbar ansteigen. Was hat es damit auf sich? Zunächst ist zu sagen: Diese Erzählung ist nicht neu. In regelmäßigen Abständen wird sie – nicht ohne Hintergedanken – von neoliberalen Kräften vorgebracht und von diversen Medien übernommen. Im Grunde geht es dabei seit vielen Jahren um die immergleichen drei Punkte: Pensionen seien in der Zukunft nicht mehr finanzierbar, Versicherte sollten sich möglichst selbst versichern und Kürzungen im Pensionssystem seien unvermeidbar. Was davon richtig ist und was falsch, zeigt der ÖGB-Faktencheck.

Neoliberale Kräfte sagen, dass sich in Zukunft die öffentlichen Pensionen nicht mehr für alle ausgehen werden. Gibt es aktuelle Berechnungen über die langfristige Finanzierbarkeit der Pensionen?

Die Europäische Kommission veröffentlicht im Drei-Jahres-Abstand den sogenannten Ageing-Report Link . Österreich hat im letzten Jahrzehnt für das öffentliche Pensionssystem inklusive der Beamtenpensionen jährlich etwas weniger als 14 Prozent des BIP aufgewendet. Laut dem EU-Ageing-Report 2021 werden die Aufwendungen bis 2070, gemessen am BIP, nur sehr moderat auf 14,3 % ansteigen, obwohl sich die Altersstruktur – mit wesentlich mehr älteren Menschen – verschieben wird. Die langfristige Finanzierbarkeit des österreichischen Pensionssystem ist laut diesen Daten somit in keiner Weise gefährdet.
Trotzdem gibt es immer wieder Stimmen, die behaupten, dass die Pensionsausgaben massiv steigen werden und man sich dies auf Dauer nicht leisten wird können. Mit welchen Tricks wird eine solche angebliche Unfinanzierbarkeit dargestellt?

Um eine angebliche Unfinanzierbarkeit unseres öffentlichen Pensionssystems darzustellen, gibt es zwei beliebte Tricks: Einerseits wird die Ausgabenentwicklung in Euro-Beträgen anstatt in Anteilen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) dargestellt und andererseits nur die Kostensteigerung der gesetzlichen Pensionsversicherung (Pensionen der ehemaligen Arbeitnehmern, Selbständigen und Bauern) aufgezeigt und dabei ausgeblendet, dass sich gleichzeitig die Aufwendungen im Bereich der Beamtenpensionen deutlich reduzieren werden.
Was will man damit bewirken?

Werden Entwicklungen über lange Zeiträume in Eurobeträgen dargestellt, dann wird eine Dynamik suggeriert, die es gar nicht gibt. Allein durch die Inflation wachsen Eurobeträge über lange Zeiträume erheblich, ohne dass sich notwendigerweise real irgendetwas ändert. Außerdem werden wesentliche Aspekte wie das Produktivitätswachstum ignoriert. Wenn man also über viele Jahre eine Entwicklung in Absolutbeträgen darstellt, dann entsteht zwangsläufig der Eindruck, dass es zu einem massiven Anstieg der Ausgaben kommt, auch wenn der Anteil der Aufwendungen oder der Beitrag des Staates zum öffentlichen Pensionssystem im Verhältnis zum BIP nahezu gleichbleiben und somit überhaupt kein Grund zur Beunruhigung besteht.

Zweitens: Wenn man nur die Ausgabensteigerung im Bereich der gesetzlichen Pensionsversicherung zeigt, dann werden nicht nur die Auswirkungen der Reformen in den Beamtensystemen völlig ausgeblendet, sondern auch bloße Ausgabenverschiebungen fälschlicherweise als Ausgabensteigerungen dargestellt. Es wird also eine Ausgabendynamik suggeriert, die es so gar nicht gibt. Aussagekräftig ist daher nur eine Gesamtbetrachtung der gesamten Alterssicherung (gesetzliche Pensionsversicherung und Beamtenpensionen) wie im Ageing-Report der Europäischen Kommission.
Wer profitiert davon, dass unser öffentliches Pensionssystem als auf Dauer nicht mehr finanzierbar dargestellt wird?

Wenn die Menschen glauben, dass unser öffentliches Pensionssystem in Zukunft nicht mehr die Leistungen auszahlen kann, die den Lebensstandard im Alter sicherstellen und Altersarmut verhindern, dann werden diese Menschen eher geneigt sein, eine private Pensionsvorsorge abzuschließen – auch wenn sie sich das eigentlich nicht leisten können bzw. das auch gar nicht notwendig ist. Die privaten Pensionskassen profitieren somit von der Stimmung einer angeblichen „Unfinanzierbarkeit des öffentlichen Pensionssystems“, dann bekommen sie mehr KundInnen und ihre Prämieneinnahmen steigen. Und da geht es natürlich um sehr viel Geld.
Welches Pensionssystem sichert am besten für das Alter ab?

Die bei weitem beste Option, um sich für das Alter gut abzusichern, ist ein starkes öffentliches Pensionssystem. Und ein solches haben wir in Österreich nach wie vor. Das öffentliche Pensionssystem leistet im Gegensatz zu Privat- und Betriebspensionen einen breiten sozialen Ausgleich. Auch Zeiten ohne Erwerbstätigkeit (beispielsweise während einer Krankheit, einer Zeit der Arbeitslosigkeit oder während der Kindererziehung) werden angerechnet, das System der Ausgleichszulagen garantiert PensionistInnen ein Mindesteinkommen, die Ausfallshaftung des Bundes garantiert auch in schweren Krisen stabile Pensionen, was wiederum die wirtschaftliche Entwicklung stabilisiert. All dies ist nur im Rahmen eines starken öffentlichen Systems möglich.

Betriebspensionen sind eine freiwillige Leistung der Arbeitgeber. Nur eine Minderheit der ArbeitnehmerInnen hat somit einen Zugang zu Betriebspensionen. Betriebspensionen waren auch nie als Ersatz des öffentlichen Pensionssystem gedacht. Eine private Pensionsvorsorge können sich wiederum nur jene Menschen leisten, die besser verdienen. Zusammengefasst: Privat- und Betriebspensionen können die Absicherung im Alter lediglich ergänzen, die primäre Absicherung muss durch das öffentliche Pensionssystem erfolgen.
Warum soll es sich für alle ausgehen? Wenn wir uns die Alterspyramide anschauen, dann sehen wir, dass es mehr ältere Menschen geben wird.

Die demographische Entwicklung, der zufolge es in Zukunft deutlich mehr Menschen ab 65 Jahren geben wird, ist natürlich eine große Herausforderung – und zwar für jedes Pensionssystem, egal ob umlagefinanziert oder kapitalgedeckt. Letztlich ausschlaggebend ist aber nicht das Verhältnis der Zahl der Menschen im Pensionsalter zu jener im Erwerbsalter, sondern die Relation der Zahl der auf Pensionen, Arbeitslosengeld, Notstandshilfe etc. angewiesenen Personen und jener der Erwerbstätigen, die durch ihre Beiträge und Steuern diese Leistungen finanzieren. Diese Relation hängt bei weitem nicht nur von der Demografie ab, sondern ganz wesentlich auch vom Ausmaß und von der Qualität der Erwerbsintegration. Und hier gibt es noch erhebliche Verbesserungspotentiale, deren Nutzung die Folgen der Alterung ganz wesentlich abmildern können.

Aus Sicht des ÖGB ist die primäre Antwort auf die gesellschaftliche Alterung daher der Arbeitsmarkt: Umso besser es uns gelingt, dass erstens mehr Menschen erwerbstätig sind, zweitens die Arbeitslosigkeit konsequent bekämpft wird und drittens die ArbeitnehmerInnen ein gutes Einkommen beziehen, desto leichter wird uns auch die Finanzierung der Pensionen und des Sozialsystems insgesamt fallen.
Muss aufgrund der demographischen Entwicklung das Regelpensionsalter auf über 65 Jahre, beispielsweise 67, angehoben und die Pensionshöhen des öffentlichen Pensionssystems gesenkt werden?

Nein. Das österreichische Pensionssystem wurde durch Reformen bereits umfassend an die demografischen Herausforderungen angepasst – auch wenn das manche scheinbar nicht wahrhaben wollen. Trotzdem jeden auch noch so moderaten Anstieg der relativen Pensionsausgaben als unfinanzierbar darzustellen, entbehrt nicht nur jeder sachlichen Grundlage, es zeigt vielmehr eine politische Werthaltung, die angesichts des Ausmaßes der Versschiebungen in der Altersstruktur nur als widersinnig bezeichnet werden kann.

Darüber hinaus belegen auch die Berechnungen der Europäischen Kommission im Ageing-Report, dass eine Anhebung des Regelpensionsalters, etwa durch eine Anbindung an die steigende Lebenserwartung, nahezu absurde Auswirkungen hätte. Mittelfristig würde sich an der Ausgabenentwicklung wenig überraschend zwar kaum etwas ändern, aber langfristig würden die Pensionsausgaben in Relation zum BIP sogar deutlich unter das aktuelle Niveau fallen. Anders gesagt, für die dann wesentlich höhere Zahl an Älteren – und das sind die heute Jüngeren – würde demnach künftig nur mehr ein deutlich kleineres Stück vom Gesamtkuchen reserviert werden. Derartige Vorschläge dann als Maßnahmen zur Sicherung der Pensionen der Jüngeren verkaufen zu wollen, das bedeutet schon eine gewisse Dreistigkeit.
Was ist sinnvoller als eine Anhebung des Regelpensionsalters?

Ziel sollte sein, dass das faktische (tatsächliche) Pensionsantrittsalter in Österreich weiter steigt – und nicht das Regelpensionsalter angehoben wird. Um das faktische Pensionsantrittsalter anzuheben, ist eine gezielte Wachstums- und Beschäftigungspolitik notwendig, damit ältere Arbeitsuchende bessere Chancen haben, wieder eine Arbeitsstelle zu bekommen. Zusätzlich braucht es auch bildungspolitische Maßnahmen (lebenslanges und berufsbegleitendes Lernen), sodass sich die Erwerbschancen von älteren ArbeitnehmerInnen verbessern. Damit die Menschen gesundheitlich überhaupt in der Lage sind, länger im Erwerbsleben zu verbleiben, braucht es auch Verbesserungen im Bereich der Prävention und alternsgerechte Arbeitsplätze.
Was würde eine Anhebung des Regelpensionsalters auslösen?

Eine Anhebung des Regelpensionsalters würde zu einer Erhöhung der Altersarbeitslosigkeit und zu Mehrausgaben in der Arbeitslosenversicherung führen, da die Chancen von älteren Arbeitssuchenden, eine neue Arbeitsstelle zu bekommen, derzeit schlecht sind. Nur jede zweite Frau geht beispielsweise direkt aus einer Erwerbstätigkeit in Pension. Zusätzlich würde eine Anhebung des Regelpensionsalters zu geringeren Pensionsleistungen führen, da dann die Abschläge zu einem höheren Alter berechnet werden.
Schlagzeile der Tageszeitung "der Standard" vom 18.10.2021: Pensionen belasten Regierung finanziell
Scan: Standard 18.10.2021
Was der ÖGB zu Pensionen sagt

Wir als ÖGB wissen, dass das Pensionssystem weiterhin gut finanzierbar ist. Der zentrale Hebel, um der gesellschaftlichen Alterung zu begegnen, ist die Steigerung der Erwerbsbeteiligung. Dazu braucht es eine gezielte Beschäftigungspolitik, bildungspolitische Maßnahmen (lebenslanges und/oder berufsbegleitendes Lernen) und Verbesserungen im Bereich der Prävention. Auch höhere Löhne führen zu einer besseren finanziellen Situation der Pensionsversicherung.

Quelle: Toumaj Faragheh