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Klage gegen Deutsche Bahn wegen digitaler Altersdiskriminierung durch Bahncard mit Handy-Zwang

Foto: H.S.

14.03.2024 - von Name und Adresse sind der Redaktion bekannt

Landgericht Frankfurt a.M.
Gerichtsstraße 2
60313 Frankfurt am Main
...
Klage
gegen
die DB Fernverkehr AG, 60486 Frankfurt, DB Fernverkehr AG
Europa-Allee 78-84
60486 Frankfurt

...

– 3 –

mit den Anträgen
1. der Beklagten die Beschränkung der Nutzung der Bahncard 100, 2. Klasse, des Unterzeichners während der aktuellen Vertragslaufzeit auf den Fernverkehr und den ab dem 1.1.2024 geltenden Zwang, für den bisher inkludierten Personen-Nahverkehr zusätzlich ein Smartphone zur Kennung mit sich zu führen, u.a. wegen Verstoßes gegen das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu untersagen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger mindestens 3.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.02.2023 zu zahlen.

Streitwert: über 5000 Euro
Für den Fall, dass das schriftliche Vorverfahren angeordnet wird und der Beklagten eine gemäß § 276 Abs. 1 ZPO gesetzte Frist versäumt, wird bereits jetzt der Erlass eines Versäumnisurteil gemäß §§ 331 Abs.3 ZPO beantragt.

I. Begründung

Das Vorliegen einer entsprechenden Vollmacht wird hiermit anwaltlich versichert, was auch nahe liegt, weil der sachbearbeitende Unterzeichner personenidentisch mit dem Kläger ist.
Der Kläger sieht sich auch wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) persönlich betroffen: nämlich als Nutzer der Deutschen Bahn unter dem Aspekt der Altersdiskriminierung.
Die Sache hat – weit über die Person des Klägers hinaus – rechtsgrundsätzliche Bedeutung und wird deshalb von unserer Kanzlei auch bei der Öffentlichkeitsarbeit behandelt werden.

II. Sachverhalt
Bei dem beklagten Unternehmen besitzt der Kläger eine Bahncard 100, 2 Klasse (Nr.: ...), die ihm im Rahmen des laufenden Vertrages erlaubt, den gesamten Schienenverkehr der Deutschen

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Bahn - einschließlich des Nahverkehrs - unbeschränkt zu nutzen. Das diesbezügliche Vertragsverhältnis läuft bis zum 26.8.2024 einschließlich. Das ist auch auf der Bahncard ausdrücklich so vermerkt. Unbeschadet des Vorliegens einer Altersdiskriminierung (s.u.) stellt zivilrechtlich eine Bahncard ein Wertpapier, also eine Urkunde dar, ohne die ein darin verbrieftes Recht nicht geltend gemacht werden kann. Dazu zählen auch sog. kleine Inhaberpapiere wie Lotterielose, Eintrittskarten oder eben auch
Fahrausweise.

Die DB Fernverkehr AG will laut einer Mitteilung vom 28. September einseitig diese unbeschränkte Nutzbarkeit während der Vertragslaufzeit einschränken. Dazu hat sie in besagter Mail (Hervorhebungen durch den Unterzeichner) Folgendes formuliert:

„Gesendet: Donnerstag, 28. September 2023 um 11:36 Uhr
Von: "BahnCard Service"
An: ...
Betreff: Das Deutschland-Ticket zu Ihrer BahnCard 100 wird digital.
Wir bitten um Ihre Mithilfe.
Hallo ...,
der Gesetzgeber und die zuständigen Verbände erkennen das Deutschland-Ticket ab Januar 2024 ausschließlich als digitales Ticket an. Daher kann Ihre BahnCard 100 Plastikkarte ab Januar 2024 nicht mehr zum Nachweis des Deutschland-Tickets genutzt
werden.


Damit wir Ihnen zum Jahreswechsel 2023/2024 zu Ihrer BahnCard 100 das digitale Deutschland-Ticket zusenden können, bitten wir um Ihre Mithilfe bei der Prüfung und Aktualisierung Ihrer Daten, insbesondere Ihrer E-Mail-Adresse. Geben Sie bitte ausschließlich Ihre persönliche E-Mail-Adresse an und verwenden Sie keine Sammel-E-Mail-Adresse von z. B. Sekretariat oder Reisestelle. Sie haben ein Kundenkonto auf
bahn.de und Ihre aktuelle BahnCard 100 ist darin hinterlegt?
Bitte loggen Sie sich in Ihrem Kundenkonto ein und prüfen Sie im Bereich „BahnCard“, ob Ihre aktuelle BahnCard 100 hinterlegt ist.
Ist dies der Fall, hinterlegen Sie unter „Persönliche Daten“ bis spätestens
31.10.2023 Ihre persönliche E-Mail-Adresse. An diese werden wir bis zum Jahreswechsel Ihr kostenloses digitales Deutschland-Ticket zu Ihrer dann gültigen BahnCard 100 senden.
Sie haben ein Kundenkonto auf bahn.de, aber Ihre aktuelle BahnCard 100
ist darin nicht hinterlegt?

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Oder: Sie haben kein Kundenkonto auf bahn.de und möchten auch kein Kundenkonto eröffnen?
In diesen Fällen senden Sie bitte bis spätestens 31.10.2023 eine E-Mail an bahncard100@bahn.de mit Angabe Ihrer Kartennummer und Ihrer persönlichen E-Mail-Adresse. An die von Ihnen genannte E-Mail-Adresse werden wir bis zum Jahreswechsel Ihr kostenloses digitales Deutschland-Ticket zu Ihrer dann gültigen BahnCard 100 senden.
Wir empfehlen Ihnen ausdrücklich, ab Januar 2024 das digitale Deutschland-Ticket immer dabeizuhaben, um den öffentlichen Personennahverkehr nutzen zu können.

Können Sie ab 01.01.2024 Ihr digitales Deutschland-Ticket bei Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs nicht vorweisen, reisen Sie ohne gültiges Ticket.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Luhm, Leiter Preismanagement BahnCard
Dr. Silke Kaulfuß Leiterin Kundenbindung
Gut zu wissen.
BahnCard Servicesationen zu Ihrer BahnCard enthält.
Dies ist eine automatisch versendete E-Mail, bitte nicht direkt darauf antworten. Persönliche Daten können bequem und einfach im Kundenkonto ….“


Wir haben mit Fax-Schreiben vom 16.10.2023 (Anlage 1) namens unseres Mandanten fristgemäß nach §§ 21 Abs. 2 i.V.m. 19 Abs. 1 Nr. 2 AGG eine Benachteiligung aus Gründen des Alters bei der Begründung und Durchführung und Beendigung des zivilrechtlichen Schuldverhältnisses u.a. wegen eines Schadens, der kein Vermögensschaden ist geltend gemacht und auch eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt. Durch dieses
Schreiben sind die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Nr. 2 AGG erfüllt worden.

Wir haben dort namens unseres Mandanten u.a. Folgendes ausgeführt:

„Der Unterzeichner sieht sich persönlich betroffen: nämlich als Nutzer der Deutschen Bahn. Dort besitzt er eine Bahncard 100, 2 Klasse, die ihm erlaubt, den gesamten Schienenverkehr der Deutschen Bahn - einschließlich Nahverkehr - unbeschränkt zu nutzen.Das diesbezügliche Vertragsverhältnis läuft bis zum 26.8.2024 einschließlich. Das ist auch auf der Bahncard ausdrücklich so vermerkt.
Ihnen wird bekannt sein, dass unbeschadet der Frage des Vorliegens einer Altersdiskriminierung (s.u.) zivilrechtlich eine Bahncard ein Wertpapier, also eine Urkunde, darstellt, ohne die ein darin verbrieftes Recht

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nicht geltend gemacht werden kann. Dazu zählen auch sog. kleine Inhaberpapiere wie Lotterielose, Eintrittskarten oder eben auch Fahrausweise.

Ihr Unternehmen will laut einer Mitteilung von vor wenigen Tagen einseitig diese unbeschränkte Nutzbarkeit in der Weise einschränken, dass Sie die Nutzbarkeit ab dem 1.1.2024 auf Fahrgäste beschränken, die ein Smartphone mit sich führen und das mitenthaltene Deutschland-Ticket mit diesem vorzeigen sollen.

Der Unterzeichner gehört zu den Menschen, die (unterwegs) aus grundsätzlichen Erwägungen kein Smartphone bei sich führen, sondern allenfalls ein Ur-Alt-Handy 6210 von Nokia. Dem liegen bestimmte Erwägungen zugrunde, die hier zu schildern, zu früh wäre.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) hat nun in einer Pressemitteilung vom 2.5.2023 Folgendes inhaltlich Zutreffende ausgeführt (Hervorhebungen durch den Unterzeichner):
"In Deutschland leben rund sieben Millionen ältere Menschen, die das Internet nicht nutzen. Für diese „Offliner“ muss es dringend eine Variante des Deutschlandtickets geben, die sie auch ohne Internet erwerben und ohne Smartphone nutzen können. Der Bundestag entscheidet am Donnerstag, dem 16. März 2023, über die Einführung des Tickets. Der von Bundesverkehrsminister Volker Wissing vorgelegte Gesetzentwurf sieht lediglich ein digitales Deutschlandticket vor.
Dieses Gesetz ist inzwischen in Kraft getreten.
Der Unterzeichner kann dem - auch als früherer Richter - die von Ihnen behauptete Nutzungspflicht des Mitführens eines Smartphones nicht einmal ansatzweise entnehmen. Auch den Gesetzesmaterialien ist solches nicht zu entnehmen. Dem AEG auch nicht. Schon auf gar keinen Fall für Bahn-100-Nutzungsberechtigte. Sie arbeiten hier also - dies noch als unschöne Krönung des Ganzen – mit einer rechtlichen Falschbehauptung gegenüber Ihren Kunden.
Beim Unterzeichner kommt noch hinzu, dass er nach kürzlicher Vollendung des 70. Lebensjahres zwar kein „Offliner“ ist, jedenfalls aber digital nur mit Laptops bzw. Computern arbeitet. Und auch dies nie in einem Zug.
Er ist also auch von der Altersdiskriminierung betroffen.
Klage ist also geboten, notfalls mit dem Ziel, die Sache dem Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV vorzulegen, um den von vom Unterzeichner gesehenen Verstoß gegen das EU-Antidiskriminierungsrecht dort feststellen zu lassen.

Es handelt sich um ein Grundsatzverfahren, das durch alle Instanzen geführt werden soll, welches wir auch als Kanzlei öffentlich machen werden. Alle nach dem AGG möglichen Anspruche werden hiermit geltend gemacht.
Wir bitten ausdrücklich um Bestätigung des Eingangs dieses Fax-Schreibens.
Mit freundlichen Grüßen
...


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Soweit der Wortlaut dieses Faxschreibens an die Deutsche Bahn Fernverkehr AG, auf das diese wie folgt reagiert hat:

„Ihre Nachricht vom: 16. Oktober 2023
Unser Zeichen: 1-169493806399

Hallo ...,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 16. Oktober 2023.
Ihr Anliegen haben wir zur Bearbeitung an die zuständige Fachabteilung weitergeleitet. Von dort erhalten Sie eine abschließende Antwort.
Falls Sie Fragen hierzu haben oder weitere Informationen wünschen, sind wir gerne für Sie da. Unter der für Sie exklusiven Servicenummer 030 586020900 erreichen Sie uns täglich von 6 bis 23 Uhr.
Freundliche Grüße nach Berlin
Ihr Team vom BahnCard 100-Service
DB Fernverkehr AG
BahnCard 100-Service
60645 Frankfurt
Telefon: 030 586020900 <169>bahncard100@bahn.de
Link
Sitz der Gesellschaft: Frankfurt am Main
Registergericht: Frankfurt am Main, HRB 83173
USt-IdNr.: DE 260656754
Vorstand: Dr. Michael Peterson (Vorsitz), Stefanie Berk, Wilken Bormann,
Martin Jende, Anja Schöllmann
Vorsitzender des Aufsichtsrates: Dr. Richard Lutz“


Soweit die bisherige Reaktion der DB Fernverkehr AG.
Wir haben im Interesse unseres Mandanten nicht die Zeit, die Prüfung der dortigen Fachabteilung noch weiter abzuwarten, an deren Stattfinden wir ohnehin nicht glauben. Denn die inzwischen abgelaufene Frist des 1.1.2024 wird die DB Fernverkehr AG nicht von sich abändern und hat es ja auch bisher nicht getan.


III. Rechtliches
Der Kläger, geboren 1953, der kein Smartphone besitzt, hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung gemäß § 21 Abs. 2 S. 3 AGG, da die Ablehnung des Abschlusses eines Kreditkartenvertrages mit dem Kläger durch die Beklagte gegen das Benachteiligungsverbot des § 1 AGG verstößt.

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Wir beziehen uns insoweit in großen Teilen auf das aktuellste Urteil zu einem vergleichbaren Sachverhalt, eine Entscheidung des Amtsgerichts Kassel, in welchem Kläger ein pensionierter Vorsitzender am Bundesarbeitsgericht war (AG Kassel, Urteil vom 7. September 2023 – 435 C 777/23 –, juris Rn. 13 – 34), welches wir deshalb vorab in Auszügen zitieren (Hervorhebungen durch den Unterzeichner):

„..
Nach der letztgenannten Vorschrift darf eine Benachteiligung wegen des Alters eine Person nicht stattfinden. Dieses Benachteiligungsverbot gilt nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG auch bezüglich zivilrechtlicher Verträge. Der in der Vorschrift genannte Tatbestand des Zugangs
zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen für die Öffentlichkeit ist jedenfalls dann erfüllt, wenn ein Unternehmer allgemein öffentlich - beispielsweise über das Internet wie hier - den Vertragsschluss anbietet
(BeckOGK/Baumgärtner, § 2 AGG Rn.
69 ff.; Münchner Kommentar zum BGB/Thüsing, § 2 AGG Rdnr. 27 ff.).

Darüber besteht zwischen den Parteien hier letztlich auch kein Streit.
Die weitere Einschränkung des §§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG, dass ein so genanntes Massengeschäft vorliegen muss, ist hier ebenfalls ohne weiteres erfüllt (mit der Folge, dass in Ansehung des wechselseitigen Parteivorbringens es hierüber keinerlei Beweisaufnahme bedarf). Ein Massengeschäft liegt dann vor, wenn es um Verträge im Bereich der Konsumgüterwirtschaft und/oder über standardisierte Dienstleistungen geht und nach der Verkehrssitte anhand einer allgemeinen, typisierenden Betrachtungsweise persönliche Merkmale typischerweise keine Rolle spielen (BGH, WM 2022, 885). Dies ist hier der Fall, weil Banken und vergleichbare Unternehmen mit jedem Kreditkartenverträge abschließen, der über eine hinreichende wirtschaftliche Solvenz verfügt. Mithin ist das scheinbar persönliche Merkmale eines gewissen Vermögens oder eines gewissen Einkommens kein solches, welches das Massengeschäft ausschließt. Denn mit dem Unterscheidungskriterium der hinreichenden wirtschaftlichen Solvenz wird nur ein vergleichsweise kleiner Teil der volljährigen (und damit rechtlich uneingeschränkt geschäftsfähigen) Bevölkerung ausgeschlossen.
Damit korrespondiert der Umstand, dass die mit einem Kreditkartenvertrag eingeräumten Darlehen nur einen sehr geringen Umfang aufweisen. Der im hiesigen Rechtsstreit genannte Betrag von 2.500,00 € für den (monatlichen) Verfügungsrahmen deutet darauf hin, dass damit eine möglichst große Vielzahl von potentiellen Vertragspartnern angesprochen werden soll. Das Gericht verkennt nicht, dass andere Unternehmen als die Beklagte auch andere Beträge für den Verfügungsrahmen mit ihren

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Kreditkarten-Kunden vereinbaren; diese bewegen sich jedoch fast ausschließlich in einer dem hier genannten Betrag vergleichbaren Größenordnung.

Weiter korrespondiert damit die allgemeine Überlegung (auf deren Grundlage unser gesamtes Wirtschaftssystem basiert), dass eine Ware oder eine Dienstleistung nur an diejenigen Personen zum Erwerb bzw. zur Inanspruchnahme angeboten werden, die auch in der Lage sind, die dafür üblichen Entgelte usw. zu entrichten. Nichts Anderes gilt für Kleinstkredite
im Rahmen eines Kreditkartenvertrages. Folglich verfahren die Unternehmen, die Kreditkartenverträge anbieten, durchweg pauschaliert und anhand typisierter Kategorien. Dem Vortrag der Beklagten lässt sich auch nichts entnehmen, was diesen Befund auch nur ansatzweise entgegenstünde.

Schließlich ist auch zu berücksichtigen - worauf der Kläger bereits und insoweit unwidersprochen hingewiesen hat -, dass andere Wirtschaftssubjekte bei Ihren Angeboten voraussetzen, dass deren Kunden über Kreditkarten verfügen. Zahlreiche Geschäfte über den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen über das Internet können oder müssen mittels Kreditkarten abgewickelt werden, Hotelbuchungen im In- und Ausland erfordern die Vorlage von Kreditkarten usw. Ein solches Geschäftsgebaren kann nur dann erfolgreich funktionieren, wenn die jeweilige Marktgegenseite tatsächlich über die Möglichkeit des Einsatzes von Kreditkarten in massenhaft hoher Anzahl verfügt. Gerade der letztgenannte Aspekt belegt die Verkehrssitte, dass jedenfalls seit Beginn des 21. Jahrhunderts die Kreditkarte zu den allgemein gängigen Bezahlungssystemen in einer massenhaften
Vielzahl von Anwendungsfällen zählt. Dies wiederum führt zu einer Verkehrssitte auf Seiten der Kreditkartenunternehmen, auch in entsprechender massenhafter Anzahl Kreditkartenverträge anzubieten.

Die von der Beklagten vorgenommene Zurückweisung des Begehrens des Klägers auf Abschluss eines Kreditkartenvertrages im Hinblick auf dessen Alter ergibt sich ohne weiteres aus der E-Mail vom 10.10.2022. Zwar ist darin im Wortlaut nur verklausuliert dieser Aspekt als ausschlaggebend für die Verweigerung eines Vertragsabschlusses genannt. Lediglich vordergründig ist die Rede davon, dass unter Berücksichtigung aller Aspekte Bezug auf das Ausfallrisiko der Beklagten die Ablehnung erfolgt sei. Tatsächlich wird jedoch als einziger Aspekt in diesem Sinne das Lebensalter bzw. das zunehmende Lebensalter genannt.

Eine sachliche Rechtfertigung für die Anwendung dieses Aspektes im Sinne des § 20 Abs. 1 S. 1 AGG liegt indes nicht vor. Das Tatbestandsmerkmal des sachlichen Grundes stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der mithin einem Beurteilungsspielraum des jeweiligen Tatrichters unterliegt, der von diesem in einem wertenden Vorgang im Einzelfall auszufüllen ist (BGH,Urteil vom 27.05.2020 – VIII ZR 401/18, zit. n. juris). In diesem

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Rahmen können die hier nicht einschlägigen Regelbeispiele des § 20 Abs. 1 S. 2 AGG herangezogen werden. In Ansehung dieser Beispiele liegt ein sachlicher Grund dann vor, wenn eine Unterscheidung einem legitimen Ziel dient und dafür erforderlich und angemessen ist, mithin als billigenswert und in Ansehung des Gleichheitsgrundsatzes nicht als willkürlich erscheint (Münchner Kommentar zum BGB/Thüsing, § 20 AGG Rdnr. 14).

Dies kann dazu führen, dass eine unterschiedliche Behandlung von Mitgliedern einer bestimmten Personengruppe beim Abschluss von Verträgen gerechtfertigt sein kann, jedoch nicht die pauschale Ablehnung des Vertragsschlusses mit allen Mitgliedern dieser Gruppe. Hierbei können wirtschaftliche Gründe und Erwägungen durchaus eine Rolle spielen. Der hier zur Entscheidung anstehende Sachverhalt zielt jedoch darauf, dass alle An-
gehörigen der (Alters-)Gruppe des Klägers vom Abschluss eines Kreditkartenvertrages ausgeschlossen werden.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass bei der wirtschaftlichen Betrachtung der unterschiedlichen Altersklassen der hiesigen Gesellschaft auch unterschiedliche Phänomene beobachtet werden können, bedeutet dies nicht automatisch, dass die Altersgruppe des Klägers schlechterdings als Kreditnehmer unzumutbar wäre.

Das erkennende Gericht verkennt dabei nicht, dass die Abwicklung von Nachlässen mitunter problematisch ist, etwa weil potentielle Erben oder an einem Erbscheinsverfahren zu beteiligende Personen erst umständlich ermittelt werden müssen. Hierbei handelt es sich aber nach der amtsgerichtlichen Erfahrung des erkennenden Gerichts nicht um den Standard,
sondern um den Ausnahmefall. Das Gericht verkennt auch nicht, dass Nachlässe überschuldet sein können mit der Folge, dass Erbausschlagungen stattfinden. Dies ist jedoch kein Problem des Alters, sondern der fehlenden Solvenz des Erblassers. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich jedoch, dass die Solvenzprüfung nicht die hier zur Entscheidung anstehende Rechtsfrage berührt. Selbst wenn man bei Ratenzahlungskreditverträgen die Laufzeit der Verträge bezüglich der Rückzahlung des gewährten Darlehens berücksichtigt (so AG München, Urteil vom 13.04.2016 – 171 C 28560/15, zit. n. juris), so gilt dies nicht für die hier zu betrachtende Fallkonstellation. Denn ein Kreditkartenvertrag entspricht seine Struktur gerade nicht einem Ratenzahlungskreditvertrag. Denn der Verfügungsrah-
men (hier 2.500,00 €) ist einem Kreditkartenvertrag so gewählt, dass er im Folgemonat wieder ausgeglichen werden kann. Mithin liegt gerade keine auf Dauer angelegte Rückzahlungsvereinbarung vor. Die Gefahr, dass ein Unternehmen wie die Beklagte zur betroffenen eines Ausnahmefalles wird wie oben erwähnt, erscheint nicht nur als quantitativ unbedeutend, sondern auch in der wirtschaftlichen Folge ohne besondere Relevanz, weil ein höherer Betrag als der Verfügungsrahmen für einen Monat nicht zum Ausfallbetrag werden kann.“

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Deswegen vermag das erkennende Gericht auch nicht der Argumentation zu folgen, dass aus dem von der Beklagten behaupteten (jedoch nicht näher substantiierten oder gar belegten) Umstand, Inkassodienstleister würden Forderungen gegen die Erben verstorbener Schuldner schlechterdings nicht aufkaufen, folge die allgemeine Erkenntnis, dass allein wegen des
Versterbens des Schuldners solche Forderung wirtschaftlich uninteressant geworden sind. Denn auch hier ist die Frage der Solvenz des jeweils verstorbenen Schuldners mit zu betrachten, weil daran die Problematiken eines überschuldeten Nachlasses und einer etwaigen Erbausschlagung geknüpft sind.

Die Beklagte hat nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass hierfür etwa Probleme bei der Erbenermittlung ausschlaggebend sind. Genauso wenig hat sie vorgetragen, dass derartige Probleme schlechterdings zum Forderungsausfall oder zu erheblichen Verzögerungen bei der Realisierung von Forderungen führen. Deswegen vermag auch der Hinweis der Beklagten, bei sonstigen Darlehensforderungen verstorbener Schuldner sei eine drei- bis viermal so hohe Ausfallquote zu verzeichnen als bei der Beitreibung von Forderungen aus Kreditkartenverträgen lebender Schuldner, nicht zu der Annahme führen, dass Alter und damit höheres Risiko des Versterbens einen sachlichen Grund für die Verweigerung von Kreditkartenverträge darstelle. Denn die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass diese höhere Quote bei verstorbenen Schuldnern die Realisierung von Forderungen aus Kreditkartenverträgen wenigstens in nennenswerter Anzahl betrifft.

Auch ein Missverhältnis zwischen Aufwand zur Realisierung der Forderung und Höhe der ausstehenden Forderung vermag das Gericht in der konkreten Fallkonstellation nicht als ausschlaggebend zu erkennen. Zwar ist bei einem Verfügungsrahmen von 2.500,00 € nicht von einer potentiellen höheren Forderung der Beklagten im Falle des Versterbens eines Kreditkartennehmers im Alter des Klägers auszugehen. Aus dem Vorbringen der Beklagten lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass der Aufwand in einem der oben genannten Ausnahmefälle so hoch ist, dass deswegen von der Realisierung der Forderung Abstand zu nehmen ist. Dem Gericht sind auch aus sonstigen Erkenntnisquellen keine hinreichenden Anhaltspunkte bekannt, die Anlass zur Annahme eines solchen Missverhältnisses bieten.

Alleine der Umstand, dass in der alltäglichen amtsgerichtlichen Praxis eine Vielzahl von Forderungen deutlich geringeren Volumens zur Entscheidung anstehen, spricht gegen ein solches Missverhältnis, da auch die Kosten für die gerichtliche Durchsetzung mitunter nicht unerheblich sind und eine Klageforderung auch übersteigen können.
Auch kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, ihre unternehmerische Freiheit berechtige sie dazu, mit Personen der Altersgruppe des Klägers keine Kreditkartenverträge abzuschließen. Zwar ist anerkannt, dass eine konkrete unternehmerische Zielsetzung dazu führen kann, dass bestimmte Altersgruppierungen vom Vertragsschluss ausgeschlossen werden (BGH,

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Urteil vom 27.05.2020 – VIII ZR 401/18, zit. n. juris). Die Fallkonstellationen, die bislang Gegenstand der Rechtsprechung waren (so bei der eben genannten Entscheidung des BGH), zeigen indes, dass das konkrete unternehmerische Angebot aus sich heraus bereits auf die Unterscheidung nach dem Lebensalter der potentiellen Vertragspartner zielt. Ist die Zielgruppebeines unternehmerischen Angebotes gerade auf das Lebensalter ausgerichtet, heißt dies zwingend, dass Angehörige anderer Altersgruppierungen eben nicht Zielgruppe des Angebotes sind. Bei Kreditkartenverträgen ist dies jedoch nicht so. Denn Kreditkarten werden im Geschäftsverkehr als Bezahlungsmittel unabhängig vom Alter des Kreditkartennehmers eingesetzt bzw. gefordert. Maßgeblich sind hier vielmehr andere ökonomische Kriterien wie Vertragsabschluss über ein Internetportal oder Absicherung der Forderung eines Hoteliers zwischen Vertragsschluss und deren Fälligkeit nach Erbringung aller Dienstleistung des Hotelbetriebs.
Schließlich hat die Beklagte selbst keinen Vortrag dazu gehalten, dass sie Kreditkartennehmer in der Altersgruppe des Klägers schlechterdings nicht duldet. Der Kläger war potentieller Neukunde. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie die Bestandskunden ab Erreichen einer bestimmten Altersgrenze generell hinauskündigt. Die von der Beklagten behauptete Risikolage betrifft jedoch Bestandskunden wie Neukunden
gleichermaßen. Der vom Kläger begehrte Entschädigungsbetrag i. H. v. 3.000,00 € ist angemessen.

Eine Entschädigung nach § 21 Abs. 2 S. 3 AGG kann unter Heranziehung der Grundsätze der Geldentschädigung bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts konkretisiert wer-
den; mithin können die Genugtuung des Betroffenen, die Intensität der Rechtsverletzung und auch der Präventionsgedanken als Bemessungsfaktor herangezogen werden, was dazu führt, dass die Entschädigung umso höher ausfällt, je unmittelbarer die Diskriminierung sich auswirkt (Münchner Kommentar zum BGB/Thüsing, § 21 AGG Rdnr. 57 m.w.N.). Schließlich ist auch der Abschreckungszweck einer solchen Entschädigung zu berücksichtigen (OLG Frankfurt NJW-RR 2022, 1254).
Weiterhin bedarf es einer schwerwiegenden Verletzung, die nicht anderweitig ausgeglichen werden kann (Münchner Kommentar zum BGB/Thüsing, § 21 AGG Rdnr. 55 f.).

Vor diesem Hintergrund sind folgende Aspekte für die Höhe des Entschädigungsanspruches - der Kläger macht keinen konkreten Vermögensschaden geltend – maßgeblich:
Eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt vor. Der Kläger gehört auch im Ruhestand zu einer Gruppierung weit überdurchschnittlichen monatlichen Einkommens. Unbestritten beträgt seine monatliche Pension mehr als 6.400,00 €. Als ehemalige Richter im Bundesdienst ist ihm ein besonders hohes soziales Renommee

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zuzusprechen. Die Verweigerung eines Kreditkartenvertrages mit vergleichsweise geringem Kreditvolumen (Verfügungsrahmen 2.500,00 €) durch die Beklagte stellt damit einen aus wirtschaftlichen Gründen zu rechtfertigenden erheblichen Affront gegen dieses soziale Renommee dar.
Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass – wie bereits oben dargestellt – in zunehmendem Umfang der Einsatz von Kreditkarten als Bezahlungsmittel oder Sicherungsmittel im allgemeinen alltäglichen Geschäftsverkehr stattfindet und erforderlich wird. Die Verweigerung eines Kreditkartenvertrages führt deswegen auch zu Einschränkungen in der alltäglichen Lebensführung, weil ein gängiges Bezahlmittel etwa für den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen im Internet ausfällt und damit eine derartige Betätigung erschwert wird.
Eine anderweitige Kompensation dieses Nachteils ist weder erkennbar noch von der Beklagten aufgezeigt.
Der Kläger ist unmittelbar betroffen, er ist Adressat des den Vertragsschluss ablehnenden Schreibens (E-Mail vom 10.10.2022).
Die Breitenwirkung des Vorgehens der Beklagten ist erheblich. Wie oben bereits aufgezeigt, handelt es sich um ein Massengeschäft. Aufgrund der allgemein gestiegenen Lebenserwartung erreichen immer mehr Mitglieder der bundesdeutschen Gesellschaft die Altersgruppe des Klägers, die beständig sowohl absolut als auch im Verhältnis zur restlichen Bevölkerung
wächst. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass ein zu geringer Entschädigungsbetrag angesichts des zu unterstellenden Geschäftsvolumens einer Bank bzw. eines Kreditkartenunternehmens wie der Beklagten keine auch nur im Ansatz abschreckende Wirkung erzeugen würde, weil sie darin regelrecht unterginge.
Mithin ist der geforderte Betrag i. H. v. 3.000,00 € angemessen aber auch
ausreichend, um das Entschädigungsbegehren des Klägers zu befriedigen.“


Soweit diese Entscheidung des Amtsgerichts Kassel, auf die wir uns in wesentlichen Teilen berufen, auch wenn es punktuelle Abweichungen zum hier vorliegenden Sachverhalt gibt. Aber auch hier geht es – unabhängig vom altersunabhängigen einseitigen Eingriff in ein bestehendes Vertragsverhältnis – um den Ausschluss eines großen Teils gerade der älteren Generation in ein bestehendes Vertragsverhältnis. Dass dieses Vertragsverhältnis auf ein volles Jahr, das noch lange nicht abgelaufen ist, bezogen ist, ergibt sich aus der Anlage 2, die, wie Anlage 1, auch über beA beigefügt ist.

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Im Übrigen weisen wir abschließend in Bezug auf die besondere Betroffenheit der älteren Generation auf die wissenschaftsbasierten veröffentlichten Informationen bzgl. ca. 7 Mio. sog. „Offliner“ hin: Link
chungen/2022/Ergebnisbericht_Leben_ohne_Internet_gehts_noch.pdf
Die Verbraucherzentrale NRW hat in ihrer diesbezüglichen Kritik (Link
litaet/bahncard-kuenftig-nur-noch-digital-90538) Folgendes formuliert:

„Kritik: Ein gewisser Kundenkreis wird ausgegrenzt
Dass die Nutzung der BahnCard künftig nur noch digital möglich ist anstelle einer Option, grenzt in Zukunft einen Kreis von Verbraucher:innen aus. Wer zum Beispiel kein Smartphone hat, kann zukünftig auch das Angebot der BahnCard nicht mehr nutzen. Auch mit Smartphone sollten Sie einiges beachten, um nicht aus Versehen ohne BahnCard unterwegs zu
sein:
Kann die digitale BahnCard ohne E-Mail-Adresse oder Handy genutzt werden?
Nein. Um die digitale BahnCard nutzen zu können, ist die Erstellung eines Kundenkontos bei der Deutschen Bahn unumgänglich, für das Sie sich mit einer vorhandenen und gültigen E-Mail-Adresse registrieren müssen.
Sollten Sie bereits eine physische Bahncard haben, kann mithilfe der BahnCard-Nummer auch ein Kundenkonto zugeordnet werden. Besitzen Sie bereits ein Kundenkonto, können Sie die BahnCard auch nachträglich dort hinzufügen.
Um die Bahncard vorzeigen zu können, muss diese in der App DB Navigator geladen werden. Folglich ist ebenso ein Smartphone notwendig, um die digitale Bahncard nutzen zu können. Bei der BahnCard 100 ist dies aktuell noch nicht möglich.“


Weiterer Tatsachen- und Rechtsvortrag bzw. ggfls. auch ein Antrag auf einstweilige Verfügung werden erfolgen, sobald das Gericht zugestellt und der Beklagte sich geäußert hat. Die Beklagte droht momentan jedem, der das digitale Ticket nicht bei sich führt, ein erhöhtes Beförderungsentgelt an, das nach hiesiger Kenntnis auch schon eingefordert wird.

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Das Bundesverkehrsministerium, das via Eisenbahnbundesamt eine Rechtsaufsicht über die Beklagte führt, werden wir informieren. Bei ihm ist bereits ein entsprechender IFG-Antrag anhängig.
Informell werden wir die Beklagte, da sie noch nicht anwaltlich vertreten ist, über diese Klage informieren.
Wir bitten um schnellstmögliche Anforderung des obligatorischen Gerichtskostenvorschusses vorzugsweise per beA über unsere Kanzlei, um dem Verfahren seinen schnellen Fortgang zu geben. Wir sind durch die Verzögerungstaktik der Beklagten (angebliche Prüfung durch die Fachabteilung) in die Gefahr der Zeitnot geraten. Der Mandant und Unterzeichner will nicht bei jeder Fahrt mit der Deutschen Bahn ein erhöhtes Beförderungsentgelt zahlen müssen.
...




Erstveröffentlichung auf dieser Webseite: 6.3.2024

Quelle: Klageschrift gegen die Deutsche Bahn wg. digitaler Bahncard + Zwang zum Handy