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Spazierengehen im 4000-Seelendorf?

Foto: H. Jeromin

05.02.2022 - von Hartmut Jeromin

Bürgerkrieg in Kreischa, das gab es lange Zeit nicht - aber nun doch! Zwischen Pfarrhaus und Schaufenster, zentral im Dorf. Da hat jemand jeweils sichtbar kundgetan, was ihm auf der Seele brennt! Ich hin und gelesen und abgelichtet, auf dem Nachhauseweg dann überall die kleinen neofaschistischen Aufkleber, da half nur die Brille und zu Hause dann im Briefkasten so ein orangener Zettel mit viel Text. „An alle…“, beinahe wie Lenin! Gefragt wird, ob ich wüsste… dass eine unserer Arztpraxen eventuell schließen muss, ob ich weiter ungeimpft bleiben möchte, dass das Nebenwirkungsrisiko… was wollen die eigentlich? Ach so, ich soll mich einem Protest im Dunklen anschließen. Und/ oder mich wenigstens informieren…

Habe ich getan (in einem Archiv in Allenstein): Meine Großmutter hatte in Ostpreußen 11 Kinder, davon starben sieben (!) bald , nur vier wurden groß, eines davon dann mein Vater. Woran wohl? Wenn sie die Wahl gehabt hätte, impfen oder nicht impfen? So ganz gerne wird sie jedes Mal nicht zum Friedhof gegangen sein!

Das Übliche war Jahrhunderte lang das Aussterben ganzer Bevölkerungen und mühseliger Wiederansiedlungen! Mein Vater hatte dann nur noch acht Kinder, sie haben sogar Krieg und Nachkrieg überlebt, sie leben alle noch. Spaß hatte mir das Impfen in den Schulen und Arztpraxen nie gemacht, aber es musste sein und hat was gebracht! Soweit die Informationen aus dem Leben! Ach ja, zu spät für euch, ich bin 2x geimpft und hatte trotzdem Corona, ganz leicht und schnell vorbei. Meine Hausärztin hat mitgespielt, danke! Infiziert bei jungen Leuten auf einer Geburtstagsfeier, ich hätte schlauer sein müssen. Wegen der Regeln.

Was soll also der Aufruf: „Omas und Opas gegen Impfzwang von Kindern / Hände weg von unseren Enkeln“? Wie es da am Schaufenster zu lesen steht. Da ist der Text des Friedensliedes von B.B.* am Zaun des Pfarrhauses angemessener. Könnte ich sogar singen!
Dann fand ich am Altkleidercontainer der Volkssolidarität noch den Hinweis: …miteinander- füreinander - sozial denken… hier keinen Müll entsorgen. Das alles in der gleichen Stunde, auf dem gleichen Rundgang! Bisschen viel für ein 4000-Seelendorf!

Mein Vater konterte manche meiner Fragen mit „Papier ist geduldig“, ich ergänze aus Erfahrung: Das Internet auch!

Also: Ich setze voraus, dass unsere zuständigen Politiker nach bestem Wissen verantwortlich handeln, getreu ihrem Amtseid. Auch, dass sie gut beraten werden. Auch, dass sie durchaus auch irren können. Auch ich habe ja Fragen. Aber was helfen all diese „Querdenkerparolen“ gegen die Pandemie? Sie wird ihnen was husten. Viren haben nun mal eigene Gesetze! Was also soll`s? Irgendjemand will doch absahnen, einen Reibach machen!

Einige Beispiele gefällig aus jüngerer Vergangenheit? Wie war das mit der F.Petry? Das Grinsen einer A.Weidel sagt doch auch schon eine Menge, manch ein „Volksvertreter“ hat schon ausgesorgt!

Es hilft nur Hygiene, wozu gibt es ein Museum dazu in Dresden? Es half ehedem Robert Koch und andere, auch das Arzneimittelwerk in Dresden hilft u.U. Vielleicht ist Impfen ja auch nicht alles, aber man muss es versucht haben. Danach sind wir schlauer. Aber hier wollen etliche schon vorher alles wissen. Und ihr Auftreten hat was von… das gab es doch schon früher, mit Parolen durch die Straßen ziehen, Andersdenkende anrempeln, hinterrücks verdreschen, niederbrüllen, seinen Willen gewaltsam durchsetzen wollen…

Tut mir leid, „liebe Leute“, da ist der Wurm drin! 1989 war etwas ganz anderes, missbraucht dieses Angedenken nicht! Da ging es um höhere Beträge. Nicht um die der kleinkarierten Möchtegerns!

Also was nun? Gehe ich mit, bleibe ich zu Hause? Ich habe genug gesehen, da wird Hass gesät. Ein „Gegner“ gesucht oder erfunden. Es gibt wichtigere Dinge zu tun. Man könnte in Pflegeheimen helfen, in Intensivstationen, in der Rehaklinik. Sogar in der Schule. Überall, wo Not ist. Senioren können so viel. Wer aber den Leerlauf bevorzugt, der darf. Er muss es aber auch verantworten können. Und da hat seine Zweifel Hartmut Jeromin im Winter 2022.

*
Friede auf unserer Erde!
Friede auf unserem Feld,
daß es auch immer gehöre
dem, der es gut bestellt.

Friede in unserem Lande!
Friede in unserer Stadt,
daß sie den gut behause,
der sie gebauet hat.

Friede in unserem Hause!
Friede im Haus nebenan!
Friede dem friedlichen Nachbarn,
daß Jedes gedeihen kann.

Friede dem Roten Platze
und dem Lincoln-Monument!
Und dem Brandenburger Tore
und der Fahne, die drauf brennt!

Friede den Kindern Koreas
und den Kumpels an Neiße und Ruhr!
Friede den New-Yorker Schoffören,
und den Kulis von Singapore!

Friede den deutschen Bauern
und den Bauern im großen Banat!
Friede den guten Gelehrten
eurer Stadt Leningrad!

Friede der Frau und dem Manne!
Friede dem Greis und dem Kind!
Friede der See und dem Lande!
Daß sie uns günstig sind.

Text: Bertolt Brecht (nach Pablo Neruda)
Musik: Hanns Eisler
Schallplattenaufnahmen: 1976/78 (Aurora 8 15 101)

Link: Dem Volk auf Maul schauen
Quelle: Hartmut Jeromin