Foto: H.S.
06.01.2024 - von P.S. Franken
Herr S. ärgert sich. Seine Mutter im Pflegeheim erhält weniger Taschengeld als ein
Asylbewohner. Wie kann das ein? Er beginnt zu recherchieren und wendet sich u.a. an das Büro gegen Altersdiskriminierung.
14.12.2023
Sehr geehrte Frau Schweitzer,
Nachdem meine Mutter ins Pflegeheim kam und die eigenen Mittel für den Aufenthalt nicht ausgereicht haben, musste Hilfe zur Pflege beantragt werden. Die wurde letztendlich auch gewährt - und Alles was über das sogenannte "Schonvermögen" hinaus ging, wurde und wird einbehalten. Immerhin bekommt meine Mutter nun ein monatliches "Taschengeld" bewilligt.
Zufällig bin ich darauf gestoßen, dass auch Asylbewerber bei Unterbringung mit Vollverpflegung (also wie im Pflegeheim) ein monatliches Taschengeld zusteht. Sogar vom Bundesverfassungsgericht in der Höhe festgelegt.
Was mir daran aufstößt ist, dass jedem Asylbewerber ein deutlich höheres "Taschengeld" zusteht als einer Person im Pflegeheim.
Kann es sein, dass aufgrund unterschiedlicher Gesetze (einmal AsylbewLG, einmal SGB) ein - an und für sich - gleicher Tatbestand unterschiedlich gehandhabt wird ? So jedenfalls verstehe ich die etwas vage Auskunft, die ich vom vdk Deutschland auf diese Frage erhalten habe. Oder kennen Sie (nachvollziehbare) Gründe, weshalb hier ein Unterschied zu machen ist ? Eigentlich dachte ich, das Art. 3 Grundgesetz auch für Heimbewohner gilt.
Mit freundlichen Grüßen
P.S., Erlangen
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18.12.2023
Sehr geehrter Herr S.
danke für Ihre Anfrage.
Die Festsetzung der Höhe von Taschengeld für Altenheimbewohner, Asylbewerber aber auch für Jugendliche in der Öffentlichen Erziehung oder Gefangene wird durch jeweils andere Gesetze/Verordnungen geregelt.
- Jugendliche in Niedersachsen: Die Taschengeldhöhe richtet sich nach dem Lebensalter. Der Höchstsatz ist zur Zeit 136 Euro im Monat für junge Erwachsene die volljährig geworden sind. Link Gesetzliche Grundlage sind Landesgesetze.
- Asylbewerber die volljährig sind, haben rechtlichen Anspruch auf ein Taschengeld zur Deckung des "notwendigen persönlichen Bedarfs". Die Höhe richtet sich nach Lebenssituation und Alter. Ein alleinstehender Erwachsener erhält derzeit 182 Euro pro Monat. Link Die gesetzliche Grundlage ist das Asylbewerberleistungsgesetz, das beschließt der Bundestag. Link
- Altenheimbewohner, die die Heimkosten nicht selbst zahlen können, erhalten einen sogenannten „Barbetrag“ oder früher „Taschengeld“, welcher zusätzlich zur Sozialhilfe gezahlt wird. Der Regelbedarf wird gemäß § 28 SGB XII als Ergebnis bundesweiter Einkommens- und Verbrauchsstichproben ermittelt. Von wem das ermittelt wird, konnte ich nicht herausfinden. Seit Januar 2023 beträgt der Barbetrag 135,54 €. Unter bestimmten engen Voraussetzungen ist eine Erhöhung möglich. Link
- Strafgefangene erhalten nach § 46 StVollzG ein angemessenes Taschengeld, wenn sie ohne eigenes Verschulden kein Arbeitsentgelt und keine Ausbildungsbeihilfe erhalten. Aus der Vorschrift allein ergibt sich jedoch noch nicht die Höhe des Taschengeldbetrags. Diese wird festgelegt durch die bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift der Bundesländer zu § 46 StVollzG. Danach beträgt das Taschengeld 14 % des Arbeitsentgelts eines Häftlings. Davon abgezogen werden das Eigen- und Hausgeld. Ich denke, viel kommt dabei nicht raus. Ca. 30 Euro vielleicht? Link
Vielleicht wenden Sie sich mit Ihrer Frage nach der unterschiedlichen Höhe des Taschengelds an die Bundestagsabgeordneten in Ihrem Wahlkreis?? Oder an die BIVA, Interessenvertretung der Angehörigen von Heimbewohnern? Vielleicht wissen die mehr?
Mit freundlichen Grüßen
Hanne Schweitzer, Büro gegen Altersdiskriminierung, Köln
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19.12.2023
Sehr geehrte Frau Schweitzer,
Der Hinweis auf unterschiedliche Gesetzesgrundlagen kam auch schon vom vdk. Ich verstehe trotzdem nicht, weshalb Erwachsene im SGB anders behandelt werden als nach dem AsylbewLG. Bei Strafgefangenen sehe ich noch einen Grund, und bei Jugendlichen schon allein wegen des Lebensalters auch (wobei interessant wäre, ob hier das Jugendschutzgesetz andere Sätze als das AsylbewLG vorsieht).
Ich vermisse einfach eine Auflistung, wie der Gesetzgeber den "notwendigen persönlichen Bedarf" berechnet. Ist dieser notwendige persönliche Bedarf im Heim anders geartet als bei Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft mit Vollverpflegung ?
Danke und Grüße aus Franken (in Bayern ganz oben)
P.S.
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27.1.2024
Sehr geehrte Frau Schweitzer,
mit meiner Recherche in den Gesetzen und Verwaltungsvorschriften bin ich etwas weiter gekommen:
Für Heimbewohner gilt: Der "notwendige persönliche Bedarf" eines Heimbewohners beträgt 27 % der Regelbedarfstufe 1, also ab 1.1.2024 27 % von EURO 563 (vgl. Anlage zu § 28 SGB XII).
Für Asylbewerber gilt: "Die Berechnung der Leistungssätze des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) orientiert sich an den Sozialhilfe-Sätzen des Sozialgesetzbuchs XII (SGB XII), die im Bürgergeld-Gesetz neu festgelegt wurden. Für die Neuberechung der Sätze wurde zum Jahr 2023 eine neue Methode verwendet, bei der die sogenannte Basisfortschreibung mit einer "ergänzenden Fortschreibung" kombiniert wird (§ 28a SGB XII).
Die Basisfortschreibung berücksichtigt neben der Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen auch die Entwicklung der Löhne- und Gehälter (Mischindex). Die ergänzende Fortschreibung bezieht zusätzlich die aktuellsten verfügbaren Daten über die Preisentwicklung ein (Vergleich der Daten des 2. Quartals des Vorjahres gegenüber dem 2. Quartal des Vorvorjahres). Somit soll eine bessere Reaktion auf steigende Preise ermöglicht werden." (Quelle: Informationsverbund Asyl & Migration - Detail)
Der "notwendige persönliche Bedarf" wird also vom Gesetzgeber unterschiedlich berechnet: für Heimbewohner pauschal, für Asylbewerber nach einer Methode, die "eine bessere Reaktion auf steigende Preise ermöglicht".
Ich sehe keinen Grund, weshalb - trotz vergleichbarer Lebensumstände - für den notwendigen persönlichen Bedarf eines Heimbewohners nicht die gleiche Berechnungsmethode anzuwenden ist. Zumal in beiden Fällen der Gesetzgeber auf die gleiche Rechtsvorschrift verweist.
Zur Info zitiere ich die kurze Antwort der BIVA auf meine Frage: "Da wir im Bereich Heim- und Pflegerecht beraten, können wir Ihnen leider nicht beantworten, warum der Gesetzgeber bestimmte Entscheidungen im Asylrecht getroffen hat, die teilweise bereits einige Jahre alt sind."
Diese Antwort lässt mich darauf schließen, dass die BIVA (lt. Eigenwerbung "Interessenvertretung bei Pflege und Betreuung") kein Interesse daran hat, etwas aktiv für Heimbewohner zu bewirken.
Meine Frage habe ich parallel an unsere beiden Bundestagsabgeordneten geschickt. Etwaige Antworten stehen noch aus.
Grüsse und ein gesundes Neues Jahr
P.S., Erlangen
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Fortsetzung folgt ...
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