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Freie Ärzteschaft fordert Kurswechsel bei MVZ-Politik

14.04.2022 - von Freie Ärzteschaft

Medizinische Versorgungszentren (MVZs) in Investorenhand rechnen laut einer neuen IGES-Studie systematisch höhere Honorare ab. Die Freie Ärzteschaft (FÄ) kritisiert diese negative Entwicklung scharf. "Seit 2007 Jahren haben wir auf diese Fehlentwicklung hingewiesen, leider hat sie sich bis heute fast völlig unter dem Radar der Öffentlichkeit befunden. Nun aber zeigt sich ganz deutlich, was die Folge der Gesetzesänderungen der vergangenen 20 Jahre ist: Versichertenbeiträge, egal ob gesetzlich oder privat, fließen milliardenschwer in die Taschen von internationalen Anlegern", sagt Dr. Silke Lüder, Vizevorsitzende der Freien Ärzteschaft, am Freitag in Hamburg. "Dabei hat Private Equity Kapital aus unserer Sicht nur eine Aufgabe: Medizinstrukturen zu kaufen und nach durchschnittlich vier bis fünf Jahren mit Gewinn weiter zu verkaufen."

Angestellte Ärzte werden dadurch in eine Doppelrolle gezwängt. Einerseits sollen sie die Profitmaximierung ihres Arbeitgebers unterstützen, andererseits sind sie laut ihrer Berufsordnung verpflichtet, die Interessen ihrer Patienten zu wahren. Die FÄ sieht die hohe intrinsische Motivation von Ärzten in Gefahr, ihre Patienten bestmöglich zu versorgen. "Unabhängige, medizinische Entscheidungen sind angesichts des enormen Renditedrucks kaum mehr möglich", so Lüder. Gleichzeitig wird immer klarer, dass die Investoren-MVZs keineswegs Probleme lösen und eine ausgemergelte ambulante Versorgung in ländlichen Gebieten verbessern. Im Gegenteil, die meisten Menschen wohnen in Deutschland in ländlichen Gebieten, die Investoren-MVZs konzentrieren sich in den Metropolen.

"Wir fordern von der Berliner Politik einen zügigen und entschiedenen Kurswechsel zum Schutz von Patientensicherheit und Qualität der Medizin in Deutschland. Notwendig ist eine MVZ-Reform, die den Zugriff der Heuschrecken auf die Arztpraxen verhindert", sagt Lüder. Dazu braucht es unter anderem maximale Transparenz über die Eigentums- und Besitzverhältnisse der MVZs. "Alle Praxissitze, die einmal von einem Private Equity Fonds gekauft worden sind, sind für immer für eine selbstständige Tätigkeit von jungen Ärztinnen und Ärzten verloren". Zudem fordert die FÄ, dass bei der Zulassung die Bevorzugung von Investoren gegenüber Ärztinnen und Ärzten gestoppt und eine wettbewerbsfeindliche Anbieterdominanz verhindert wird. "Nur eindeutige, gesetzlich definierte Strukturvorgaben können einen weiteren Schaden für die medizinische Versorgung in unserem Land verhindern."

Seit Jahren haben internationale Finanzinvestoren die deutsche Gesundheitswirtschaft als äußerst attraktiven Markt entdeckt. Mit dem Ziel maximaler Renditen werden immer mehr Bereiche der ambulanten Medizin aufgekauft. Es ist inzwischen möglich, dass ein Finanzfonds ein kleines, nicht mehr rentables Krankenhaus kauft. Anschließend darf gemäß Zulassungsbestimmungen weit entfernt in einer Metropole in MVZs investiert werden, die innerhalb der Honorarordnung möglichst hohe Gewinne versprechen: etwa durch radiologische Untersuchungen, Operationen oder spezielle Zahnarztbehandlungen. "Diese Investoren-MVZs werden von der Politik systematisch gegenüber den niedergelassenen Ärzten bevorzugt. Inzwischen haben sich ganze Ketten gebildet, die McDonaldisierung der ambulanten Medizin hat längst begonnen", beklagt FÄ-Vorsitzender Wieland Dietrich.

Quelle: PM, 8.4.22, Freie Ärzteschaft e.V.