26.01.2023 - von vdää*
Der Verein demokratischer Ärzt*innen (vdää*) lehnt die Ausweitung der gezielten Abwerbung von Gesundheitsfachkräften aus dem Ausland ab (1). Zur Überwindung des Fachkräftemangels im Gesundheitsbereich fordert der vdää* eine verbindliche und auskömmliche Personalbemessung und die vollständige Überwindung des Fallpauschalensystems durch ein Finanzierungssystem, das auf Selbstkostendeckung beruht und Gewinnerwirtschaftung ausschließt.
Das Problem des Personalmangels in den Kliniken hat sich in den letzten Jahren enorm verschärft. Die Zustände, die wir heute in deutschen Krankenhäusern vorfinden, sind kein Zufall und auch kein notwendiges Schicksal einer alternden Gesellschaft. Die Finanzierung der Krankenhäuser durch DRGs und der marktvermittelte Wettbewerb zwischen den Kliniken haben zu Arbeitsbedingungen geführt, die insbesondere Pflegekräfte zum massenhaften Ausstieg aus dem Job treiben. Dabei zeigen Umfragen, dass viele bereit wären, wieder zurückzukehren, wenn sich die Bedingungen wieder verbesserten. (2) Dies kann nachhaltig nur durch eine auskömmliche und bedarfsgerechte Finanzierung und Personalbemessung erreicht werden. Karen Spannenkrebs, Referentin des vdää* für Gesundheitsfachkräfteabwerbung, fordert: „Ziel muss es sein, die Arbeit in Gesundheitsberufen in Deutschland so zu gestalten, dass kein Bedarf mehr an grenzüberschreitender Anwerbung von Gesundheitsfachkräften besteht.“
Wenn heute gefordert wird, den Fachkräftemangel durch verstärkte Rekrutierungen aus dem Ausland zu lösen, so bleiben die eigentlichen Probleme davon unberührt. Die Rekrutierung von ausländischen Fachkräften kann ganz im Gegenteil die momentanen Zustände sogar noch stützen. Die von Gesundheitsminister Lauterbach angekündigte „Revolution“ der Krankenhausfinanzierung bleibt weit hinter dem hierfür Notwendigen zurück. Die Abschaffung der DRGs, wie sie der vdää* seit Jahren fordert, wurde zwar groß angekündigt, bleibt jedoch aus. „Zusammen mit Kolleg*innen aller Berufsgruppen stehen wir für ein Finanzierungssystem ein, das auf Selbstkostendeckung beruht und Gewinnerwirtschaftung ausschließt“, so Karen Spannenkrebs weiter.
Statt einer konsequenten Umgestaltung der Pflege- und Gesundheitsversorgung, setzt Deutschland seit etwa zehn Jahren nun auch im Gesundheitssystem auf private und staatliche Abwerbung aus Ländern, in denen die Arbeitsbedingungen für Pflegefachkräfte und Ärzt*innen noch miserabler sind, sodass eine Arbeitsmigration attraktiv erscheint. Damit verschärft sich die global ungleiche Verteilung der Gesundheitsfachkräfte weiter. „Die Vorstellung, statt einer nachhaltigen Problemlösung Gesundheitsfachkräfte einfach importieren zu können, zeugt geradezu von einer kolonialen Arroganz und Weltanschauung, in der Menschen aus ärmeren Ländern wie Rohstoffe betrachtet werden, über die, je nach Bedarf der Bundesrepublik, verfügt werden kann“, kritisiert Spannenkrebs.
Migration ist ein Recht, für das wir eintreten. Die gezielte Abwerbung von Gesundheitsarbeiter*innen aus Ländern mit geringeren Verdienstmöglichkeiten verschärft jedoch dort den Fachkräftemangel und stellt damit eine Gefahr für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung dar, egal, ob die Rekrutierung staatlich oder durch private Agenturen stattfindet. Deshalb lehnt der vdää* die aktive Rekrutierung von Gesundheitsfachkräften ab.
Felix Ahls, Co-Vorsitzender des Vereins demokratischer Ärztinnen und Ärzte vdää*
1) Wie Deutschland zu mehr Pflegekräften kommen soll, Süddeutsche Zeitung 18.01.2023
2) Jenny Auffenberg u.a.: „Ich pflege wieder wenn...“ – Potenzialanalyse der Arbeitnehmerkammer Bremen, S. 113
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