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Europa-Rat tadelt die Bundesregierung - Ungleichheit, Armut, Wohnungsnot, Rechtlosigkeit von Kindern + Behinderten

Foto: H.S.

26.03.2024 - von Europarat, Hanne Schweitzer

Als Vorbild taugt sie nicht, die Bundesrepublik Deutschland. Die Menschenrechtskommissarin des Europarats verweist die Sonntagsreden der PolitikerInnen von rot, grün und gelb ins Land der Märchen. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Unübersehbar sind in den letzten Jahren die Missstände in diesem Land geworden. Einige zählt die für Menschenrechte zuständige Kommissarin des Europarats in ihrem Bericht auf.

- Armut von Kindern, Älteren und Menschen mit Behinderungen

- Zu wenig bezahlbarer Wohnraum, nicht einmal ein Aktionsplan zur Überwindung von Obdachlosigkeit wurde verabschiedet

- Rechtlosigkeit von Kindern und Jugendlichen

- nur geringe Fortschritte bei den Rechten von Behinderten und bei der Barrierefreiheit

- Gleichstellung ist kein Thema.

- Zeitplan für ein neues Antidiskriminierungsgesetz fehlt.

- Befugnisse des Menschenrechtsinstituts und der Antidiskriminierungsstelle haben kein europäisches Niveau.

- Das allgemeine Bewusstsein für Menschenrechte ist niedrig.
H.S.


Die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovi, veröffentlichte am 19.3.2024 den Bericht über ihren Besuch in Deutschland vom 27. November bis 1. Dezember 2023 mit Empfehlungen zu den verfügbaren Strukturen und rechtlichen Rahmenbedingungen für den Schutz von Menschenrechten und zum Zugang zu sozialen Rechten, insbesondere dem Schutz vor Armut und dem Recht auf angemessenen Wohnraum.

Die Regierung hat begrüßenswerte Schritte unternommen, um das Sozialsystem zugänglicher zu machen und soziale Sicherungsleistungen anzuheben. Es sind jedoch weitere Anstrengungen erforderlich, um gegen die wachsende Ungleichheit in Deutschland anzugehen, bestehende Hürden beim Zugang zu sozialen Rechten zu beseitigen und die negativen Langzeitfolgen von Armut auf die individuelle Gesundheit, Bildung und Beschäftigungsaussichten zu minimieren.

"In diesem Zusammenhang muss der Bekämpfung der hohen Armutsquoten, insbesondere bei Kindern, älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen, besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Alle relevanten Akteure sollten auf zwischenbehördlicher und interministerieller Ebene zusammenarbeiten, um den Zugang zu sozialen Rechten zu verbessern, und die Rechteinhaber sollten frühzeitig über ihre Ansprüche informiert und beraten werden", so die Kommissarin.

Die Kommissarin hält auch dringende Schritte für erforderlich, um das akute Defizit an bezahlbarem Wohnraum, insbesondere in den städtischen Zentren, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen, einschließlich geeigneter Eingriffe in den Wohnungsmarkt.
"Umfassende und langfristige Maßnahmen, inklusive durch entsprechende Änderungen des Mietrechts, sind erforderlich, um Obdachlosigkeit zu verhindern und zu beseitigen, , insbesondere unter Kindern, Jugendlichen, älteren Menschen und anderen gefährdeten Gruppen", betont sie und ruft die Behörden auf, eine auf den Menschenrechten basierende Wohnungsstrategie zu entwickeln und den Nationalen Aktionsplan zur Überwindung von Obdachlosigkeit ohne weitere Verzögerung zu verabschieden.

Die Regierung hat sich zu einer Stärkung der Kinderrechte im Rahmen der Rechtsordnung verpflichtet, aber es wurden bisher nur wenige Fortschritte erzielt, um sicherzustellen, dass die zuständigen Behörden und Verwaltungseinheiten ihre Verpflichtung kennen, das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen.
"Es gibt keine zentrale Behörde, die die Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Kinderrechte auf allen Ebenen und in allen Ressorts wirksam koordinieren könnte. Infolgedessen werden die Rechte und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen bei relevanten politischen Entscheidungen häufig übersehen, wie etwa während der Pandemie".

Fortschritte in Hinblick auf die Rechte von Menschen mit Behinderungen sind insgesamt gering und Barrierefreiheit ist in vielen Lebensbereichen nicht gegeben. Unzureichendes politisches Engagement und der dauerhafte Widerstand bei den gut finanzierten ausgrenzenden Strukturen, einschließlich Förderschulen, Behindertenwerkstätten und Wohnheime für Personen mit Behinderungen, erschweren nach wie vor die Verwirklichung eines unabhängigen Lebens in der Gemeinschaft für Menschen mit Behinderungen.
"Die Behörden sollten in integrative Strukturen investieren und den Übergang von getrennten Lebensstilen zu Inklusion in qualitativ hochwertigen Mainstream-Einrichtungen beschleunigen", so die Kommissarin.

Ungeachtet der wachsenden Anzahl der gemeldeten Fälle von Diskriminierung scheinen der Förderung der vollumfänglichen und wirksamen Gleichstellung in allen Bereichen nicht genügend politische Aufmerksamkeit und Ressourcen gewidmet zu werden.
"Ich begrüße es, dass die Regierung sich verpflichtet hat, die Wirksamkeit des Gleichstellungsgesetzes zu verbessern, das weithin als unzureichend betrachtet wird, aber es wurde noch kein Zeitplan erstellt. Besondere Aufmerksamkeit sollte der wachsenden Fremdenfeindlichkeit und dem Rassismus gewidmet werden, die das Potenzial haben, den sozialen Zusammenhalt zu untergraben und demokratische Institutionen zu destabilisieren", betont sie.
Die Kommissarin begrüßt die Aufstockung der Mittel für das nationale Menschenrechtsinstitut und die Bemühungen zur Stärkung der Unabhängigkeit der nationalen Gleichstellungsbehörde, stellt jedoch fest, dass beide geringere Befugnisse haben als vergleichbare andere Strukturen in Europa und dass das Bewusstsein für Menschenrechte allgemein niedrig ist. Die Behörden sollten die Reform des Gleichstellungsgesetzes beschleunigen und umfassende Sensibilisierungs- und Schulungsmaßnahmen zu den geltenden Normen durchführen.

Quelle: 19.3.2024 Pressemitteilung https://www.coe.int/de/web/portal/-/germany-follow-through-with-human-rights-commitments-and-improve-access-to-social-rights