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Deutsches Institut für Menschenrechte - Ältere kommen nicht vor

Foto: H.S.

Vereinte Nationen - 17.04.2024 - von UN, DIM, Hanne Schweitzer

In regelmäßigen Abständen rufen die Vereinten Nationen Delegationen aus der ganzen Welt dazu auf, sich die Einhaltung der Menschenrechte in den UN-Mitgliedstaaten anzuschauen. Letztes Jahr tagte man in Genf. Der Bericht für die UN über die Menschenrechte in Deutschland wurde am 1.9.2023* im Ausschuss für Menschenrechte präsentiert. Er liest sich gut. Respekt für die Menschenrechte spiele hierzulande eine Schlüsselrolle bei den Entscheidungsprozessen, heißt es z.B. im Bericht. ("Respect for human rights in the recipient country plays a key role in the decision-making process.") Entsprechend werden Behinderte erwähnt, Sinti und Roma, Gewaltopfer, LGBTIQ+, Opfer von Islamphobie, Menschen mit afrikanischen Wurzeln, Flüchtlinge, Frauen, Migranten, Asylsuchende, Kinder, Familien, minderjährige Soldaten ... Unerwähnt bleiben: SeniorInnen, Pflegebedürftige und BewohnerInnen von Seniorenheimen, die in der Corona-Zeit von einem strengen, staatlich verordneten Besuchsverbot betroffen waren oder seit mehreren Jahrzehnten unter schwerwiegendem Personalmangel bei den ambulanten und stationären Angboten leiden.

Wenige Tage später, am 4.9.2023** tagte der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen erneut. Der Hohe Kommissar für Menschenrechte legte der Versammlung eine Zusammenfassung der Empfehlungen von anderen UN-Staaten an Deutschland vor. Auch darin werden SeniorInnen, Pflegebedürftige und die BewohnerInnen von Seniorenheimen nicht erwähnt.

Am 22.12.2023*** präsentiert eine internationale Arbeitsgruppe ihre Empfehlungen zur Verbesserung der Menschenrechtssituation in Deutschland. Und plötzlich sind sie da, die älteren Menschen. Aus fünf Ländern werden Empfehlungen abgegeben, um die menschenrechtliche Situation der Älteren in Germany zu verbessern. Das sind: Israel, Montenegro, Spanien, die Dominikanische Republik und Kuba.

Die Vorschläge lauten:

- 140.272 Take additional measures to address negative stereotypes which lead
to discrimination against older persons (Israel).
Zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung negativer Stereotypen ergreifen, die zu die zur Diskriminierung älterer Menschen führen. (Maschinenübersetzung)

- 140.273 Ensure a sufficient number of qualified caregivers for older persons
(Montenegro);
Sicherstellung einer ausreichenden Zahl qualifizierter Pflegekräfte für ältere Menschen; (Maschinenübersetzung)

- 140.274 Adopt measures to prevent discrimination against persons with
disabilities and older persons regarding health care (Spain)
Ergreifen von Maßnahmen zur Verhinderung der Diskriminierung von Menschen mit
Behinderungen und älteren Menschen in der Gesundheitsversorgung; (Maschinenübersetzung)

- 140.275 Find the means to provide a sufficient number of qualified caregivers
to care for older persons and take immediate measures to improve the situation
of this vulnerable group (Dominican Republic);
Mittel finden, um eine ausreichende Anzahl qualifizierter Pflegekräfte für die Pflege älterer Menschen bereitzustellen und Sofortmaßnahmen ergreifen, um die Situation
dieser gefährdeten Gruppe zu verbessern (Maschinenübersetzung);

- 140.285 Implement national strategies that guarantee the necessary measures
and access to essential legal resources to protect the rights of people with special
needs, people with disabilities and the elderly (Cuba);
Umsetzung nationaler Strategien, die die notwendigen Maßnahmen garantieren
und den Zugang sichern zu den wesentlichen Rechtsmitteln für Menschen mit besonderen Bedürfnissen, Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen (Kuba);


Drei Monate später, am 26.März 2024 ruft das Deutsche Institut für Menschenrechte die Bundesregierung dazu auf, eine FÜHRUNGSROLLE zu übernehmen. Im Bereich der Menschenrechte.

In der entsprechenden Presseerklärung behauptet das Institut:
"... In der Novembersitzung (der UN in Genf) war deutlich geworden, dass viele Staaten der Welt Deutschland als Führungsmacht im Bereich der Menschenrechte ansehen. „Deutschland kann einer Führungsrolle nur gerecht werden, wenn die Bundesregierung transparent und nachvollziehbar die Umsetzung der UPR-Empfehlungen angeht. ... Wir begrüßen, dass die Bundesregierung in Genf umfangreiche politische Selbstverpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte in Deutschland eingegangen ist. Jetzt muss sie Prioritäten setzen und konkrete Umsetzungsmaßnahmen identifizieren. Das Deutsche Institut für Menschenrechte sieht dabei folgendes als Prioritäten:

1. Bekämpfung von Rassismus: Die Bundesregierung ergreift in dieser Hinsicht eine Reihe von Maßnahmen. Wir sind jedoch sehr besorgt darüber, dass sie die anerkannten Konzepte des strukturellen und des institutionellen Rassismus ablehnt. Diese Probleme anzugehen, ist der Schlüssel zur wirksamen Bekämpfung von Rassismus.

2. Geschlechtsspezifische Gewalt: Wir erkennen das Engagement der Bundesregierung in dieser Hinsicht an. Vorrangig muss sie sicherstellen, dass alle Betroffenen Zugang zu Beratung und Schutz haben.

3. Wir sind zutiefst besorgt in Bezug auf inklusive Bildung. Rückschrittliche Politiken und Maßnahmen nehmen in den Bundesländern zu und die Bundesregierung hat sogar segregierte Schulen zu einem Element der inklusiven Bildung erklärt.

4. Die Bekämpfung von Armut, einschließlich von Kinderarmut, sowie von Wohnungslosigkeit und die Sicherheit von Mietverhältnissen müssen zu einer Priorität werden. Dazu gehört auch, dass arme Menschen nicht unverhältnismäßig stark von Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels betroffen sind.

5. Die Rechte von geflüchteten Menschen sind durch die in der EU und Deutschland diskutierten Pläne bedroht. Wir fordern die Regierung auf, dafür zu sorgen, dass vulnerable geflüchtete Menschen systematisch identifiziert werden, dass Asylsuchende während des Verfahrens nicht de facto inhaftiert werden und dass die Asylverfahren nicht in Drittstaaten ausgelagert werden.

... Wir rufen die Bundesregierung dazu auf, die Führungsrolle im Bereich der Menschenrechte zu übernehmen, die die Menschen und viele Staaten von Deutschland erwarten.“

Weil "viele Staaten der Welt Deutschland als Führungsmacht im Bereich der Menschenrechte ansehen" erwartet das Deutsche Institut für Menschenrechte von der Übernahme der Führungsrolle der Bundesregierung NICHT etwa die Verwirklichung der Rechte älterer Menschen in Deutschland. Ihrer Führungsrolle kann die Bundesregierung nur dann gerecht werden, wenn sie Rassismus und Armut bekämpft, auf die Sicherstellung des Zugangs der Betroffenen von geschlechtspezifischer Gewalt zu Beratung und Schutz achtet, und auf die systematische Identifizierung geflüchteter Menschen, sowie auf hierzulande stattfindende Asylverfahren ohne de facto Inhaftierungen der Asylsuchenden.


* Link

** Link

*** Link

Quelle: United Nations Human Rights Council 2023, Dtsch. Institut für Menschenrechte eschnerecht