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Arbeitsagentur teilt Menschen in 3 bzw. 5 Klassen ein

27.09.2006 - von Name + Adresse sind der Redaktion bekannt

Laut einer Presseinformation des Politikmagazins REPORT MAINZ, Südwestrundfunk (SWF) der ARD, liegt der Report-Redaktion ein vertraulicher Prüfbericht des Bundesrechnungshofs vom 05.07.2006 vor, indem schwere Vorwürfe gegen die Bundesagentur für Arbeit(BA) erhoben werden.

Der Bundesrechnungshof (BRH) bezweifelt die Rechtmäßigkeit der Vermittlungspraxis von Arbeitslosen durch die Arbeitsagenturen in Deutschland mit Hilfe von so genannten Handlungsprogrammen. So soll es im 27-seitigen Prüfbericht wörtlich heißen: „Der Bundesrechnungshof hat Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Handlungsprogramme für Arbeitnehmer soweit diese dazu führen, dass Marktkunden keine Vermittlungsleistungen erhalten und Betreuungskunden aus dem Erwerbsleben abgedrängt werden. Und weiter: „Für rechtlich bedenklich halten wir auch die Zielsetzung mit Betreuungskunden den Rückzug aus dem Erwerbsleben zu vereinbaren“. Weiter heißt es in der Presseinformation, dass die eingeführten Handlungsprogramme für Arbeitnehmer das Herzstück des Umbauprozesses der Agentur sind. Mit den verbindlichen Leitlinien sollen die Vermittlungs- und Beratungsaktivitäten der BA verbessert werden. „Um für den jeweiligen Arbeitslosen das bestmögliche Dienstleistungsangebot liefern zu können“, werden Arbeitssuchende nach „unterschiedlichen Bedürfnisprofilen“ segmentiert in

  • Marktkunden,
  • Beratungskunden und
  • Betreuungskunden.


  • Die so genannten Handlungsprogramme, die von der Unternehmensberatung McKinsey entwickelt wurden, definieren den Unterstützungsbedarf durch die BA bei der Job-Suche. Für Betreuungskunden werden – so die BRH-Prüfer –„Ziele jenseits des ersten Arbeitsmarktes, ehrenamtliche Tätigkeit, … vereinbart.“

    Scharf kritisierte der Bundesrechnungshof nach Würdigung der rechtlichen Rahmenbedingungen die gültige Vermittlungspraxis:
    „Das Abdrängen arbeitswilliger Arbeitssuchender aus dem Erwerbsleben ist mit dem sozialpolitischen Auftrag der Bundesagentur nicht vereinbar“, bilanziert der BRH.

    Weiter heißt es in dem dem SWF vorliegendem Prüfbericht:
    Die Handlungsprogramme „sind mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen nicht vereinbar und erscheinen nicht geeignet, eine zweckmäßige, Arbeitslosigkeit verringernde, auf den Einzelfall bezogene Vorgehensweise sicherzustellen“.

    Die Betreuungskunden, „bei dem ein Mitteleinsatz aus Wirtschaftlichkeitserwägungen nicht in Frage kommt“ (Formblatt der BA), werden bei den Beratungsgesprächen über eine Eingruppierung nicht informiert.
    Weiter kritisiert der Bundesrechnungshof in dem vorliegenden Bericht, dass es zu „dauerhaften Fehleinschätzungen“ bei der Eingruppierung in die vorgegebenen Fallgruppen kommt. In 36% der geprüften Fälle kam es zu „nicht nachvollziehbaren Festlegungen“. Die verbindlich geforderte Zielvereinbarung mit den Arbeitssuchenden lag in 42% der geprüften Fälle nicht vor. Die Zielvereinbarungen „waren größten Teils nicht verwertbar, da sie nur floskelartige Formulierungen enthielten, jedoch keine qualitative und quantitativ messbaren Verhaltensweisen vorsahen.“

    Die Prüfer des BRH kommen in ihrer Analyse zu einem eindeutigen Ergebnis: „Die Bundesagentur sollte die Handlungsprogramme für Markt und Betreuungskunden entsprechend überarbeiten.“
    Auf Grund des oben erwähnten unabhängigen Berichts des Bundesrechnungshofes wird klar, wo und wie die Überschüsse in der Bundesagentur für Arbeit erwirtschaftet wurden. Das Prinzip „Fördern und Fordern“ wurde ausgehebelt.
    Unternehmens-orientiertes Casemangement führt nicht zur Vermittlung von arbeitswilligen Arbeitnehmern.

    Der Bericht bestätigt, was schon von vielen BürgerInnen vermutet wurde. Die Einsparungen kommen nicht durch den Vermittlungserfolg zustande, sondern durch das Herausdrängen von Arbeitsuchenden aus dem Arbeitsmarkt.

    Arbeitsminister Franz Müntefering leugnet das Problem. Dagegen redete vor kurzem der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank Jürgen Weise, Klartext auf einer Fachtagung. Das belegt ein Mitschnitt der Friedrich-Ebert-Stiftung. Er bestätigt: das "Durchreichen" schwer Vermittelbarer sei der Wunsch des Auftraggebers, der Politik.
    O-Ton, Frank Jürgen Weise, Vorstandsvorsitzender Bundesagentur für Arbeit, 15.03.2006:
    »Die Agentur hat keinen sozialpolitischen Auftrag. Denn dann muss mir mein Auftraggeber sagen, soll ich wie im Krankenhaus hundert Schwerstfälle mit ganz hohem Mitteleinsatz retten oder Tausende von Leichtverletzten.«
    Um im Bild zu bleiben: Von der Bundesagentur werden die Schwerverletzten, also die schwerer Vermittelbaren nicht mehr gerettet. Und die Politik glaubt immer noch, dass keiner merkt, was längst Wirklichkeit ist.

    Interessant wäre es nun auch zu wissen, an Hand welcher Kriterien die arbeitswilligen ArbeitnehmerInnen in das jeweilige „Bedürfnisprofil“ eingestuft werden, und wie sich das mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz AGG) verträgt.
    Die Bundesagentur macht aus den Auswahlkriterien ein Betriebsgeheimnis. Das Bundesfamilienministerium ist auskunftsfreudiger.
    Auf der offiziellen Webseite ist zu lesen: "Um Gestaltungsempfehlungen ableiten zu können, muss der Blick zunächst auf die auf die seit Anfang 2005 völlig neu gestaltete Landschaft (seit wann arbeiten Landschaftsgärtner in den Ministerien?) institutioneller Strukturen zur Arbeitsberatung und -vermittlung gerichtet werden, die hier nur idealtypisierend (!) dargestellt werden können. Die häufigste Strukturvariante (...) sieht eine Erstberatung durch eine/n persönlichen Ansprechpartner/in vor, der/die nach Erfassung einer gemeinsamen Bewertung / einem Assessment bzw. dem Profiling zu den individuellen Qualifikationen und Problemlagen der Kund/innen entscheidet, ob aufgrund deren Komplexität oder drohender Langzeitarbeitslosigkeit ein intensives Fallmanagement erforderlich ist und in diesem Fall die Überweisung vornimmt.
    Dabei wird eine Einstufung der Ratsuchenden nach der Intensität ihres Unterstützungsbedarfs vorgenommen ("Kundenstromsteuerung"!).

    Bundesweit wird in den Arbeitsagenturen - und den ARGEn empfohlen, diese Einteilung zu übernehmen - zwischen
  • "Marktkunden" (die z.B. nur auf die Nutzung der Internet-Stellenbörsen verwiesen werden),
  • "Beratungskunden" (geringer Unterstützungsbedarf, z.B. Bewerbungstraining u.ä.)

  • und "Betreuungskunden" (komplexer Hilfebedarf) unterschieden.


  • Das Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen hat einen inzwischen breit in der Praxis angewandten stärkerdifferenzierten Konzeptvorschlag mit fünf Stufen entwickelt, bei dem die Gruppe E aus Arbeitslosen mit massiven Vermittlungshemmnissen ohne gegenwärtige Eingliederungschancen besteht."

    Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.
    Ach ja, noch etwas: Kennen Sie die Präambel (!) der Agenda 2010? „Verantwortung für sich selbst, Solidarität mit den Schwachen und Achtung des Gemeinwohls“, steht da.

    Link

    Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=2738
    Quelle: Mail an die Redaktion