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Der Bund schuldet der Pflegeversicherung Milliarden und bricht seine Zusagen

Foto: H.S.

08.10.2024 - von Hanne Schweitzer

Schon Anfang des nächsten Jahres soll die Pleite der Pflegeversicherung drohen. Beitragserhöhungen um 0,3 Prozentpunkte sind im Gespräch. Zur Zeit liegt der allgemeine Beitragssatz bei 3,4 Prozent und für Kinderlose bei 4 Prozent. Nach den Regierungsplänen müssten Versicherte ab 2025 3,7 bzw 4,3 Prozentpunkte zahlen.

Wie stets in ähnlichen Situationen machen Politiker und Journalisten das Fehlen von Geld in der Pflegekasse an der wachsenden Zahl älterer Menschen fest. Als ob man davon nichts gewusst hätte, als ob die demografische Veränderung über Nacht passiert wäre! Als ob nicht schon seit vielen Jahren auf den zunehmenden Finanzbedarf hingewiesen worden wäre!

Weil nun aber wegen der angeblich drohenden Pleite wieder das allgemeine Altenbashing über uns hereinbricht, soll an Folgendes erinnert werden:
Zur Finanzierung der gesetzlichen Pflegeversicherung beteiligt sich der Bund seit 2022 an den Kosten der Pflegeversicherung mit einer Milliarde Euro Steuergeldern im Jahr.
Am 6.9.2023 haben aber die rot/grün/gelben Regierungsmitglieder und später die Parlamentarier beschlossen, das nicht mehr zu tun.

"DIE ZAHLUNGEN FÜR DIE JAHRE 2024 bis 2027 WERDEN AUSGESETZT UND AB DEM JAHR 2028 WIEDER AUFGENOMMEN", heißt es im entsprechenden Gesetz.

Der Bund spart also vier Milliarden Euro, die den gesetzlichen Pflegekassen fehlen.
Dazu kommt: Zum Zeitpunkt des Beschlusses schuldete der Bund der Pflegeversicherung bereits 5,9 Milliarden Euro. Politik nutzt also den von ihr mit Absicht herbeigeführten Engpass, um die Beiträge zu erhöhen und die Leistungen zu kürzen.
Dass steigende Beiträge das Problem nicht lösen, meint VdK-Chefin Bentele. Sie plädiert für eine Versicherung, in die alle einzahlen, auch Beamte, Selbstständige und Abgeordnete.


In der Presse liest sich das anders:
[b]WELT

"Pflegemisere spitzt sich dramatisch zu Ausgaben steigen stark an, Regierung plant bereits die nächste Beitragserhöhung", titelt die WELT auf Seite 1. Als Ursache der prekären Finanzlage werden mehrere angeführt: "Denn nicht nur die Bevölkerungsalterung setzt der Sozialversicherung zu. Ausgabensteigernd wirken sich die Leistungsausweitungen der letzten Jahre aus. Hinzu kommt eine starke Kostendynamik, weil besonders die Personalkosten in die Höhe schießen."

Junge Welt
"Ursachen der finanziellen Schieflage sind unzureichende Reformschritte in jüngerer Vergangenheit sowie eine deutliche Zunahme an Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind."

Neue Zürcher Zeitung
Die Zeitung aus der Schweiz weiß mehr. Sie schreibt: "Denn neben dem einseitigen Abwälzen der Mehrkosten auf die Versicherten hatten sich SPD, FDP und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag auch auf einen staatlichen Zuschuss zur finanziellen Stabilisierung der Pflegeversicherung geeinigt." Informationen über die festgeschriebene Summe fehlen. Leser werden auch nicht darüber unterrichtet, dass dieser Zuschuss nur zwei Jahre lang gezahlt und danach per Gesetz vier Jahre ausgesetzt ist. Bei der NZZ heißt das: "Doch hier tritt jetzt der liberale Finanzminister Christian Lindner auf die Bremse."
Bevor dann die sattsam üblichen Gründe für die Finanzierungsprobleme der Pflegeversicherung runtergebetet werden, ist, ziemlich verklausuliert, von Schulden die Rede, die der Bund bei der Pflegeversicherung hat. "Dabei geht es vor allem um die Finanzierung von Corona-Tests und die Bezahlung von Pflege-Boni während der Pandemie. Das seien gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die aus Steuermitteln zu leisten seien, heisst es in einem Gutachten, das die DAK in Auftrag gegeben hatte. Erfolge die Rückzahlung nicht, sei dies verfassungswidrig. Der Bund muss laut dem Gutachten rund 5,9 Milliarden Euro aus Corona-Zeiten an die Pflegekassen zurückerstatten. Mit dem Geld könne eine massive Beitragserhöhung vermieden werden, heisst es." Neue Zürcher Zeitung


Ganz schlimm: die taz. Die Überschrift auf Seite 1 lautet: "Es liegt an der Demografie, nicht an der Ampel".[/i] Peinlich dann wenig die Plattitüden: "All das kostet sehr viel Geld. Wen das überrascht, der scheint irgendwo in Büllerbü zu leben, aber nicht in der Realität." Entsprechend das Schlusswort: "So bitter es ist: Wer im Alter gut betreut werden will, muss im Arbeitsleben dafür mehr in die Pflegekasse einzahlen." Das stimmt nicht. Nicht nur Berufstätige! Auch Rentner und Studierende zahlen den vollen Pflegeversicherungsbeitrag.
Auf Seite 16 dann der Schwarze Peter noch einmal in der Überschrift: "Die demografische Entwicklung belastet die Sozialsysteme."