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10.05.2025 - von Hanne Schweitzer + I.S.
Beworben und keine Antwort bekommen? Das ist hart, in jeder Bewerbung steckt Hoffnung. Bleibt eine Antwort aus, erspart es den Betroffenen aber das Geschwalle, die Plastikwörter und Satzhülsen von Personalern, zu deren Aufgaben das Formulieren von Absagen gehört. Es gibt Angenehmeres zu tun als um den heißen Brei herumzureden. "Leider sind Sie zu alt für den Job, der Chef hat sich eine jüngere Person vorgestellt," darf man weder schreiben noch im Bewerbungsverfahren sagen.
Vor 20 Jahren war das hierzulande noch anders. Wenn der Deutsche Verein annoncierte, dass er für den Cäcillia-Schwarz-Förderpreis "jüngere Wissenschaftler bis zum 40.ten Lebensjahr" suchte, kam so gut wie nie niemand über 40 auf die Idee, sich zu bewerben. Den meisten war klar: Das Porto kannst du dir sparen.
Seit der Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes 2006 sind direkte oder indirekte Altersangaben im gesamten Bewerbungsverfahren aber verboten und damit tabuisiert. Jede ausgeschriebene Stelle richtet sich unausgesprochen an BewerberInnen jeden Lebensalters. Was aber beileibe nicht heißt, dass Bewerber und Bewerberinnen aus allen Altersgruppen willkommen sind oder ihre Unterlagen gelesen werden.
Es braucht also Absageschreiben für diejenigen im "falschen" Alter. Die meisten Human Resources-Mitarbeiter sind sich der niederschmetternden Wirkung eines "nein, du nicht", bewusst, und sie wissen, dass in der Absage jeder Hauch eines Bezugs auf das Lebensalter vermieden werden muss, um keine Klage wegen Altersdiskriminierung zu provozieren - womöglich noch mitsamt einer Schadensersatzforderung von mindestens zwei Monatsgehältern.
Die folgenden drei Beispiele für Absagen sind alle aus dem Jahr 2025 und wurden an hochqualifizierte, aber über 50Jährige BewerberInnen, gerichtet. Alle Schreiben sind unpersönlich, werden also also an mehrere Arbeitsuchende verschickt. Kein Schreiben geht auf besondere Qualitäten oder Fähigkeiten ein.
Absage I, kurz und knapp:
"Lieber ..!
Vielen Dank für Dein Interesse an der .. und die Zusendung Deiner Bewerbung. Wir wissen Deine Bemühungen und das uns entgegengebrachte Vertrauen sehr zu schätzen.
Nach sorgfältiger Prüfung Deiner Unterlagen müssen wir Dir leider mitteilen, dass wir Deine Bewerbung nicht weiterverfolgen können. Die Profile anderer Kandidaten haben uns noch etwas mehr überzeugt.
Für Deine weitere Jobsuche sowie auf Deinem privaten Weg wünschen wir Dir viel Erfolg.
Sonnige Grüße
.. "
Von den reichlich im Internet zu findenden Ratschlägen zur Formulierung von Bewerbungsabsagen wurden bei dieser befolgt: 1.Anrede, 2.einleitende Sätze, 3.Absage, 4. wertschätzende Worte, 5.Grußformel.
Absage II: Duzen und Employer Branding
"Hallo .., (Anrede)
nochmals vielen Dank für deine Bewerbung und dein Interesse, deine POWER bei .. einzubringen.[/i] (einleitender Satz)
Nach eingehender Prüfung deiner Unterlagen müssen wir dir leider mitteilen, dass wir zurzeit keine Möglichkeit sehen, dich deinen Wünschen und Qualifikationen entsprechend in der ausgeschriebenen Stelle einzusetzen. (Absage)
Wir bedauern, dir keine positive Nachricht geben zu können und bedanken uns für deine Zeit und Mühe, die du in deine Bewerbung investiert hast.(wertschätzende Worte)
Du bist weiterhin überzeugt davon, dass deine POWER zu uns passt? Dann bewirb dich gerne erneut auf andere Stellen auf unserer Karriere-Website. Wir sind stets auf der Suche nach zukünftigen .. und freuen uns, dich vielleicht in einem anderen Team begrüßen zu dürfen. (Employer Branding)
Alles Gute!
.. (Grußformel)
Bei Absage zwei fällt auf: Das Employer Branding macht mehr als ein Drittel des Schreibens aus! Mit Employer Branding ist der Aufbau und die Pflege eines Images als attraktiver Arbeitgeber gemeint.
Absage III: Selektionsschritte und Personen
"vielen Dank für Ihr Interesse an unserem Unternehmen und die aufwändige Vorbereitung der
Bewerbungsunterlagen.
Wir haben uns gründlich mit sehr vielen Bewerbenden auseinandergesetzt und mussten bereits an dieser Stelle einen ersten Selektionsschritt durchführen. Dabei sind wir zu der Erkenntnis gelangt, dass andere Personen, die für diese Position kandidieren, unsere Anforderungen leider ("leider" ist die Perspektive der Bewerberin bzw. des Bewerbers! !) noch treffender erfüllen. Bei einem derart starken Bewerberfeld sind es häufig nur Nuancen, die den Ausschlag für eine Entscheidung geben.
Wir bitte Sie, dies keinesfalls als negative Wertung Ihrer Fähigkeiten oder Person zu verstehen und bedanken uns für das entgegengebrachte Vertrauen.
Wir würden Sie sehr gerne für zukünftige freie Stellen berücksichtigen und Ihre Bewerbungsunterlagen in Evidenz halten. Da personenbezogene Daten der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) unterliegen und wir dazu verpflichtet sind, diese zu entfernen, nachdem der Zweck ihrer Verarbeitung erfüllt wurde, benötigen wir dafür Ihr Einverständnis. Die Daten würden bis zum Ende einer verlängerten Aufbewahrungsfrist von 12 Monate von uns gespeichert werden. Eine Berichtigung oder Löschung wäre jederzeit möglich. Möchten Sie diesen Bedingungen zustimmen, so bestätigen Sie uns das bitte mit einem Klick auf diesen Link: ... (8 Zeilen Evidenz!)
Unabhängig von Ihrer Entscheidung wünschen wir Ihnen das Beste auf dem weiteren Karriereweg - und darüber hinaus - und hoffen, noch zukünftig eine Gelegenheit für eine Zusammenarbeit zu finden!"
Bei Absage III lohnt eine Analyse des sprachlichen Aufbaus und seiner möglichen strukturellen Wirkung:
Zunächst wird von einem „ersten Selektionsschritt“ gesprochen, bei dem entschieden worden sei, dass andere „Personen“ die Anforderungen treffender erfüllen. Die Verwendung der Begriffe „Selektionsschritt“ und „Personen“ entkoppelt die Entscheidung von individuellen Qualifikationen oder Erfahrungen.
Statt Bewerbungen oder Profile zu vergleichen, wird die Bewertung auf eine entpersonalisierte Ebene verschoben, die die tatsächlichen Kriterien – insbesondere ein mögliches stillschweigendes Ausschlusskriterium wie das Lebensalter – sprachlich verschleiert.
Anschließend wird im Schreiben betont, dass es häufig nur „Nuancen“ seien, die den Ausschlag für die Entscheidung geben. Auch diese Formulierung trägt zur Intransparenz bei:
Sie suggeriert eine Gleichwertigkeit aller Bewerbungen und verharmlost dabei potenziell wirksame Ausschlussmechanismen, die nicht offen benannt werden – etwa die Altersdifferenz zwischen den Bewerbenden.
Schließlich wird angeboten, (die) Unterlagen „in Evidenz“ zu halten.
Dieses Angebot wirkt weniger wie eine echte Zukunftsperspektive, sondern vielmehr wie eine rhetorische Entschärfung: ein strategischer Schritt, um formale Offenheit zu dokumentieren und sich im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) prophylaktisch gegen Diskriminierungsvorwürfe abzusichern.
In der Gesamtschau entsteht der Eindruck, dass das Schreiben sprachlich so aufgebaut wurde, um strukturelle Diskriminierung – insbesondere altersbedingte Benachteiligung – möglichst unsichtbar zu halten.
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