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Verfassungsbeschwerde gegen die Altersgrenze für AnwaltsnotarInnen erfolgreich

Foto: H.S.

23.09.2025 - von BVG Presseabteilung, Hanne Schweitzer

Das Bundesverfassungsgericht hat das bisher fest verrammelte Tor zur Überarbeitung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes am 23.9.2025 ein bißchen aufgestoßen. Das Verfassungsgericht hat - mit viel wenn und viel aber - entschieden: Die gesetzliche Altersgrenze von 70 Jahren für Anwaltsnotare ist verfassungswidrig. Sie ist mit dem Grundgesetz unvereinbar.
Die Altersgrenze für Notare schränkt die Berufsfreiheit unverhältnismäßig ein und ist daher mit dem Grundgesetz nicht mehr vereinbar.
Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23.9.2025 - 1 BvR 1796/23

Allerdings ist es erst zwei Jahre her, seit der Bundesgerichtshof in der Altersgrenze von 70 Jahren für Notare k e i n e unzulässige Diskriminierung wegen des Alters gesehen hat. Eine der Begründungen war: "Jüngere Rechtsanwälte haben keine hinreichende und planbare Aussicht auf wirtschaftlich leistungsfähige Notariate", wenn "lebensältere Notare mit gut eingeführten Notarstellen und einem großen Stamm an Urkundsbeteiligten ohne Altersgrenze im Amt" [bleiben].
Die Altersgrenze für Notare ist keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters.
Urteil des Bundesgerichthofs vom 21.8.2023 - NotZ(Brfg) 4/22


Vor erst einem Jahr urteilte der EuGH über das Mindestalter für die Bestellung zum Anwaltsnotar. "Die deutsche Altersgrenze von 60 Jahren für die erstmalige Bestellung zum Anwaltsnotar bezwecke die Garantie einer kontinuierlichen Ausübung des Notarberufs während eines längeren Zeitraums vor dem Eintritt in den Ruhestand, um eine effektive und unabhängige Rechtspflege zu gewährleisten. Zudem verfolge sie das Ziel der Sicherstellung eines qualitativ hochwertigen Notariats durch Juristinnen und Juristen, die sich nicht erst in ihren letzten Berufsjahren in einen von ihnen zuvor noch nie ausgeübten Beruf einarbeiten sollten. Drittens bezwecke sie auch die Wahrung einer geordneten Altersstruktur mit dem Ziel, den Generationenwechsel im Notarberuf zu erleichtern; letzteres stellt auch ein legitimes Ziel der nationalen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik dar.
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17.10.2024 – C-408/23


Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten können ein Lied von pauschalen Altersgrenzen im Berufsleben singen. Wer eine Kassenzulassung haben wollte, durfte eine Praxis nur eröffnen, wenn das 55. Lebensjahr nicht überschritten war. Außerdem wurde allen Ärzten, Zahnärzten und Psychotherapeuten in den Jahren 1999 bis 2009 automatisch die Kassenzulassung entzogen, sobald sie das 68. Lebensjahr erreicht hatten. Ausnahmen galten für "unterversorgte Gebiete".


Weitere pauschale Altersgrenzen im Berufsleben:

- Beim "Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt" gilt eine pauschale Altersgrenze für das berufliche Weiterbildungsstipendium von 25 - 28 Jahre. Das stand schon in den Richtlinien des Vorgängerministeriums vom 1. September 2008.

- Richter am Bundesverfassungsgericht können bis zum Höchstalter von 68 Jahren arbeiten.

- Auf Antrag einer Professorin oder eines Professors kann ihr oder sein Eintritt in den Ruhestand insgesamt bis zum Ende des Monats, in dem das 75. Lebensjahr vollendet wird, hinausgeschoben werden, wenn dies wegen der besonderen wissenschaftlichen Leistungen im Einzelfall im dienstlichen Interesse liegt.

- Für die Kandidatur als BundespräsidentIn gilt ein pauschales Mindestalter von 40 Jahren.

- Eine klassische Funktion gewerkschaftlicher Tarifpolitik ist die Absicherung der
Beschäftigten im Fall von wirtschaftlichen und sozialen Risiken. Deshalb sind Regelungen zur Verdienstsicherung weit verbreitet. Ähnlich wie beim Kündigungsschutz setzen die Schutzregeln bei einer bestimmten Kombination von Lebensalter und Betriebszugehörigkeit ein. Das erforderliche Lebensalter schwankt je nach Branche zwischen 40 und 55 Jahren, die Betriebszugehörigkeit zwischen einem und 20 Jahren. Das gilt ebenso für tarifliche Abfindungszahlungen.

- Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im Mai 2025 über die Zulässigkeit von Altersgrenzen bei Einstellungen im öffentlichen Dienst entschieden. Das Gericht entschied, dass ein an tarifvertragliche Altersgrenzen gebundener Arbeitgeber die Einstellung eines Bewerbers, der die Regelaltersgrenze überschritten hat, wegen des Alters ablehnen kann, falls ein jüngerer, qualifizierter Bewerber zur Verfügung steht. Das BAG begründete dies mit dem legitimen Ziel der "ausgewogenen Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen" und der "Förderung des Zugangs jüngerer Menschen zur Beschäftigung". (s.o.!)

- Das Schornsteinfegerhandwerkergesetz enthält die Bestimmung, dass die bisherige Altersgrenze für Bezirksschornsteinfeger von 67 auf 70 Jahre angehoben wird.

Weitere pauschale Altersgrenzen im Berufsleben stehen im Arbeitssicherstellungsgesetz:
- Für Zwecke der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung kann eine Frau vom vollendeten achtzehnten bis zum vollendeten fünfundfünfzigsten Lebensjahr im zivilen Sanitäts- oder Heilwesen sowie in der ortsfesten militärischen Lazarettorganisation in ein Arbeitsverhältnis verpflichtet werden.

Quelle: BVG Pressemitteilung Nr. 84/2025 , Büro gegen Altersdiskriminierung