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Seniorenmitbestimmungsgesetz in Sachsen

02.07.2007 - von Frakrion die Linke Sachsen

Auf der Pressekonferenz stellte der sozialpolitische Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag Dr. Dietmar Pellmann eine von ihm erarbeitete Kurzstudie zu drohender Altersarmut sowie den Entwurf eines Seniorenmitwirkungsgesetzes vor und erklärte:

Für die Erarbeitung der heute vorgelegten Kurzstudie "Zur gegenwärtigen Situation und Perspektive sächsischer Rentnerinnen und Rentner", die das Problem bereits bestehender und drohender Altersarmut aufgreift, gab es mehrere Anlässe:

1.
wollen wir damit untermauern, wie notwendig ein sächsisches Seniorenmitbestimmungsgesetz ist, um damit bessere Rahmenbedingungen für die selbst bestimmte Interessenvertretung älterer Menschen zu schaffen.

2.
ging es uns um eine Vorarbeit, um den Sozial- bzw. Lebenslagenreport der Staatsregierung, der bereits seit Dezember vergangenen Jahres vorliegt, aber bislang geheim gehalten wurde, besser kritisch bewerten zu können.

3.
sollte damit unsere Position gegen die bislang von der Staatsregierung vertretene Haltung bekräftigt werden, dass es in Sachsen bestenfalls versteckte Armut gäbe, weil gewährte Sozialleistungen Armut verhindern würden.

4.
beabsichtigten wir zu bewerten, welche Wirkung die am 1. Juli vorgesehene Rentensteigerung um 0,54 Prozent auf die reale Einkommenslage sächsischer Rentnerinnen und Rentner hat.

Insgesamt kommt die Kurzstudie zu folgenden Kernaussagen:

* Die Datenbasis für eine detaillierte Beschreibung der verschiedenen Lebenslagen älterer Menschen ist sehr lückenhaft. Vieles wird von der einschlägigen Statistik entweder verschleiert oder gar nicht erfasst, so dass eigentlich nur soziologische Betragungen wirklich weiter helfen würden. Sachsen ist das Bundesland mit der ältesten Bevölkerung. Daraus erwächst die politische Verantwortung, sich den Problemen älterer Menschen früher und nachdrücklicher zuzuwenden.

* Im Unterschied zur bisherigen Auffassung der Staatsregierung gibt es bereits gegenwärtig Altersarmut, die bei ca. 15 Prozent liegt, damit jedoch noch etwas unter der allgemeinen Armutsquote im Freistaat liegt.

* Die durchschnittliche Situation der Rentner hat sich seit Mitte der neunziger Jahre vor allem dadurch verschlechtert, dass immer mehr Menschen mit unterbrochener Erwerbsbiografie in den Ruhestand gingen und der so genannte Eckrentner mit 45 Arbeits- und Beitragsjahren immer seltener ist.

* Die Quote der Altersarmut wird 2020 in Sachsen bei mindestens 25 Prozent liegen. Damit bestätigen sich die Aussagen einer jüngst vorgelegten OECD-Studie, nach der Deutschland unter 30 Industriestaaten das schlechteste Verhältnis von Arbeitseinkommen und späterer Rente haben wird. Entscheidende Ursachen, die bereits heute wirken, sind die Langzeitarbeitslo-sigkeit, die zwangsweise Frühverrentung von älteren Beziehers des Arbeitslosengeldes II, die steigende Zahl von geringfügig Beschäftigten, das kaum gestiegene Reallohnniveau und die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre.

* Angesichts der realen Rentenverluste ist die am 1. Juli erfolgte Steigerung um 0,54 Prozent ein Hohn. Seit Anfang 2004 ist das reale Rentenniveau um durchschnittlich 10 bis 12 Prozent gesunken. Wir haben es also mit staatlich verordneten Rentenverlusten zu tun. Wenn es nicht zu ei-nem grundlegenden Umsteuern kommt, wird sich dieser Trend in den nächsten Jahren fortsetzen.

* Die durchschnittlichen Alterseinkünfte Rentnerinnen und Rentnern in den neuen Bundesländern liegen etwa um ein Fünftel unter denen in den alten Bundesländern. Ein Grund dafür ist, dass der aktuelle Rentenwert Ost seit Jahren bei 88 Prozent des aktuellen Rentenwerts West verharrt.

Mit dem Entwurf eines Seniorenmitwirkungsgesetzes beschreiten wir Neuland. Ein solches Gesetz gibt es bislang nur in Berlin. Unser Entwurf ist im wahrsten Sinne des Wortes von der Basis, spricht von Vertretern aus Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und Seniorenvertretungen mit erarbeitet worden. Bei uns sind fast 50 z.T. sehr umfangreiche Stellungnahmen mit mehr als 200 Einzelvorschlägen aus ganz Sachsen eingegangen. Allein daraus kann schon abgeleitet werden, dass es ein dringendes Bedürfnis nach einem solchen Gesetz gibt. Im Einzelnen enthält der Entwurf folgende Regelungen:

* In den sächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten muss es Seniorenvertretungen geben, die aus mindestens 11 Mitgliedern bestehen. Im Einvernehmen mit dem Stadtrat oder dem Kreistag beruft der Landrat bzw. Oberbürgermeister die Mitglieder der Vertretung für eine Wahlperiode. Die Vertretungen verstehen sich als Interessenvertreter älterer Menschen und zugleich als Brücke zu den Stadträten und Kreistagen sowie zu Verwaltungen und Behörden.

* Die Landesseniorenvertretung besteht aus Mitgliedern der Seniorenvertretungen der Kommunen.

* Ein Landesseniorenbeirat soll als eine Art Expertengremium den Landtag und die Staatsregierung zu Fragen der Seniorenpolitik beraten.

* In den Gemeinden können Seniorenbeauftragte bestellt werden. Sie sind unabhängig und können an den Sitzungen der Gemeindevertretungen sowie ihrer Ausschüsse mit beratender Stimme teilnehmen.

* In den Landkreisen soll es Seniorenbeauftragte geben.

* Vom Sächsischen Landtag soll aus seiner Mitte für jeweils eine Wahlperiode ein Landesseniorenbeauftragter berufen werden.

Quelle: Mail an das Büro gg. Altersdiskriminierung