22.09.2008 - von Name + Adresse sind der Redaktion bekannt
Wer Journalistin oder Journalist werden möchte, muss vor allem sehr jung sein. Diese Erfahrung machte eine junge, aber eben nicht mehr sehr junge berufstätige Frau, die sich beruflich verändern möchte und sich deshalb an eine Öffentlich-Rechtliche Rundfunkanstalt gewandt hat.
"Ich möchte mich beruflich verändern und habe großes Interesse an einem Volontariat in Ihrem Hause. Nun kann ich aber leider kein Praktikum vorweisen. Da ich voll berufstätig bin, meine Frage: gibt es Ausnahmen was die Dauer eines Praktikums/einer Hospitanz betrifft, z.B. ein Einsatz für nur zwei, maximal drei Wochen? Oder ein Praktikum von 2x 2 Wochen? Würde die Zusage für ein Praktikum für die Volontariats-Bewerbung ausreichen, so dass das Praktikum noch vor Volontariatsantritt absolviert werden kann?"
Die Antwort der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalt kommt schnell:
"Ihre Fragen zielen nur auf formale Aspekte, uns geht es aber um inhaltliche Fragen. Wir möchten die Person kennen gelernt haben, die wir als Volo nehmen. Aus der Erkenntnis heraus, dass ein Praktikum aussagekräftiger
ist als ein Assesment. Im übrigen kann ich Ihnen ohne Ihren Lebenslauf keinen Rat geben."
Die junge Frau läßt sich nicht entmutigen und schreibt erneut an die Öffentlich-Rechtliche Rundfunkanstalt:
"Ich verstehe die Bedeutung und den Sinn eines Praktikums und möchte mich auch gerne bewerben, natürlich mit einem Motivationsschreiben und den
geforderten Unterlagen. Zunächst wollte ich aber tatsächlich einige Formalia abklären.
Die Ausgangslage: Ich bin 37, habe ein Universitätsstudium und ein Aufbaustudium absolviert, stehe seit 9 Jahren im Berufsleben, habe drei Jahre im Ausland gearbeitet, bin seit fünf Jahren als stellvertretende
Leiterin und Programmplanerin einer Volkshochschule tätig (im Übrigen für die Praktikantenbetreuung zuständig), bin mehrsprachig und habe großes
Interesse an einem Volontariat bei der Öffentlich-Rechtlichen Anstalt ..., für das ein
Praktikum eben dort Voraussetzung ist. Zeitlich käme dafür jedoch nur mein Urlaub in Frage.
Nun bin ich mir leider nicht ganz sicher, ob ich Ihrer Antwort entnehmen darf, dass ein Praktikum von nur kurzer Dauer oder auch in gestreckter Form generell möglich ist."
Die Antwort, welche die junge Frau nun bekommt, belegt, dass Berufs- und Lebenserfahrung kein wichtiges Kriterium für die praktische Ausbildung von Journalisten bei einer Öffentlich-Rechtliche Rundfunkanstalt sind. Stattdessen gilt: Schon 20Jährige können dort alt aussehen.
"Ein Berufswechsel mit 37 Jahren in einen Beruf, in dem manche 20-Jährige schon alt aussehen - das kann ich Ihnen nicht raten. Altersgrenze war früher 30 Jahre, sie ist jetzt im Zeitalter der Bachelorisierung deutlich gesunken, wenngleich wir das nicht zahlenmäßig konkretisieren. Und die Bewerber haben viele publizistische Erfahrungen, meist im Printbereich und Radio oder Fernsehen. Ob Sie da mithalten können, vermag ich nicht zu
sagen. Es würde aber schwer, und ich vermag nicht zu sagen, ob es
überhaupt möglich ist."
Die junge Frau schreibt daraufhin an das Büro gegen Altersdiskriminierung:
"Ich weiß nicht, ob es sich in meinem Fall um Altersdiskriminierung oder nur eine große Unverschämtheit handelt. Eigentlich wollte ich ja nur eine Antwort auf meine Frage, ich hatte noch keine Bewerbung geschickt ..."
Ja, es ist eine Altersdiskriminierung, aber keine, die justiziabel ist. Das wäre erst dann der Fall, wenn sich die junge Frau bewirbt, und eine Absage erhält, die mit ihrem Lebensalter begründet wird. Im vorliegenden Fall entscheidet ja niemand direkt darüber, ob siegerade das "richtige" oder dummerweise das "falsche" Alter hat. Die Korrespondenz zeigt deutlich, wie jugendfixiert das Denken von Ausbildern und ihren Vorgesetzten noch immer ist. Warum sollen 37Jährige kein Praktikum oder Volontariat machen können? Es gibt keinen einleuchtenden Grund, der dagegen spricht. Aber vielleicht erklärt dieser Jugendwahn, warum es hierzulande so jämmerlich wenig qualifizierte und reflektierte Berichterstattung gibt. Denn da beißt die Maus keinen Faden ab, diese Jugendfixierung findet sich ja nicht nur in den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten, sondern ebenso bei den privaten Medien, egal ob im Print- Radio- oder Fernsehbereich.
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