01.02.2009 - von Gerd Feller
Es ist gerade einmal ein Jahr her, da forderten die Medien, angeregt von irgendwelchen verkehrspolitischen Experten, man solle für Senioren besondere Gesundheitstest, Fahrprüfungen oder den Führerschein auf Zeit einrichten (vgl. Durchblick, Nr.95, S.4).
Nun erschien im Weser-Kurier vom 09. Januar 2009 ein Artikel mit der Schlagzeile „Polizei nimmt ältere Fahrer unter die Lupe“. Im Untertitel war zu lesen: „Projekt soll fahruntüchtige Senioren herausfiltern/Jeder Unfall wird analysiert/ rechtliche Grauzone“.
Man muss sich einmal die jüngste Schlagzeile auf der Zunge zergehen lassen. Wen oder was nimmt man „unter die Lupe“? Diese Redensweise wird in der Regel verwendet, wenn das Objekt der Betrachtung eines fragwürdigen, obskuren Charakters verdächtigt wird. Sprachlich ebenso unpassend erscheint der Hinweis, Senioren sollten aus etwas „herausgefiltert“ werden, so wie Giftstoffe in den Abgasen eines Kraftfahrzeugs durch den Katalysator herausgefiltert werden.
Im Artikel erscheint auch noch der Hinweis, dass sich Senioren „in dem Raster verfangen“ hätten. Das erinnert an Rasterfahndungen, mit denen Schwerver-brecher gesucht und gestellt werden sollen. An anderer Stelle wird berichtet, der „Chef der Verkehrswacht und Polizist“ habe aus seiner Praxis erzählt, dass „ein 93-Jähriger ein ganzes Zimmer bis unter die Decke voll mit Akten über Rechtsstreits und Ordnungswidrigkeiten“ angefüllt und sich weiterhin ans Steuer gesetzt hätte (vgl. WK, 09.01.09, S.7). Sollte dieses Beispiel ein hinreichender Anlass dafür sein, bei jedem in einen Unfall verwickelten Autofahrer im Seniorenalter zu überprüfen, ob er schon häufiger im Verkehr aufgefallen ist? Solche Streitsüchtigen und Aktensammler gibt es auch unter der jüngeren Bevölkerung.
Sprache ist bekanntlich verräterisch, was das Denken des Sprechenden angeht. Sie lässt Schlüsse zu, hier etwa den, dass die Autorin des Beitrags im Weser-Kurier, wahrscheinlich unbewusst, sehr eigenartig mit älteren Menschen umgeht und vergisst, dass auch sie einen Anspruch auf zumindest sachliche und faire Behandlung haben.
Solche Formulierungen und Übertreibungen, aber auch die Pläne selbst, die das Verkehrskommissariat der Bremer Polizei initiiert hat, geben uns, wenn sie so stimmen wie dargestellt, ein bemerkenswertes Beispiel von Altersdiskriminierung zur Kenntnis. Da werden immer wieder einzelne Verkehrsunfälle, die von älteren Menschen verursacht werden und die in der Tat Kopfschütteln hervorrufen können, benutzt, um allgemein die Fahrtüchtigkeit der Seniorinnen/Senioren anzuzweifeln.
Gegen eine Unfallanalyse ist nichts einzuwenden. Aber warum wird nur bei Fahrern mit 70 und Plus die persönliche Unfallhäufigkeit und sogar ohne Berücksichtigung der Schuldfrage überprüft und zum Anlass genommen, den Druck zur Rückgabe des Führerscheins zu vergrößern? Werden damit nicht ganz subtil die schuldfreien älteren Fahrer vom Opfer zum Täter gemacht? Und muss nicht auch befürchtet werden, dass sich Kontrollaktionen dieser Art schnell auf alle älteren Fahrer ausweiten, auch ohne Anlass, so dass allmählich generell verstärkte Kontrollen gegen Seniorinnen/Senioren durchgeführt werden? Könnte dies nicht mit Recht als Versuch der Entmündigung verstanden werden?
Nur zur Erinnerung: Noch vor 1 Jahr wiesen der Bundesverkehrsminister und die Statistiken des ADAC darauf hin, dass ältere Fahrer proportional die wenigsten Unfälle verursachen. Daran soll sich bis heute nichts geändert haben.
Bremens Senioren bilden als PKW-Fahrer mit 82 Unfällen pro 100.000 Einwohner das Schlusslicht unter den Bundesländern (vgl. Weser-Kurier v. 24.01.09, S.3), wobei die Zahl der verschuldeten Unfälle in der Statistik sogar unklar bleibt.
Auch dann, wenn es problematische Einzelfälle und gelegentliche Uneinsichtigkeit bei älteren Menschen gibt, besteht noch lange kein Grund, eine offizielle Kontrollkampagne nur gegen die Seniorinnen/Senioren zu starten und hinter ihrem Rücken auch noch mit der Verwandtschaft über die Rückgabe des Führerscheins zu kungeln, wie es laut Artikel
nicht nur in Bremen geplant wird.
Man stelle sich den Aufschrei vor, wenn irgendjemand forderte, aufgrund von einigen schwarzen Schafen unter der Polizei sollten auch dort ohne Anlass und Verdachtsmomente unregelmäßige und überraschende Personalkontrollen ablaufen. Das wäre doch ebenso absurd wie der Generalverdacht gegen die Alten.
Wer die geplante Aktion mit irgendwelchen speziellen Schwächen älterer Menschen begründet, muss sich fragen lassen, ob nicht auch die Verkehrsteilnehmer anderer Altersklassen Schwächen haben und gefährliche Fehler machen können und auch machen, die schwere Unfälle mit Körperverletzung oder gar Todesfolge verursachen. Es wäre dann konsequenter und auch gerechter, alle Altersgruppen einzubeziehen, und am besten, wie früher nur von Verkehrsteilnehmern zu sprechen und nicht irgendwelche altersmäßigen Differen-zierungen vorzunehmen.
Und wenn die Polizei öffentlich zugibt, dass sie sich mit ihrem Vorhaben in einem „rechtlichen Graubereich“ bewegt und sich trotzdem mit der Begründung „Gefahrenabwehr“ an der Treibjagd auf ältere Autofahrer beteiligt, muss man sich schon als Bürger eines demokratischen Rechtsstaates fragen, welches Denken sich da breitmacht.
Darstellungsformen und Pläne von der Art, wie sie im o.a. Beitrag erscheinen, fördern im Bewusstsein der Öffentlichkeit Vorurteile und Ressentiments gegenüber den älteren Menschen in unserer Gesellschaft. Die Pläne nähren aber auch den Verdacht, dass man der Verkehrsdichte auf unseren Straßen nicht mehr Herr wird und deshalb zumindest die Alten aus dem Verkehr ziehen will, um Platz zu schaffen.
Dagegen wendet sich die Senioren-Vertretung und hat deshalb das „Büro gegen Altersdiskriminierung“ über diese Angelegenheit informiert. Die Parteien in der Bremischen Bürgerschaft sollten Aktionen, die allein zu Lasten älterer Menschen gehen, nicht billigen.
Niemand hat etwas dagegen, wenn über Verkehrssicherheit nachgedacht wird. Aber man sollte bei den Diskussionen diskriminierende Töne vermeiden bzw. „herausfiltern“. Den zuständigen Institutionen wäre zu raten, sich zukünftig erst einmal mit der Senioren-Vertretung kurz zu schließen, wenn ihre Planungen die Angelegenheiten der Seniorinnen/Senioren betreffen. Das diente einer vernünftigen und letztlich ungetrübten Zusammenarbeit, wie sie in der Vergangenheit schon praktiziert wurde.
Den Weser-Kurier scheinen nicht wenige Protestbriefe erreicht zu haben; denn in der Ausgabe vom 24.01.09 beschäftigt sich eine ganze Seite mit dem Thema „Senioren am Steuer“, immerhin diesmal schon ein wenig sachlicher und ausgewogener. Es geht doch!
Durchblick, Nr. 109, 02. 09, Mitteilungen d. LSV Bremen
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Am 19.03.2009 sprach sich der sozialpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Werner Kuhn, in Schwerin gegen diskriminierende Untersuchungen einzelner Altersgruppen von Verkehrsteilnehmern aus. HS
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