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Jobbörse neu gestaltet: Diskriminierung bleibt

18.08.2009 - von Theodor Sabiote Grün

Seit diesem Wochenende, an dem das AGG drei Jahre alt wird, präsentiert die Bundesagentur für Arbeit (BA) stolz ihre neu-gestaltete Jobbörse unter LinkDie Tatbestandsmerkmale 'Alter' und 'Geschlecht' werden jedoch immer noch veröffentlicht. Die Jobbörse beinhaltet nicht nur die Möglichkeit Stellenangebote aufzugeben, sondern ermöglicht es ArbeitgeberInnen Bewerberprofile einzusehen und zu durchsuchen.

3.823.046 Bewerberprofile, Stand: 17.08.2009, werden durch die Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht. 3.823.046 Bewerberprofile stehenn potenziellen ArbeitgeberInnen zur Verfügung.

Und bei näherer Betrachtung haben es diese Bewerberprofile in sich. Auf meine Anfrage teilte mir die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADB) mit, dass die Profile dazu dienen ArbeitgeberInnen 'Transparenz über Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt' zu vermitteln.

Diese 'Transparenz' ist ernüchternd und erschreckend. Sie reicht von einer unsensiblen Realisierung dieser 'Transparenz' bis hin zur missbräuchlichen Auslegung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).

Kunden der Arbeitsagentur können ihre Bewerberprofile auf Wunsch anonym veröffentlichen. Das machte auch ich. Ich unterschrieb eine Wiedereingliederungsvereinbarung mit der Zustimmung zu einer anonymen Veröffentlichung meines Bewerberprofils in der Jobbörse der BA. Fordern und Fördern. Bei genauerer Betrachtung meines anonymen Profils fiel mir jedoch auf, dass dieses Angaben zu Alter und Geschlecht enthielt. Das wollte und will ich nicht. Für meine Tätigkeiten fallen mir keine Gründe ein, wieso Angaben zu Alter und Geschlechtes notwendig sind. Für Bundespräsidenten, Notare, Piloten z.B. bestehen gesetzliche Bestimmungen hinsichtlich des Alters. Doch auch in solchen Fällen untergräbt die konkrete Altersangabe den Schutz gegen Altersdiskriminierung, sei diese nun positiv oder negativ. Die zwangsweise Veröffentlichung der Tatbestandsmerkmale Alter und Geschlecht ist eine tradierte, vernatürlichte, deutsche, kulturelle Praktik.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes versuchte die Praktik zu begründen. Dabei bezieht sie sich auf das AGG, welches ja eigentlich dem Schutz vor Diskriminierung dient. Nämlich auf den § 8 AGG 'Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen' und den § 10 AGG 'Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters'. Diese 'Zulassungen' von Ausnahmen habe ihren Sinn. Dann z.B. wenn aufgrund von Quotenregelungen Frauen bevorzugt behandelt werden.

Jedoch fehlt eine Suchfunktion nach Geschlecht. Wieso?
Ich frage: Ist es richtig, dass eine Institution des Bundes 3.823.046 (17.08.2009) Menschen das Recht auf Schutz vor Diskriminierung verwehrt? Ist es nicht so, dass hier eine mangelhafte Kompetenz in Sachen Gleichbehandlung vorliegt? Dass die 'tansparente' Repräsentation von Menschen über deren Rechte hinweg durchgesetzt wird?

Eine Lösung ist denkbar einfach. Die Tatbestandsmerkmale Alter und Geschlecht werden nicht mehr veröffentlicht und die Suchfunktion 'Alter von-bis' entfällt. ArbeitgeberInnen mit einer begründeten Ausnahme zur zulässigen unterschiedlichen Behandlung aufgrund von Alter und Geschlecht wenden sich an die BA. Deren kompetente MitarbeiterInnen prüfen den Sachverhalt und vermitteln passende Bewerberprofile. Ohne Angaben zu Alter und Geschlecht.

Die fehlende Sensibilität der Behörde zeigt sich auch daran, dass die anonymen Profile über Kontaktdaten erreicht werden, welche einen Rückschluss auf die finanzielle Lage/das Einkommen der Person zulassen. Wird er oder sie durch eine Agentur betreut handelt es sich um eine Arbeitslosengeld (ALG 1) EmpfängerIn (SGBIII). Ist der Kontakt ein Jobcenter oder eine ARGE bekommt er/sie Leistungen nach dem zweiten Sozialgesetzbuch (ALG II, auch als Hartz IV bekannt).

Das AGG beinhaltet keinen Schutz vor Diskriminierung aufgrund von sozialer Herkunft/Stand. Doch wäre es nicht schön, wenn die BA eine solche Hierarchisierung und Stigmatisierung von Menschen in ALG1 und Hartz4 EmpfängerInnen vermeiden würde?

Dass 3.823.046 Menschen die Machenschaften der BA hinnehmen macht mich nachdenklich. Das die Antidiskriminierungsstelle des Bundes das auch noch rechtfertigt beängstigt.
Link

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=3186
Quelle: Mail an die Redaktion

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