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Wie man alte Rentner behandelt: Zahn + Herz

31.08.2009 - von W.S.

Habe Jahrzehnte hindurch als Mitglied der KKH – sie heißt jetzt "KKH-Allianz" den höchsten Beitragssatz gezahlt. Sie bietet eine Reihe von privaten Leistungen
der Allianz an, welche die gesetzlichen Kassen nicht mehr be-
zahlen - aber nur, wenn man noch keine 71 ist. Vielleicht hilft das folgende zur Aufklärung darüber, wie man alte Rentner behandelt. Dabei geht es um eine Zahnbehandlung und um das Herzmedikament Strophanthin. Das sind aber nur zwei von mehreren Erlebnissen, es wäre einfach zu viel Text geworden, wenn ich die anderen auch noch geschildert hätte.

1. Zahnbehandlung
Was ich zur Zeit mit einer Gutachterin erlebe, scheint auf Vorsatz zu beruhen, eine geplante Zahnbehandlung in Stettin (Polen) zu behindern (oder zu verhindern?) In einem ersten Gutachten hatte sie behauptet,sie könne dem Heil- und Kostenplan der Stettiner Klinik nicht zustimmen, weil sie Röntgenaufnahmen für die Zähne 11 und 42 benötige, die sie aber nicht selber anzufertigen bereit war.
Weil man deshalb kaum einen deutschen Zahnarzt aufsuchen kann, der natürlich wissen möchte, warum er die Aufnahmen machen solle, wurde eine Fahrt nach Stettin notwendig. Nachdem die Gutacherin die in Stettin angefertigten Aufnahmen erhalten hatte und sie an den Zähnen 11 und 42 nichts bemängeln konnte, verlangte sie nunmehr in einem zweiten Gutachten die erneute (!) Vorlage eines Heil- und Kostenplans - nunmehr wegen Zahn 34 - sie könne wiederum dem Kostenplan "nicht zustimmen, weil Zahn 34 suffizient" - also nicht behandlungsbedürftig - und für diesen deshalb "prothetische Neuversorgung nicht notwendig" sei. In ihrem ersten „Gutachten“ hatte sie davon nichts erwähnt. Der Stettiner Klinik zufolge sind aber "Zahnpräparation für Stiftaufbau, Radix Anker - Standard, Stufenpräparation,
provisorische Krone und Teleskopkrone für Zahn 34" vorgesehen. (Ein Berliner Zahnarzt hatte offenbar ähnliche Maßnahmen vor, wie aus von ihm am 6.6.09 erstelltem „Heil- und Kostenplan“ hervorzugehen scheint, er hatte gesagt, er wolle alle vorhandenen Zähne im
Oberkiefer abschleifen und überkronen.) Offenbar hatte die Gutachterin nunmehr ein drittes - die Behandlung weiter verzögerndes - Gutachten im Sinn,
die KKH billigte allerdings inzwischen den Kostenplan,
reduzierte aber den von der HAHS veranschlagten Zuschuss von 2441,20 € auf 2066,00 €. Auf Grund früherer Erfahrungen wird von mir befürchtet, bei Abweichung vom jetzt gebilligtem Heil- und Kostenplan könnte die Kasse Probleme machen bei bestimmten Leistungen oder sogar den Zuschüsse gänzlich verweigern – weil die Zusage für den Zuschuss verklausuliert scheint und die Kasse zu einer präziseren Erklärung nicht bereit ist.

2. Herzmedikament Strophantil
Was ich wegen der Zahngeschichte erlebe, ist verhältnismäßig harmlos verglichen mit dem, was meine Krankenkasse sich geleistet hatte wegen eines seit 120 Jahren bekannten Herzmedikaments (Strophanthin), das vorübergehend vom Markt verschwunden war. Als wegen Unverträglichkeit der jetzt üblicherweise verordneten Herzmedikamente diese abgesetzt werden mussten, und ein Kardiologe und der Hausarzt einen Herzschrittmacher für notwendig hielten, war dieses Mittel plötzlich wieder erhältlich ...
Das Mittel wirkte so gut, dass der geplante Herzschrittmacher nicht mehr erforderlich war. Auch der jahrelang zuvor behandlungsbedürftige hohe Blutdruck normalisierte sich durch die Wirkung des Medikaments, so dass ein teurer Blutdruck-Senker ebenfalls abgesetzt werden konnte. Alles das störte die KKH nicht - weder die eingesparten Kosten für den nicht mehr notwendigen Herzschrittmacher noch die fortan eingesparten Kosten für Herz- und Kreislaufmedikamente. (Eine mir bekannte privatversicherte 80jährige Beamtenwitwe musste kürzlich für einen Herzschrittmacher allein 10 000 Euro auslegen – dazu kamen noch die Krankenhauskosten.)
Die KKH weigerte sich, die Kosten für Strophanthin-Ampullen zu ersetzen - die - weil nicht mehr serienmäßig produziert - von einer Karlsruher Apotheke beschafft werden konnten. Die KKH zitierte als Begründung ein BSG-Urteil, das SozialGesetz-Buch V, erklärte ferner, das Medikament sei "nicht im Leistungskatalog der KKH enthalten" und zitierte außerdem das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen. Der meinte, es handele sich "um ein "veraltetes Mittel, das kaum noch Verwendung findet" weil angeblich Digitals besser sei. (Aber Digitalis kann u.a. Bradykardie verursachen – (wie in meinem Falle) und Therapieanweisungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie enthalten sogar eine dementsprechende Empfehlung „Digitals und ggf. andere bradykardisierende Medikamente absetzen.“

Einige Monate später - während eines 1 1/2jährigen Beschwerdeverfahrens - meinten vom Petitionsausschuss des
Bundestages befragte „Experten“ – was sehr zu Erstaunen Anlass gab: "Es handelt sich um ein neues (!) Medikament, das die für Zulassungen von Medikamenten zuständige ArzneimittelPrüfstelle "noch nicht geprüft" habe (!). Nochmals: Es handelt sich um ein seit 120 Jahren bekanntes, bewährtes, bis ca. 1975 standardmäßig eingesetztes, als lebensrettend bekanntes Mittel.
Der wirksame Bestandteil für eine Ampulle kostet 1,4 Cent. Daran lässt sich nichts verdienen - aber auf Grund gesetzlicher Vorschriften müssen alle - auch
altbekannte, zuverlässige Medikamente - neu zugelassen werden. Die dafür nötigen "Doppelblindstudien" kosten pro Medikament Beträge in Millionen-Euro-Höhe. (Da braucht sich niemand über hohe Arzneimittelpreise zu wundern.)
Diese Unsummen wollen oder können manche Produzenten nicht aufbringen und deshalb existiert nur noch ein einziger Hersteller, die anderen fünf haben die Produktion entweder eingestellt oder sogar ihre Betriebe geschlossen, wie z.B. der letzte Produzent von Strophanthin-Ampullen – die „Eiffel-Fango-Pharma“ in Bad Neuenahr.

Wenn Sie interessiert sein sollten, können Sie in einem
Artikel des Wissenschafts-Journalisten Volkmar Schwabe die merkwürdigen Umstände nachlesen, unter denen das Medikament verschwand – obwohl es bis Ende der 70er Jahre als lebensrettend bekannt und sowohl von Intensivstationen wie in der Notfall-Medizin verwendet wurde.
"Strophanthin - das vergessene Medikament" Link
Sowohl der MDK als auch im Zusammenhang mit einer Beschwerde beim Petitionsausschuss befragte "Experten" des BundesGesundheitsministeriums verlangten die Weiterverwendung "zahlreicher anderer, vorhandener,
zugelassener Medikamente", von denen ich viele kannte, mit denen ich aber beinahe totkuriert worden wäre. Das BundesGesundheitsministerium meinte sogar: "Patient hat keinen gesetzlichen Anspruch auf die von ihm ‚gewünschten’ Medikamente", ich blieb also auf den gestiegenen Kosten sitzen, obwohl es sich um ein zugelassenes, rezeptpflichtiges Mittel handelt.
12 Strophanthin-Ampullen kosteten 12 DM. also 1 DM pro Ampulle, es war also spottbillig verglichen mit anderen, weniger wirksamen oder mit Nebenwirkungen belasteten
Mitteln.

Es wäre noch bedeutsam die Anmerkung, dass ein amerikanischer Wissenschaftler Ende der 90er Jahre entdeckte, dass der pflanzliche Wirkstoff des Strophanthin einem bei Mensch und Tier vorkommendem Hormon entspricht. Dieses Hormon wird unter Stress in erhöhter Menge ausgeschüttet und gilt als „Herzschutz-Hormon“ – bereits Ende der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts vermutete man derartige Eigenschaften des Wirkstoffs. Wissenschaftler, z.B. von der Universität Gießen, kamen
zum gleichen Ergebnis wie die Universität Maryland. Trotzdem finden Versuche statt, das Medikament mit unlauteren Methoden vom Markt zu verdrängen.

Vielleicht könnte das Mittel sich als störend erweisen bei Versuchen, das Rentenproblem mittels „sozialverträglicher Förderung des Frühablebens
zählebiger Rentner“ zu lösen. Denn es ist nicht nur bei Herzkrankheiten, Herzinfarkten, sondern auch bei Schlaganfall- Gefahr wirksam. Das würde dann auch den Eifer und den Nachdruck
erklärbar machen, mit welchem die Weiterverwendung von Digitalis, Beta-Blockern, ACE-Hemmern, Sotalol und anderen Medikamenten von KKH, MDK und sogar Experten des BGM verlangt wurde.

Denn ich bin schon etwas älter ..
.

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=2601
Quelle: Mail an die Redaktion

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