Diskriminierung melden
Suchen:

Rentenversicherung: Wir betrügen Generationen

Berlin, April 2010

07.08.2010 - von diverse

Der Vorstoß von Minister Brüderle, FDP bezüglich der Rentengarantie sorgt weiterhin für Unruhe. Nun hat sich dazu auch der SPD´ler Peer Steinbrück in SpiegelOnline-Politik zu Wort gemeldet. Es sei ein "schwerer Fehler" gewesen, der Rentengarantie zugestimmt zu haben. Laut abgeordnetenwatch.de vom 18.8.2010 ist Steinbrück, der ehemaliger Bundesfinanzminister und frühere Ministerpräsident von NRW, der durch seine Stimmenthaltung im Bundesrat ein umfassendes AGG verhindert hat, inzwischen nicht mehr "nur" Mitglied des Bundestags, sondern Buchautor, vielbeschäftigter Referent und seit 2010 Aktionärsvertreter im Aufsichtsrat der ThyssenKrupp AG. Seit der Bundestagswahl Ende 2009 hat er mindestens 29 Vorträge gehalten und dafür mehr als 200.000 Euro an Honoraren bezogen. Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de hat Steinbrück 2010 in mindestens zwei Fällen Gastvorträge gehalten, bei Bundestagssitzungen am selben Tag jedoch gefehlt.
Steinbrücks Nebentäigkeitsgeschäfte laufen für ihn sehr zufriedenstellend. So meldete dpa am 21.4.2012, der frühere Finanzministe habe in der ktuellen Wahlperiode mindestens 600 000 Euro an Vortragshonoraren und anderen Nebentätigkeiten erkassiert. Das Honorar für seine Vorträge soll fast immer bei 7.000 Euro liegen.


Vom Bündnis für Rentenbeitragszahler und Rentner e.V.(BRR) wurde in der Sache "Rentengarantie" ein Offener Brief formuliert, der in einer Gemeinschaftsaktion zusammen mit den Organisationen Betriebsrentner e.V. und der Aktion Demokratische Gemeinschaft e.V. - ADG an Herrn Minister Brüderle, Sachsens CDU-Ministerpräsident Tillich, die FDP-Bundespartei sowie die CDU-Bundespartei geschickt wurde. Bitte verteilen Sie den Brief an möglichst viele Verwandte, Bekannte, Freunde und Interessenten. Danke für die Mühe.

Offener Brief
Sehr geehrter Herr Minister Brüderle,
Ihre Äußerungen, die Rentengarantie abschaffen zu wollen, veranlasst uns Ihnen zu schreiben. Die Perversität der Gesetzgebung im Rentenrecht zeigt sich darin, dass Rentnerinnen und Rentner durch eine Rentengarantie vor ihr geschützt werden müssen. Das halten Sie natürlich für falsch und berufen sich auf eine Rentenformel, welche die Politik nach Gutdünken und Beliebigkeit geschaffen hatte und die mit versicherungstechnischen Ansprüchen nichts mehr zu tun hat. Die Rentenformel ist deshalb eine Form von politisch legalisierter Gewalt gegen 20 Mio. Rentnerinnen und Rentner und 35 Mio. Rentenbeitragszahler.

Ein Rentensystem, dass seine Versicherten bis zu einem halben Jahrhundert Beiträge bezahlen lässt, die dafür nur „Entgeltpunkte“ erwerben können, die wiederum beliebig nach Kassenlage, Wirtschaftslage und politischer Beliebigkeit im Zeitpunkt X des Renteneintritts bewertet werden, ist keine Altersversorgung sondern legalisierter Versicherungsbetrug zur Entlastung der öffentlichen Haushalte.

Diese Rentenpolitik bedroht nicht nur die Alten sondern vor allem junge Menschen mit Altersarmut. Die permanente Berieselung der Öffentlichkeit mit der Generationengerechtigkeit im Rentenrecht ist eine bewusste Falschinformation der Politik zum Nachteil von 20 Mio. Rentenrinnen und Rentner. Das Generationenunrecht in der Rentenversicherung basiert auf den politisch gewollten und per Gesetz erzwungenen versicherungsfremden Leistungen. Diese wurden zuletzt von der Rentenversicherung im Jahr 2003 mit 29,1 Prozent von den Ausgaben der Rentenversicherung beziffert. Die „Ausgaben der Rentenversicherung“ sind aber nicht die „Ausgaben für die Renten!“ Dieser Zusammenhang wird von der Politik ganz bewusst in der
Öffentlichkeit nicht transparent gemacht.

Mit Sicherheit ist Ihnen, der Regierung und dem Parlament bekannt, was der Vorsitzende des Bundesvorstandes der Deutschen Rentenversicherung Alexander Gunkel am 24.06. 2010 in Frankfurt auf der Bundesvertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund als Prognose zu den Zahlen für 2010 abgab. Herr Gunkel sagte: „Die Ausgaben dürften um etwa 2 Mrd. Euro über den Einnahmen von knapp 240 Mrd. Euro liegen.“ Damit liegen die Ausgaben der Rentenversicherung bei 242 Mrd. Euro und die „Ausgaben für die Renten“ um 29,1 Prozent (70,4 Mrd. Euro)niedriger. Sie betragen nur 171,6 Mrd. Euro und liegen deutlich unter den Einnahmen der Rentenversicherung.

Wie kommen Sie eigentlich dazu, durch Ihre Forderung die Rentengarantie wegfallen zu lassen und damit letztlich Rentenkürzungen zu wollen, obwohl die Rentenbeiträge ausreichend für die Renten wären, wenn nicht die Regierung durch die versicherungsfremden Leistungen ihre öffentlichen Haushalte auf Kosten der Rentenversicherung entlasten würde?

Deshalb fordern wir Sie und Ihre Regierung auf, sorgen Sie zuallererst dafür, dass die versicherungsfremden Leistungen aus der Rentenversicherung ausgegliedert und über Steuern finanziert werden.

Sorgen Sie als Zweites dafür, dass 632 Mrd. Euro Rentenbeitragsgelder (vorwiegend der heutigen Rentnergeneration), welche als versicherungsfremde Leistungen und nicht durch Steuerzuschüsse gedeckt, von 1957 bis 2008 der Rentenkasse gesetzlich legalisiert entwendet wurden, den Rentenversicherten wieder zurück gegeben werden. Dann brauchen Sie sich um den Zustand der Rentenversicherung keine außerordentlichen Sorgen mehr zu machen, sehr wohl aber um Ihre öffentlichen Haushalte.

Dann würde Ihnen auch niemand mehr glauben, dass die Rentenkasse mit Steuergeld gestützt werden muss, sondern es wäre für jedermann/jedefrau ersichtlich, dass mit Rentenbeitragsgeldern die öffentlichen Haushalte subventioniert werden.

Die Generationenungerechtigkeit basiert nicht auf den Rentenzahlungen, sondern auf den politisch gewollten und zu verantwortenden versicherungsfremden Leistungen.
Wann übernehmen Sie und ihre Regierung endlich dafür die Verantwortung?

Warum, möchten wir von Ihnen wissen, haben Sie sich nicht zu Wort gemeldet, als die Pensionen für 2010 um 1,2 Prozent erhöht wurden, obwohl diese aus öffentlichen Haushalten bezahlt werden müssen, die mehr oder weniger bankrott sind. Diese heute gezahlten Pensionen gehen in die allgemeine Staatsverschuldung ein und müssen von Generationen bezahlt werden, die erst noch geboren werden müssen.

Die gesetzliche Rentenversicherung ist nicht die einzige Form der Altersversorgung aber immer als Einzige im Fokus der Öffentlichkeit. Warum?

Sie sind wenig glaubwürdig, wenn Sie einem System von solidarisch und unsolidarisch Versicherten das Wort reden in dem für die Einen nicht gilt was für die Anderen selbstverständlich ist.

Warum, möchten wir von Ihnen wissen, haben Sie sich nicht zu Wort gemeldet, als durch den Regierungswechsel von schwarz-rot zu schwarz-gelb folgende Ministerpensionen fällig wurden und die öffentlichen Haushalte monatalich belasten:

Ex-Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul 9.430.- €
Ex-Gesundheitsministerin Schmidt 8.410.- €
Ex-Außenminister Steinmeier 3.560.- € (Anspruch)
Ex-Justizministerin Zypries 5.500.- € (Anspruch)
Ex-Arbeitsminister Scholz 2.070.- € (Anspruch)

Die immer wieder angeführte politische Rechtfertigung, dieser unhaltbaren Zustände im Rentenrecht, mit dem Generationenvertrag, ist an „Fadenscheinigkeit“ nicht mehr zu überbieten.

Der Mythos des Generationenvertrages wird im Wesentlichen von denen bemüht, die sich nicht daran beteiligen!!! Uns ist kein Vertrag zwischen irgendwelchen Generationen bekannt, dafür aber eine politische Entscheidung, welche die kapitalgedeckte Rentenversicherung 1957 in ein Umlagesystem überführte. Dadurch konnten die heutigen Rentner nicht mehr für ihre
Altersversorgung selber vorsorgen und die Jüngeren wurden verpflichtet, für die Alten aufzukommen.

Dass die Jungen heute für die Altersversorgung der Alten
aufkommen müssen, ist politischer Wille und nicht der Wille
der Generationen!
Der vordergründig so hoch gelobte Generationenvertrag hatte von Anfang an nur ein Ziel: Die Entlastung der öffentlichen Haushalte! Denn ohne den Generationenvertrag hätten die Renten nach dem 2. Weltkrieg (Stand Null) aus Steuergeldern aufgebracht werden müssen, also von allen Erwerbstätigen: Abgeordneten, Beamten, Freiberuflern und Arbeitnehmern.

Wir, die heutigen Rentnerinnen und Rentner, hätten ohne den „Generationenvertrag“ dann weiterhin 40 bis 50 Jahre in eine kapitalgedeckte Rentenversicherung einbezahlt, würden heute eine mindestens doppelt so hohe Rente erhalten, müssten uns bei niemandem dafür bedanken und uns heute von Ihnen nicht so darstellen lassen, als ob wir auf Kosten anderer leben würden.

Mit dem Generationenvertrag wurden Abgeordnete, Beamte und Freiberufler der Solidarität entbunden und die Lasten der Altersversorgung nach dem 2. Weltkrieg ausschließlich den Arbeitnehmern aufgebürdet. Diese Solidaritätsverweigerung bestimmter Berufsgruppen ist bis heute erhalten geblieben.

Mit der Wiedervereinigung wurden die Rentenversicherten aufgrund des Generationenvertrages ein weiteres Mal betrogen. Bei der Überführung der Rentenversicherung der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung wurden die DDR-Vermögen, aus denen bisher die DDR-Renten bezahlt wurden, vom Bundesfinanzminister in den Bundeshaushalt übernommen und kamen somit allen Steuerzahlern zugute.

Die Rentenlasten für alle Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes der DDR, der Beamten der Regierung und Ministerien, der Volkspolizei, der Volksarme, der Staatssicherheit, der Schulen, Hochschulen und wissenschaftlichen Institute usw., mit all ihren in DDR-Zeiten zugesagten Sondervergütungen, trägt die
Rentenversicherung
.

Den Slogan der Rentenversicherung „Wir sichern Generationen“, könnte man somit auch als „Wir betrügen Generationen“ verstehen.

Wir widersprechen Ihren Äußerungen zur Abschaffung der Rentengarantie in aller Form. Wir protestieren auch gegen die Selbstverständlichkeit wie diese Regierung und alle Vorgängerregierungen Rechtsnormen in den Altersversorgungssystemen unterschiedlich zur Anwendung bringen.

Durch die willkürliche Einteilung der Bürgerinnen und Bürger in solidarisch und unsolidarisch Versicherte, nach dem Ständestaat des 19. Jahrhunderts, ist die Politik in den Altersversorgungssystemen in Deutschland zu einer Apartheidpolitik verkommen, die wir ablehnen.
Wir schließen unser Protestschreiben mit Verweis auf den Rechtsphilosophen und ehemaligen Justizminister der Weimarer Republik Gustav Radbruch, in dessen juristischen Ausarbeitungen wir sehr wohl Parallelen zum Rentenrecht sehen:

Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht
Wo Gerechtigkeit nicht einmal erstrebt wird, wo die Gleichheit, die den Kern der Gerechtigkeit ausmacht, bei der Setzung positiven Rechts bewusst verleugnet wurde, da ist das Gesetz nicht etwa nur ‚unrichtiges‘ Recht, vielmehr entbehrt es überhaupt der Rechtsnatur. Denn man kann Recht, auch positives Recht, gar nicht anders definieren als eine Ordnung und Satzung, die ihrem Sinne nach bestimmt ist, der Gerechtigkeit zu dienen. Wo die Ungerechtigkeit des positiven Rechts ein solches Maß erreicht, dass die durch dieses Gesetz garantierte
Rechtssicherheit gegenüber seiner Ungerechtigkeit überhaupt nicht mehr ins Gewicht falle, trete dieses „unrichtige“ Recht gegenüber der Gerechtigkeit zurück. Wo der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, hat das Gesetz als
unrichtiges Recht‘ der Gerechtigkeit zu weichen. „Wo also […] Gerechtigkeit nicht einmal erstrebt wird, können die so geschaffenen Anordnungen nur Machtsprüche sein, niemals Rechtssätze.

Mit freundlichen Grüßen
Herbert Heinritz, Vorsitzender Bündnis für Rentenbeitragszahler und Rentner e.V.
Heider Heydrich, Vorsitzender Betriebsrentner E.V.
Albert Hartl, Vorsitzender Aktion Demokratische Gemeinschaft e.V.
Helmut Wiesmeth, Mitglied in der Aktion Demokratische Gemeinschaft e. V.

Link: Wie Rentenversicherung ruiniert wurde
Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung