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LAG Hamburg: 2 Monatsfrist des AGG

25.10.2010 - von Dr. Bertelsmann

Das Landesarbeitsgericht Hamburg unter Vorsitz des Richters Christian Lesmeister verhandelt am Mittwoch, 27.10.2010 ab 9.30 Uhr (Saal 411) über die Umsetzung eines Urteils des EuGH zur Altersdiskriminierung.

Der Fall:
Frau Susanne B. bewarb sich bei einem Call-Center (Firma DBS in Hamburg), das Mitarbeiter/innen suchte – mit altersspezifischen Anforderungen wie „für unser junges Team“, „Du bist zwischen 18-35 Jahre alt“. Telephonisch wurde ihr mitgeteilt, dass sie die Stellenanforderungen nicht erfülle, sie erhielt ihre Bewerbungsunterlagen zurück. Eingestellt wurden, wie sich im Gerichtsverfahren herausstellte, junge Leute um die 20. Frau B. sah sich wegen ihres Alters (immerhin 41 Jahre) diskriminiert und erhob Klage beim Arbeitsgericht Hamburg, zehn Wochen nach Rücksendung der Bewerbungsunterlagen. Sie forderte wegen Altersdiskriminierung eine Entschädigung in Höhe von drei Monatsentgelten, also ca. € 5.700.-.

Das Problem:
wenn jemand bei einer Einstellung diskriminiert worden ist, kann die betreffende Person nach § 15 AGG eine finanzielle Entschädigung verlangen. Ein solcher Anspruch muss aber nach § 15 Abs. 4 AGG schriftlich geltend gemacht werden, und zwar normalerweise bei Einstellungen innerhalb von zwei Monaten nach Rücksendung der Bewerbungsunterlagen.

Frau B. aber hatte ihre Klage etwas außerhalb dieser 2-Monats-Frist eingereicht, nämlich nach 10 Wochen. Der Rechtsanwalt der Klägerin, Dr. Klaus Bertelsmann aus Hamburg, hatte u.a. argumentiert, dass die 2-Monats-Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen zu kurz sei und gegen EG-Recht verstoßen würde. Das Arbeitsgericht Hamburg hatte wegen der Frist die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Hamburg jedoch hatte mit einer Entscheidung vom 3.9.2009 (Aktenzeichen 3 Sa 5/09) dem EuGH in Luxemburg die Frage nach der Zulässigkeit der 2-Monats-Frist vorgelegt.

Entscheidung des EuGH:
Der EuGH hatte dann am 08.07.2010 sein Urteil in Sachen Susanne B. gegen die Firma DBS verkündet (Aktenzeichen C-246/09) und entschieden, dass (in Kurzform, Originaltext siehe hinten) das EU-Recht zwar keine genauen Fristen vorgebe. Jedoch müssten die Fristen zur Geltendmachung von Entschädigungen wegen Diskriminierung in etwa so lang sein wie die des normalen innerstaatlichen Arbeitsrechts. Zudem könne der Beginn der Frist nicht einfach festgelegt werden auf die Rücksendung der Bewerbungsunterlagen, sondern auf die Kenntnis der Benachteiligung.

Fortführung des Verfahrens beim LAG Hamburg
Ob das deutsche Recht diesen Anforderungen des EuGH genügt, muss das LAG Hamburg nun prüfen und entscheiden.

Rechtsanwalt Dr. Bertelsmann, der die Klägerin vertritt, hat bereits eine große Zahl von Verfahren um die Gleichbehandlung von Frauen und Männern und nun auch nach dem neuen AGG geführt. Er meint dazu:
„Wir werten die 2-Monats-Frist als unüblich kurz im Vergleich zu den normalen arbeitsrechtlichen Fristen. Und vor allem: der EuGH verlangt, dass die Frist erst zu laufen beginnen darf ab Kenntnis der Diskriminierung, nicht schon ab Rücksendung der Bewerbungsunterlagen. Das kann nun zu einer entscheidenden Erweiterung der bisherigen Auslegung des AGG führen und auch Klagen gegen solche Diskriminierungen ermöglichen, die erst viel später erkannt werden.“

Das LAG Hamburg unter Vorsitz des Richters Christian Lesmeister wird nun in einer neuen Verhandlung am Mittwoch klären, inwieweit die gesetzlich vorgegebene Frist in Auslegung des EuGH nicht hat eingehalten werden müssen.

Hier der Text des Tenors der Entscheidung des EuGH v. 8.7.2010:

„1. Das Primärrecht der Union und Art. 9 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Verfahrensvorschrift nicht entgegenstehen, wonach derjenige, der bei der Einstellung wegen des Alters diskriminiert worden ist, seine Ansprüche auf Ersatz des Vermögens- und Nichtvermögensschadens gegenüber demjenigen, von dem diese Diskriminierung ausgeht, innerhalb von zwei Monaten geltend machen muss, sofern - zum einen diese Frist nicht weniger günstig ist als die für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe im Bereich des Arbeitsrechts, - zum anderen die Festlegung des Zeitpunkts, mit dem der Lauf dieser Frist beginnt, die Ausübung der von der Richtlinie verliehenen Rechte nicht unmöglich macht oder übermäßig erschwert. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob diese beiden Bedingungen erfüllt sind.

Link: EuGH: AGG + 2 Monatsfrist - Entschädigung…
Quelle: PM, Dr. Rechtsanwalt Bertelsmann