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Pflegeversicherung: Das neue Pflegeverständnis

07.12.2010 - von Hanne Schweitzer

Pflegegipfel bei Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler. Am 7. 12.2010 trafen sich Funktionäre und Experten zum ersten "Dialog-Forum Pflege", um über die geplante "Reform" der Pflegeversicherung und das neue Pflegeverständnis zu sprechen. Die Vorgaben für das Gespäch wurden im Koalitionsvertrag von CDU,CSU,FDP 2009 festgelegt. "Wir brauchen neben dem bestehenden Umlageverfahren eine Ergänzung durch Kapitaldeckung, die verpflichtend, individualisiert und generationengerecht ausgestaltet sein muss."

FDP Vizechefin Cornelia Pieper echote: "Wir wollen einen Einstieg in ein kapitalgedecktes Verfahren für die jüngere Generation. Ansonsten ist die Pflege zukünftig nicht mehr finanzierbar". Volker Kauder erwog im Hinblick auf die demografische Entwicklung und die zunehmende Zahl der Pflegebedürftigen den Aufbau eines Kapitalstocks. Das dieser nur von den Beschäftigten und nicht auch von den Arbeitgebern finanziert werden soll, entspricht dem neuen Pflegeverständis von schwarz-gelb.

Die Versicherungsbranche freut sich und reibt sich die Hände. Aus dem Pflegenotstand soll ein Supergeschäft für Allianz (Marktführer in den USA, dem neben Frankreich einträglichsten Markt für private Pflegeversicherungen), Axa und Co. werden. Denn anders als bei Riester-Verträgen, die (noch) freiwillig sind, soll nach dem Willen von Merkel und Co. jeder und jede eine private Pflegeversicherung abschließen MÜSSEN.

Um diesen neuen Markt geht es und nicht um ein neues Verständnis von Pflege. Dieses "neue" pragmatische Verständnis wird man sich in den USA abgeschaut haben, wo sich Ulla Schmidt schon etliche Anregungen für ihre diversen Gesundheitssystem-Verschlechterungsreformen geholt hat.

Pflegebedürftigkeit liegt in den USA dann vor, wenn mindestens zwei von sechs Verrichtungen des täglichen Lebens während mindestens 90 Tagen nicht mehr ohne fremde Hilfe ausgeführt werden können. Dabei handelt es sich um:
1.
selbstständig Essen können (Eating is defined as the process of putting food into the body • from some receptacle, such as a cup or plate • by means of a feeding tube • intravenously)
2.
selbstständiges Baden oder Duschen (Bathing is defined as the act of washing oneself in a bathtub or shower, or by sponge bath. It also includes the individual’s ability to get into and out of a shower or tub.)
3.
Selbstständiges An- und Auskleiden (Dressing is defined as the individual’s ability to put on and take off • all items of clothing • any needed braces, fasteners or artificial limbs)
4.
Selbstständiges Aufsuchen der Toilette (Toileting is defined as • getting to and from the toilet • getting on and off the toilet • performing associated personal hygiene)
5.
Selbstständiges Aufstehen und Hinsetzen (Transferring is defined as moving into or out of a • chair • bed • wheelchair)
6.
Selbstständige Kontrolle des Darms und der Blase oder selbstständige Pflege eines Katheters oder eines Kolostomiebeutels (Continence is defined as the individual’s ability to • control his or her bowel or bladder functions • adequately perform needed personal hygiene, including taking care of a catheter or colostomy bag, when unable to control bowel or bladder functions)

Rösler verkauft diese versicherungserprobten Definitionen von Pflegebedürftigkeit und sein Engagement für ein neues Pflegeverständnis mit den Worten: "Die heutige Minutenpflege entspricht nicht mehr unserem Menschenbild."


Es ist Zeit, dass der Stein sich zu blühen bequemt. Paul Celan.

Link: Pflegeversicherung: Koalitionsvereinbarung 2009
Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung

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