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Altersdiskriminierung bei Entgeltsystem des BAT

15.09.2010 - von (sci)

Das Bundesarbeitsgericht legt dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor: 1. Verstößt eine tarifliche Entgeltregelung für die Angestellten im öffentlichen Dienst (§ 27 BAT i.V.m. VergütungsTV Nr. 35 zum BAT), die die Grundvergütungen in den einzelnen Vergütungsgruppen nach Lebensaltersstufen bemisst, auch unter Berücksichtigung des primärrechtlich gewährleisteten Rechts der Tarifvertragsparteien auf Kollektivverhandlungen (jetzt Art. 28 GRC) gegen das primärrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung (jetzt Art. 21 I GRC) in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78/EG?

Bei Bejahung der Frage schließt sich folgende zweite Fragestellung an: 2. a) Gibt das Recht auf Kollektivverhandlungen den Tarifvertragsparteien den Gestaltungsspielraum, eine solche Diskriminierung dadurch zu beseitigen, dass sie die Angestellten unter Wahrung ihres im alten Tarifsystem erworbenen Besitzstandes in ein neues tarifliches Vergütungssystem überleiten, welches auf die Tätigkeit, Leistung und Berufserfahrung abstellt?

2. b) Ist die Frage 2. a) jedenfalls dann zu bejahen, wenn die endgültige Zuordnung der übergeleiteten Angestellten zu den Stufen innerhalb einer Entgeltgruppe des neuen tariflichen Entgeltsystems nicht allein von der im alten Tarifsystem erreichten Lebensaltersstufe abhängt und wenn die in eine höhere Stufe des neuen Systems gelangten Angestellten typischerweise eine größere Berufserfahrung aufweisen als die einer niedrigeren Stufe zugeordneten Angestellten? Falls die Fragen 2. a) und b) verneint werden:

3. a) Ist die mittelbare Benachteiligung wegen des Alters deshalb gerechtfertigt, weil es sich um ein legitimes Ziel handelt, soziale Besitzstände zu wahren, und weil es ein angemessenes und erforderliches Mittel zur Erreichung dieses Ziels ist, im Rahmen einer Übergangsregelung vorübergehend weiterhin ältere und jüngere Beschäftigte ungleich zu behandeln, wenn diese Ungleichbehandlung sukzessive abgebaut wird und faktisch die einzige Alternative die Absenkung der Vergütung älterer Beschäftigter wäre?

3. b) Ist die Frage 3. a) unter Berücksichtigung des Rechts auf Kollektivverhandlungen und der damit verbundenen Tarifautonomie jedenfalls dann zu bejahen, wenn Tarifvertragsparteien eine solche Übergangsregelung vereinbaren?

Falls die Fragen 3. a) und b) verneint werden:
4. Ist der Verstoß gegen das primärrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung, der ein tarifliches Entgeltsystem prägt und es insgesamt unwirksam macht, auch unter Berücksichtigung der damit für die betroffenen Arbeitgeber verbundenen Mehrkosten und des Rechts der Tarifvertragsparteien auf Kollektivverhandlungen stets nur so zu beseitigen, dass bis zum Inkrafttreten einer unionsrechtskonformen Neuregelung bei der Anwendung der tarifvertraglichen Entgeltregelungen jeweils die höchste Lebensaltersstufe zugrunde gelegt wird?

Falls die Frage 4. verneint wird:
5. Wäre es im Hinblick auf das Recht der Tarifvertragsparteien auf Kollektivverhandlungen mit dem unionsrechtlichen Verbot einer Diskriminierung wegen des Alters und dem Erfordernis einer wirksamen Sanktion bei einem Verstoß gegen dieses Verbot vereinbar, den Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Beseitigung der Unwirksamkeit des von ihnen vereinbarten Entgeltsystems eine überschaubare Frist (z.B. von sechs Monaten) einzuräumen verbunden mit dem Hinweis, dass bei der Anwendung des Tarifrechts jeweils die höchste Lebensaltersstufe zugrunde zu legen sein wird, falls innerhalb der Frist keine unionsrechtskonforme Neuregelung erfolgt, und welcher zeitliche Spielraum für die Rückwirkung der unionsrechtskonformen Neuregelung könnte gegebenenfalls den Tarifvertragsparteien dabei zugebilligt werden?

Link: Jura Fakultät Uni Regensburg
Quelle: Arbeitsrecht aktuell Nr. 86 September 2010