Jochen Gerz im Essener Büro von 2-3 Straßen, 2010 Foto: Hanne Schweitzer
10.01.2011 - von Das Interview mit Jochen Gerz führte Hanne Schweitzer
Die Bilanzen für die Kulturhauptstadt RUHR.2010 sind geschrieben, doch das Spannendste steht noch aus. Das Buch zur Arbeit von Jochen Gerz „2-3 Straßen - Eine Ausstellung in Städten des Ruhrgebiets“. Der Inprint einer sozialen Skulptur wird alle Texte enthalten, die von den TeilnehmerInnen und BesucherInnen der Ausstellung zwischen dem 1.1.und 31.12.2010 in Duisburg, Mülheim an der Ruhr und Dortmund geschrieben wurden. Bevor das Buch erscheint: Ein Gespräch mit Jochen Gerz über „2-3 Straßen“, über die Älteren als neue Bohemiens, über Nichtteilnahme als zweite Natur und das Sekundäre, das primär sein will.
Ihre Arbeit im Rahmen der Kulturhauptstadt Ruhr 2010, „2 bis 3 Straßen“, basierte auf dem Angebot ein Jahr mietfrei Wohnen gegen tägliches Schreiben, also ökonomische Leistung gegen kulturelle Leistung.
Jochen Gerz:
Wenn ich sage „Ein Jahr mietfrei wohnen“, ist das kein irgendwie geartetes Gutmenschentum. Es gibt keine Geschenke. Alles ist Gegenverkehr. Ich habe mehr Vertrauen, wenn man ein ökonomisches System andenkt, eine Währung findet, statt zu sagen, tu es für nix, tu es für die Moral, tu es für mich, oder tu es für dich.
Diese Gesellschaft hat kein Verhältnis zu ihrem Beitrag. Keiner merkt, dass er beiträgt, schätzt es auch nicht. Und jemand, der seinen Beitrag nicht schätzt, schätzt sich selbst nicht.
Mietfrei Wohnen bekomme ich nur gegen eine sehr ungewöhnliche zweite Tätigkeit: Wenn ich schreibe. Schreiben ist der Inbegriff dessen, was du für dich tust. Die Zahl der Leute, die diese Art von Schreiben machen, und die das tun für Geld, die kann man wirklich zählen, da sind selbst die Maler noch Legion. Schreiben, das ist eine sehr isolierende und fast unsoziale Tätigkeit. Jeder stört einen beim Schreiben. Und das einzusetzen in einer Arbeit, die Straße verändern will, die Straße verändern und schreiben, und das quasi eingeleitet durch das mietfreie Wohnen, das ist für jeden, der in gewohnten Schienen operiert, nicht zufriedenstellend. Wo kommt der Kredit für das Schreiben her? Wer will schreiben?
Vorher habe ich mir große Sorgen gemacht, ob ich Leute finden würde, die kommen wollen. Dann hat man mir gesagt: Es haben sich 1.500 Leute gemeldet und ich dachte: Du meine Güte. Ich verstand schon, dass es in der gleichen Stadt von Interesse sein würde, umzuziehen. Du ziehst drei Straßen weiter und dafür lebst du ein Jahr mietfrei, zahlst nur die Nebenkosten. Deshalb haben wir gesagt: Keine Teilnehmer aus der gleichen Stadt.
Wie viel an dieser Entscheidung, sich zu bewegen, und zwar für ein Jahr! das ist ja keine simulierte Bewegung, das ist eine reale Bewegung, wie viel von dieser Entscheidung ist ökonomisch bestimmt? Wer tut das wegen Geld? Lohnt es sich, das für Geld zu tun? Wahrscheinlich gehört dazu, dass es auch finanziell nicht uninteressant war, das mietfreie Wohnen. Obwohl wir Teilnehmer hatten, die sich anders motivierten, der Schweizer Jörg Fromm gehört dazu. Link
Diese Unsicherheit war mir wichtig, und auch, dass es durch das System der eigenen Kritik gelaufen ist. Wo es Schnittstellen gibt zwischen ökonomischem Interesse und kulturellem Interesse, zwischen persönlichem Interesse und sozialem Interesse - wenn das nicht genau definiert ist, ist das eine kreative Stelle.
Natürlich bin ich mir bewusst, dass der Gebrauch des Wortes Kreativität in der Gesellschaft, in der Politik und von Staats Seite eine Form der Ausbeutung ist. Denn es geht sehr wesentlich um eine Erklärung dafür, warum Leute fragiliert und prekarisiert werden dürfen. Es ist ja eine Ideologie, die uns erlaubt Akademiker, hoch qualifizierte Leute zu einer Art Basisentlohnung, die oft vollkommen unter den existierenden wirtschaftlichen Konventionen liegt, zu beschäftigen. Da bin ich nicht auszunehmen. Es ist aber für den einzelnen Menschen wichtig, dass er einen Beitrag leisten kann, auch wenn der Beitrag nicht immer politisch, sozial, moralisch usw. zu verteidigen ist. Ab und an muss man die Würfel wieder werfen, muss man Risiko eingehen, was unter Umständen aussehen kann, als wäre es ein Schritt zurück.
Es ist sehr menschlich beim Eingang von Oradour-sur-Glan, wo die SS ein ganzes Dorf kaputt gemacht hat, zu schreiben „Nie wieder“. Es ist sehr menschlich, es ist sehr notwendig. Aber eins muss man ab und an auch sagen: „Nie wieder" gibt es nicht. Nie wieder ist nie wieder. Es ist immer anders.
Die Zeit ist unerbittlich. Wir sind nicht von unserer Notwendigkeit befreit, zu erfinden, zu bedenken, zu empfinden, zu verunsichern, zu entdenken, was wir gedacht haben, und zwar durch die Zeit. Die Zeit ist der Referee, ist der, der beim Tennisspiel zuguckt oder beim Fußball die roten Karten, die gelben Karten zieht. Ich weiß, dass ist ein sehr delikates Gebiet, aber jeder Schritt beinhaltet auch das Risiko einer Entprovozierung. Wir müssen Fehler machen. Wir müssen den Begriff des Tuns wieder erweitern. Wir müssen in die Mitte des Raums zurückgehen. Die deutsche Nachkriegszeit war eine extrem sichergestellte Gesellschaft. Da wurde sehr sehr viel verhängt. Aber jetzt müssen wir aus der Bucht rausschwimmen, in Freiheit. Und Freiheit ist keine verlängerte Schuld.
Zum täglichen Schreiben gehört viel Selbstdisziplin. Hat das bei den Teilnehmenden funktioniert?
Jochen Gerz:
Ich habe gemerkt, dass ich nicht im Namen von Kunst etwas einfordern kann, was auf meinem Mist wächst und was ich irgendeiner Gesellschaft überstülpe. Ich muss diese Sache auch mit der Gesellschaft teilen, und dieses Teilen mit der Gesellschaft, das ist die kleine Gesellschaft der hundert Teilnehmer und Mitarbeiter.
Ich kann nicht, innerhalb dieser Hundert, eine neue Ordnung oder eine neue Religion oder eine neue soziale Vorstellung erzielen. In unserer Teilnehmerschaft gibt es einen statistisch wahrscheinlich so ähnlich großen Teil wie draußen, wo kein Jochen Gerz wütet, sagen wir mal ein gutes Drittel, mit der gleichen Attitüde wie draußen: Sie pokern, und sie spielen falsch. Sie sind rein gekommen, das hat sie befriedigt. Sie haben sich, wie beim Assessment Center, in einen neuen Job reingepfuscht. Sie haben die Konventionen, die Erwartungen, die vielleicht auf der anderen Seite waren, befriedigt und sind seitdem verschwunden. Sie sind verschwunden.
Irgendwann in dem Jahr habe ich gemerkt, dass ich diese Menschen nur auf eine Weise mit der Wahrheit oder der Wirklichkeit konfrontieren konnte, mit der sie selbst sich nicht konfrontieren wollen. Das heißt, dass ich sie so sein lasse, wie sie sind.
Das hat mir weh getan, das hat Zeit gedauert, das hat mich sehr, sehr ratlos gemacht. Von 1.500 Leuten auf 78 Teilnehmer zu kommen, hat ein ganzes Jahr gebraucht. Und obwohl wir so viel Zeit damit verbracht haben, und den Leuten immer wieder gesagt haben: es wählt euch keiner aus, ihr wählt euch selbst aus, ist selbst darunter noch genau der gleiche Prozentsatz, der sich in jeder Gesellschaft findet, von Leuten, die vorgeben, dabei zu sein, die vorgeben aktiv zu werden, die vorgeben, betroffen zu sein. Die die Nichtteilnahme zu ihrer zweiten Natur machen.
Mich hat verblüfft, dass bei "2-3 Straßen" mehr Männer als Frauen teilgenommen haben.
Jochen Gerz:
Ursprünglich waren unter den 1.500 genau die Hälfte Männer und Frauen. Beim Nachhaken und beim Abbau der Hoffnung auf kreative Nähe, bei dieser langsamen Zielweisung und auch manchmal Zurechtweisung dieser Luftschlosserwartung, die im gleichen Moment der Akquise der Kulturhauptstadt stattfand, wo Versprechenskultur entwickelt wurde, bei der ich nicht mithalten konnte und wollte, sind die Frauen am Schluss, vielleicht beim Entdecken ihrer eigenen Bindungen und der eigenen Konsequenzen realistischer gewesen.
Frauen haben das Nomadentum noch nicht so wie die Männer?
Jochen Gerz:
Ja, das war beeindruckend. Es gab Leute, die wir als Teilnehmer nicht berücksichtigt haben, weil sie einfach keine Reaktivität hatten. Für mich war klar, dass Leute, die ein Jahr lang bei „2-3 Straßen“ sind, nicht nur schreiben, sondern insgesamt relativ aktiv sind. Aber es geht ja auch um ein Selbstwollen. Und bei diesem – sagen wir mal groundcheck, sind die Frauen rausgefallen. Männer sind spielfreudiger und trickfreudiger, auch fuschfreudiger. Viel mehr Persona, also Masken, Verkäufer. Männer haben ganz andere Strategien.
Meine Generation, die immer noch aus dem Krieg kommt, wir waren in der Kultur die Vorfrauen. Viele von uns haben keine Entscheidung mehr getroffen. Vorher gab es ja nur entweder - oder. Stattdessen: Mischformen. Ich habe mit Text und Foto gearbeitet. Ende der 60iger Jahre kamen dann die Frauen und haben wahnsinnig Akzente gesetzt. Es hat sich viel geändert in der psychischen Vorstellungswelt von Männern und Frauen.
Sind Männer nicht längst verschwunden im Computer-Orkus, in der Drohnenwelt?
Jochen Gerz:
Das ist das alte Konzept. Was wir vor hundert Jahren als abstrakt empfunden haben, ist nicht mehr abstrakt. Was wir als spirituell empfunden haben, ist nicht mehr spirituell. Die Materialität erobert Bereiche, die in keinster Weise je als Materialität empfunden wurden. Man geht an die letzten Erbhöfe des Unmateriellen, des Unsichtbaren. Müssen wir uns alle drum kümmern. Es gibt issues, die sind wichtiger als die Geschlechterperspektive.
Ist „2 bis 3 Straßen“ ein Gegenentwurf zu den staatlichen Anstrengungen zur Etablierung unbezahlter Arbeit?
Jochen Gerz:
Der Staat ist eigentlich die Summe aller Initiativen. Also letztlich das, was die Menschen ausschwitzen. Originär ist die Bevölkerung, sekundär ist, was dabei als Organisation rauskommt. Man kann natürlich vergessen, dass der Staat sekundär ist. Bei der Zahl der Menschen, bei der Zahl der Erfindungen, Technologien, Infrastrukturen, Verwaltungen kommt das Sekundäre schnell in die Rolle des Primären, des Originären. Weil der Mensch aus den Ordnungen herausgefallen ist. Der aus den Ordnungen herausgefallene Bürger ist natürlich nicht definitiv aus den Ordnungen herausgefallen. Alles was es mal gab, existiert immer noch. Alles Alte, alles Überkommene, alles Reaktionäre, alles Geschasste. Deswegen kann das Neue nicht zum Neuen werden. Es ist ja das Neue immer mit eingeschlossen im Alten. Und der Bürger, der in dieser Komplexität der Informationsgesellschaft lebt, ist entmachtet gegenüber der eigenen Zuständigkeit. Also sucht er nach diesen sekundären Dingen wie dem Staat.
Ich bin Künstler. Ich dachte früher immer, Kunstverwaltung ist dazu da, Kunst zu erlauben. Ich weiß aber inzwischen, dass Kunst dazu da ist, um Kulturverwaltung zu erlauben. Das Primäre ist das Sekundäre – auf allen Gebieten. Ich habe 1972 ein Foto von mir gemacht. Ich stand daneben, zwei Stunden lang. Am gleichen Tag, mit den gleichen Kleidern, an der gleichen Stelle. Nach zwei Stunden war klar. Die Leute guckten auf`s Foto. Wenn ich jetzt da immer noch stünde, wäre das Foto inzwischen zu einem uneinholbaren Original von mir geworden. Das heißt: Wir haben keine Chance gegen die Strukturen, die wir entwickeln.
Wenn Bürger umsonst arbeiten, um Defizite der kommunalen Haushalte zu senken, ist das etwas anderes?
Jochen Gerz:
Das ist die Gleichzeitigkeit der Dinge. Der Staat suggeriert den Bürgern seine eigenen Interessen. Der Staat springt in die Bresche, weil vom Bürger nichts kommt. Der Staat sagt, auf dem Ohr, wo die Bürger sind, bin ich taub. Er sagt natürlich nicht, ich will da taub sein, sondern er sagt einfach, dass der Staat aus Menschen besteht. Verwaltung besteht ja auch aus Menschen. Nur: Verwaltung kann nicht mehr vom Individuum ausgehen. Sie geht von Statistiken aus, von Mehrheiten, auch nicht immer von ganz unschuldigen Gedanken. Jeder Verwalter ist in eine Form von Sicherheit gekommen, aus der er nicht mehr abgewählt werden kann. Und davon wird es immer mehr geben. Politiker sind ja eigentlich nur die armen go betweens, die Zwischenpunkte zwischen uns und unserem Frust.
Staat will aktivieren und „2-3 Straßen“ will aktivieren.
Jochen Gerz:
Ich habe als Künstler die Rolle, dass ich mich auf die Welt einlasse und dabei meine Kindheit, meine Unverhandelbarkeit gleich welcher Art und meine persönliche Idiotie nicht vergesse. Mit diesem Teil von mir, der nicht addierbar ist, der nicht subtrahierbar ist, der nicht organisierbar ist, bringe ich mich ein. Ich versuche, die Welt zu begreifen. Wie man mir gesagt hat mit vier Jahren, „der liebe Gott hat einen weißen Bart“, und ich sehe einen mit weißem Bart, dann laufe ich schnell auf die Straße und sage: „Guten Tag, lieber Gott, warum sagst du mir nicht guten Tag?“ Das heißt Reziprozität. Das ist etwas, was ich nicht vergessen kann und nicht vergessen will: Dass alles im Dialog passiert und dass es keine Kräfte geben darf, die unabhängig werden. Wir sind alle in einer permanenten Abhängigkeit voneinander. Ich glaube, dass der Staat, oder was man so nennt, also unsere Organisationsformen, dass die sich permanent dafür interessieren, von uns unabhängig zu werden.
War das ein Lernziel für die TeilnehmerInnen von „2-3 Straßen“?
Jochen Gerz:
Nein. Ich will einfach nur eine Autorengesellschaft. Ich will die in unseren Urverfassungen, in unseren Urwünschen empfundenen Kräfte und Verantwortungen und Zuständigkeiten wieder ins Spiel bringen. Die Gesamtheit unserer Verantwortung, die Gesamtheit unserer Initiativen, unserer Kreativität muss ernährt werden. Für unsere Orientierung brauchen wir das.
Wenn wir in der Demokratie sind, und sind souverän in dieser Demokratie, muss man uns auch angreifen dürfen - für eine schlechte Wahl, für ein Sosein des Betriebs, des öffentlichen Betriebs. Ich bin auch verantwortlich für die Dinge, die ich kritisiere. Diesen runden Blick um mich herum, in jede Richtung ohne Ideologie, ohne Voraussetzung von festgeschriebenen Dingen, den möchte ich.
Ich rede von Autoren, aber Autoren sind auch Täter, Autoren sind auch Leute, die unterschreiben. Ich bin nicht dafür, dass die Leute in einer Opferhaltung verschwinden. Es gibt nicht immer Grund, Opfer zu sein. Der Staat, der alles für uns macht oder machen will, hat keinen Sinn.
Eine Umfrage der Friedrich-Ebert-Stiftung zur politischen Einstellung der Bevölkerung kam zum Ergebnis, dass über 60 Jährige extrem rechtsextrem sind.
Jochen Gerz:
Wie man in den Wald hinein ruft, so kommt es auch wieder heraus. Wenn ich unter gewissen Prämissen frage, bekomme ich auch solche Antworten. Die Vergangenheit ist die Vergangenheit. Es gibt viele Leute, die Trost suchen im Wiederkommen von Vergangenheit. In Frankreich habe ich während vierzig Jahren, die ich da gelebt habe, ungefähr sieben Rechtextreme, sehr begabte Politiker erlebt. Sie kamen alle bis auf 20 % in den Umfragen, und sind alle wieder verschwunden. Manchmal dauerte es länger, manchmal ging es schneller. Rechtsextrem gehört in dem Sinne dazu, dass es besser ist, es auf dem Tisch zu haben als unter dem Tisch. Nachdem unsere Nobelpreisträger Neonazis sein durften, können wir nicht die anderen Bürger verurteilen, wenn sie Fehler machen.
Ich glaube, dass ältere Leute mehr Angst haben um ihr Haben. Zur gleichen Zeit sind sie aber nicht mehr so im Geschirr. Deshalb haben sie einen spielerischen Umgang mit vielen Dingen. Sie sind unsere neuen Bohemiens. Alter findet nicht mehr so statt wie früher. Früher wurden die Alten von jeder Information, von jeder anderen Sache als Speise abgespalten, wurden von allem fern gehalten und starben an Verkümmerung. Heute bleiben die Leute in dieser Informationsschleife, in diesem Konsum drin. Sie machen ganz ungewohnte Bekanntschaft mit der Gegenwart.
Sie sprechen von Kultur als sozialer Regel und neuer Arbeitszeit. Das würde bedeuten, dass die Alten nicht mehr vor der Glotze sitzen.
Jochen Gerz:
Ich glaube, dass sie in ihrem eigenen Interesse die Kiste abstellen wollen. Dazu müssen wir sie abholen. Das war ja mein Versuch mit „2-3 Straßen“. Ob ihr Fernsehen guckt oder ins Museum lauft, wo Caspar David Friedrich hängt. Das ist ungefähr das gleiche, auch Fernsehprojekte können sehr interessant sein. Aber ihr bleibt nun mal Konsument. Deswegen habe ich den Teilnehmern von „2-3 Straßen“ gesagt, guckt euch mal eure Straße an. Es geht um eure Straße. Es ist eure Straße. Es geht um euren Kommunikationsbedarf. Lasst ihr euch von einer Leinwand zufrieden stellen oder braucht ihr mehr? Ist der Mensch in der Lage, etwas anderes als seinen Dackel zu lieben? Bleibt er liebesfähig? Und Liebe meint nicht unbedingt nur die Erbhöfe und die Zuckererbsen. Man kann sich auch außerhalb der Familie umtun. Auch in relativ fortgeschrittenem Alter.
Früher hat man gedacht, dass es Strömungen in der Kunst und in der Kultur gibt, die eine besonders antizipierende, eine besonders gesellschaftsgenerierende Kraft hätten. Heute ist es generell nicht mehr eine Kunst, nicht eine besondere Ästhetik, die Gesellschaft verändert, sondern die Gesellschaft bewegt sich insgesamt in die Kultur hinein. Sie bewegt sich, ohne es zu wissen, ins Territorium, das früher Kultur und Minorität und Privilegien bedeutete. Nur bewegt sie sich natürlich mit dieser Attitüde des Konsums. Als ich noch jung war, gab es nicht alle vierzig Kilometer ein Museum, das man besuchen konnte. Da musste man sich die Sachen selber suchen. Da kam man nicht immer zu van Gogh. Der wohnte nicht in der nächsten Straße. In der nächsten Straße wohnte vielleicht irgendein Maler. Den konnte man kennen lernen, da konnte man sehen, wie der arbeitete, mit dem konnte man sprechen.
Die Teilnehmer und Besucher haben geschrieben und nachdem sie den Text abgeschickt hatten, konnten sie daran nichts mehr verändern.
Jochen Gerz:
Ja, so wird das Buch. Ein Denkmal der Verschiedenheit der Menschen. Können Sie sich vorstellen, was ich da für Prügel bekommen werde?
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Das Buch gibt es bis zum 10.3.2011: 68,80 Euro (danach 86,00 Euro).
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