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Direktversicherung: LSG Stuttgart lehnt Klage ab

27.07.2011 - von M.B.

Berufungsverhandlung in Sachen Direktversicherung in Stuttgart. Dazu der Bericht des Klägers:
"Nicht dass ich mich großen Illusionen hingegeben hätte, dass die Angelegenheit nach gründlicher deutscher Rechtssprechung abgewickelt würde, das Ergebnis ist dennoch ernüchternd, in welcher Art und Weise Bürger, die sich zu Unrecht behandelt sehen, vom Gericht in nullkommanull abgebügelt werden.

Das Berufungsgericht hatte mich immerhin gut zwei Jahre nach dem Urteil des Sozialgerichts in Mannheim schmoren lassen. Der zuständige Richter hat mich im Verlauf dieser Zeit viermal aufgefordert, meinen Antrag zurückzuziehen. Nachdem ich ihm beweisen konnte, dass ich meine Beiträge
zur Direktversicherung ausschließlich selbst entrichtet hatte (darüber war er zumindest erstaunt) räumte er eine müdliche Verhandlung ein.

Nur komisch, dass er ausgerechnet an diesem Tage krank war und somit eine Vertretung mit der Sache betraut wurde. Und dieser Richter (insgesamt drei Richter, zwei Beisitzer) war mit Sicherheit nicht mit den Details vertraut.

Das ganze lief so ab, dass er zu Beginn schon klarmachte, dass die Rechtslage eindeutig sei, weil ja das BSG und auch das BVerfG entschieden haben, dass die Beiträge zur ges. Krankenkasse rechtmäßig erhoben würden.

Auf alle meine Argumente (Vertrauensschutz, Recht auf Eigentum, Vertragstreue) wurde stereotyp auf die Aussage des BVerfG verwiesen, wo zwar keine Klage angenommen wurde, aber die Begründung dafür ausreicht, um jegliche Gegenargumentation zu entkräften.

  • - "Vertrauensschutz" ist über einen solch langen Zeitraum schwierig zu beurteilen -

  • - "Recht auf Eigentum" wurde in diesem Falle von oberster Stelle verneint -

  • - vom Arbeitgeber bezahlte Kapital-LV (nicht beitragspflichtig!) sind anders zu behandeln -
    - "immerhin hat die oberste Behörde ja entschieden, das nach Ausscheiden aus dem Betrieb persönlich übernommene DV bei Selbstzahlung von diesem Zeitpunkt nicht mehr beitragspflichtig sind, aber da Sie (also ich) ab diesem Zeitpunkt keine Beiträge mehr entrichtet haben, ist die gesamte ausgezahlte Summe beitragspflichtig".


  • Mein Einwand, dass ab diesem Zeitpunkt Zinsen und Gewinnanteile angefallen sind, die der Krankenkasse nicht zustehen, wurde abgebügelt, es gehe nur um die Beiträge!

    Erstaunlicherweise war auch ein Vertreter der beklagten Krankenkasse anwesend, obwohl diese Partei vorher auf eine mündliche Verhandlung verzichtet hatte. Seine einzige Aussage (Ablehnung meiner Klage) begründete er mit den
    Ausführungen des BVerfG, "damit ist in Deutschland Ende! Punkt!"

    Immerhin gab der Richter zu verstehen, dass wohl im Moment etliche Klagen in dieser Angelegenheit anhängig sind, "es sind mehr Klagen, als Sie vermuten". Hoffentlich!

    Die anschließende Urteilsverkündung war klar, Klage abgewiesen! "Wie Sie weiterverfahren wollen, ist Ihre Angelegenheit!" Verhandlungsdauer (einschließlich Beratung): 29 Minuten.

    Die schriftliche Urteilsbegründung geht mir zu, irgendwann.

    Ich gebe dennoch die Hoffnung nicht auf, dass weitere Menschen gegen diese Willkür aufbegehren.

    Für meine Person gilt jedenfalls: weitermachen, wenn nötig bis Straßburg, vielleicht ist man dort für Bürgerrechte besser empfänglich!

    Freundliche Grüße aus dem Odenwald an alle Betroffene.

    -------
    Nachdem ich Ihnen vor kurzem über meine Verhandlung beim LSG Stuttgart berichtete, geht die Geschichte zu meinem Erstaunen schon heute weiter: das schriftliche Urteil ist bereits da, verfasst nur einen Tag nach dem mündlichen Verfahren!
    Erstaunen deshalb, weil sich die ganze Sache vorher über zwei Jahre hinzog, und Erstaunen auch, weil die Urteilsbegründung immerhin 14 DIN A 4-Seiten füllt, da dauert das Lesen erheblich länger als die Verhandlung.
    Ich will Sie keinesfalls mit dem ganzen Text langweilen, aber einige Passagen finde ich doch mitteilenswert:

    1. Meine Berufung nach dem ablehnenden Urteil des SG Mannheim war begründet durch folgende Punkte:
    - Raubrittertum bei Rentnern
    - Eingriff in bestehende Eigentumsrechte
    - Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz
    - Verletzung des Vertrauensschutzes
    - Entwertung des zur Vorsorge eingesetzten Kapitals durch den Staat.

    2. Das Gericht entscheidet: die zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache nicht begründet. ... Die Beiträge werden zu Recht erhoben, dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. (Verweis auf die bekannten $$ 237, 1 SGB V, 229 , 1 SGB V usw. usw.)

    3. Die Beitragspflicht ... der betrieblichen Altersversorgung - insbesondere der Direktversicherungen verstößt nach derständigen Rechtssprechung des BSG und des BVerfG - der der Senat folgt (LSG Stuttgart) - nicht gegen das Verfassungsgesetz. Das BVerfG hat noch einmal bestätigt (6.9.2010 und 28.9.2010), dass die Einbeziehung ... in die Beitragspflicht (§229 Abs. 1 Satz 3 SGB V) grundsätzlich weder gegen die wirtschftliche Handlungsfreiheit in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes noch gegen Art. 14,2 Abs.1 und 3, Abs. 1 GG verstößt.

    4. Zu einer Rente der betrieblichen Altersvorsorge im Sinne von § 229 gehören auch Renten, die aus einer vom Arbeitgeber abgeschlossenen DV im Sinne des § 1 Abs. 2 Betr.AVG gezahlt werden, unabhängig davon ob sie z.Teil oder ganz auf Leistungen des Arbeitnehmers.....beruhen.
    Diese institutionelle Abgrenzung, die sich allein daran orientiert, ob die Rente von einer Einrichtung der betrieblichen AV gezahlt wird. ... verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz im Vergleich mit sonstigen, nicht zur Beitragsbemessung heranzuziehenden Zahlungen aus privaten Renten- und LV-Verträgen ...
    ... die Beitragspflich ist den Betroffenen zumutbar, weil der Gesetzgeber berechtigt ist, jüngere Krankenversicherten ... zu entlasten ... und Letztere (die Rentner) entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen.

    5. Die angegriffene Regelung greift mit Wirkung für die Zukunft in ein öffentlich-rechtliches Versicherungsverhältnis ein. ...zum Nachteil für die betroffenen Versicherten. (Also doch: stattlich sanktionierte Enteignung!)
    Solche Regelungen sind verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen ... nicht überwiegt.

    Übergangsregelungen waren nicht geboten, ... weil den Versicherten (bei Einmalzahlung) schon am Anfang der Belastung die gesamte Liquidität zur Tragung der finanziellen Belastung zur Verfügung steht. !!!!!!!!!

    Das ist doch toll, dafür haben wir alle ja schließlich gespart, damit wir den Gemeinwohlinteressen des Staates Rechnung tragen, schließlich haben wir im gesamten Berufsleben wohl nichts dazu beigetragen. Allein dieser Satz ist der blanke Hohn.

    Übrigens: Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision nicht zu, weil sie vom LSG nicht zugelassen worden ist.
    Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden, allerdings nur mit einem beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten! Das Ganze ist dann natürlich auch kostenpflichtig.

    Soweit das Urteil.

    Link: Direktversicherung: § 229 Versorgungsbezüge
    Quelle: Mail an die Redaktion