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Renten: Kaufkraftverlust von 10 Prozent

14.03.2008 - von Klaus Ernst

Regierung schröpft Rentnerinnen und Rentner. Mehr dazu in der folgenden Rede von Klaus Ernst in der Debatte um den Antrag auf Überprüfung der Riesterrente (Drucksache 16/8495) und den Antrag auf Wiedereinführung der Lebensstandardsicherung in der gesetzlichen Rente (Drucksachen 16/5903, 16/6921).

Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Angesichts der Rentenpolitik der Bundesregierung verstehe ich, dass so viele Koalitionäre den Raum verlassen. Die Ergebnisse dieser Politik sind leicht zusammenzufassen:
2003: Rentenerhöhung null; 2004: Rentenerhöhung null; 2005: Rentenerhöhung null; 2006: Rentenerhöhung null; 2007: plus 0,54 Prozent bei einer Preissteigerung von 2,8 Prozent; zu 2008 kann ich aufgrund der neuesten Pressemeldungen nur sagen: Schleuderkurs.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])
Die Rentner haben seit 2003 aufgrund der Preissteigerungen real 10 Prozent weniger. Sie haben viele zusätzlichen Belastungen zu verkraften gehabt: den allein zu finanzierenden zusätzlichen Krankenkassenbeitrag, unter anderem für Krankengeld, das ein Rentner per Definition gar nicht mehr beziehen kann, Zuzahlungen, die Praxisgebühr von 10 Euro pro Quartal usw. Das Ergebnis
der Rentenpolitik der letzten Jahre lautet: Keine Regierung hat die Rentner so geschröpft wie Rot-Grün und Schwarz-Rot in den letzten Jahren. Keine Regierung hat sich das zuvor getraut.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Aber jetzt bekommen Sie kalte Füße. Heute vor fünf Jahren ist die Agenda 2010 verkündet worden. Jetzt, fünf Jahre später, wollen Sie die Dämpfung, die durch die sogenannte Riester-Reform verursacht wurde, aussetzen. Inzwischen haben Sie einen neuen Kürzungsfaktor eingeführt, den Nachhaltigkeitsfaktor. Fünf Jahre nach Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors wollen Sie den Riester-Faktor außer Kraft setzen. Bei diesem Grad an Verwirrung erscheint die Aufnahme der Demenzkranken in die Pflegeversicherung in einem ganz neuen Licht.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] - Dr. Heinrich L.
Kolb [FDP]: Das ist wirklich unerhört!)

Die Aussetzung dieses Dämpfungsfaktors ist aber viel zu wenig. Wir wollen und beantragen, dass alle Dämpfungsfaktoren in der Rente abgeschafft werden. Wir wollen, dass die Renten wieder der Lohnentwicklung in diesem Land folgen, was Sie verhindert haben,

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

und wir wollen, dass die gesetzliche Rente wieder den Lebensstandard sichert. Man hatte immer den Eindruck, dass die Riester-Rente die Kürzung der gesetzlichen Rente ausgleichen soll. Dazu ein Zitat von Herrn Riester aus dem Jahr 2007:
Nein, bei mir ging es nie darum, Defizite der Sozialversicherungsrente auszugleichen. Ich habe die Sozialversicherungsrente nicht als eine Rente angesehen, die den Lebensstandard im Alter sichert, da habe ich mich völlig unterschieden von Norbert Blüm. Inzwischen stehen wir Herrn Blüm näher als Sie.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Sie zweifeln an der Finanzierbarkeit unserer Anträge. Ich empfehle Ihnen, unsere Anträge bis zum Ende zu lesen; dann wissen Sie nämlich auch, wo das Geld herkommen soll. Sie formulieren ein Dogma: Die Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung sollen nicht steigen. Sie behaupten, die Linke fordere einen Beitragssatz in Höhe von 28 Prozent, und tun so, als würde
der Beitragssatz im Jahr 2030 anders aussehen, wenn man Ihrem Konzept folgen würde.

(Andrea Nahles [SPD]: Das ist keine Behauptung, das ist eine Tatsache!)

Dem wollen wir uns jetzt einmal mathematisch nähern, auch wenn ich weiß, dass es bei Ihnen mit der Mathematik schwierig ist; das sieht man ja an der Mehrwertsteuer.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] - Stefan Müller
[Erlangen] [CDU/CSU]: Sie sind ja unverschämt!)

Wir wollen es trotzdem einmal versuchen: Sie prognostizieren für 2030 einen Rentenbeitrag in Höhe von 22 Prozent. Paritätisch finanziert würde das bedeuten, dass der Arbeitnehmer 11 Prozent zahlt. Inzwischen weiß man aber, dass man von seiner Rente nicht wird leben
können. Deshalb muss ein Arbeitnehmer, wenn er seinen Lebensstandard im Alter halten will, mit ungefähr 6 Prozent seines Einkommens privat vorsorgen. Sein Beitrag ist also überhaupt nicht stabil. Sein Beitrag liegt bei 11 plus 6 gleich 17 Prozent. Wenn man den Beitragssatz, den die Arbeitgeber zahlen sollen - er beträgt 11 Prozentpunkte -, berücksichtigt, kommt man zu dem Ergebnis: Nach Ihren Vorstellungen würde der Beitragssatz zur Rentenversicherung
im Jahr 2030 bei 28 Prozent liegen. Außerdem wäre er dann nicht mehr paritätisch finanziert. Die Arbeitgeber müssten einen Beitragssatz von 11 Prozentpunkten und
die Arbeitnehmer einen Beitragssatz von 17 Prozentpunkten zahlen. Wir hingegen wollen, dass der Beitragssatz zur Rentenversicherung, den die Arbeitnehmer zu zahlen haben, nicht in diesem Maße steigt. Außerdem wollen wir, dass er nach wie vor paritätisch finanziert wird.

(Beifall des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])

Unser Vorschlag hätte zur Folge, dass der Beitragssatz, den die Arbeitnehmer zu zahlen hätten, um 3 Prozentpunkte geringer wäre, als er es nach Ihren Vorstellungen wäre. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der LINKEN - Andrea Nahles [SPD]: Das ist vorenthaltender Lohn! Das wissen
Sie doch ganz genau!)

Meine Damen und Herren, jetzt möchte ich mich noch ein wenig mit der Riester-Rente beschäftigen.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Die wollen Sie doch abschaffen! Warum beschäftigen
Sie sich denn dann überhaupt noch damit?)

Es gibt folgendes Problem: Sie subventionieren mit vielen Milliarden Euro eine Reform, von der wir noch gar nicht wissen, wie sie wirkt. Welche Wirkungen sie für eine Verkäuferin, die 1 000 Euro verdient, hat, das wissen wir allerdings. Wenn man die Situation zweier Verkäuferinnen, von denen eine riestert und eine nicht riestert, vergleicht, kommt man zu folgendem Ergebnis: Sagen wir, beide Frauen beziehen, wenn sie entsprechend wenig verdienen, eine gesetzliche Rente von 400 Euro. Diejenige, die geriestert hat, erhält 50 Euro mehr. Letztlich bekommen
beide Verkäuferinnen eine Grundsicherung in Höhe von circa 650 Euro. Das bedeutet, dass die Frau, die geriestert hat, von ihrer Riester-Rente überhaupt nichts hat.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! So ein Unsinn!)

Weil Sie die Riester-Rente, obwohl Sie das wissen, fördern und den Leuten nicht sagen, dass sie davon nichts haben, stellen wir fest: Das, was Sie hier betreiben, ist organisierter Anlagebetrug.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] - Michael
Hennrich [CDU/CSU]: Das wird ja immer abenteuerlicher, was Sie da erzählen!)

Millionen von Menschen werden zu den privaten Versicherungskonzernen gedrängt, obwohl sie nicht wissen, was am Ende für sie herauskommt. Das Einzige, das wir schon heute wissen, ist, wer mit Sicherheit an der Riester-Rente verdient: die private Versicherungswirtschaft.

(Frank Spieth [DIE LINKE]: Ja! So ist das!)

Diese Branche macht aufgrund der Riester-Rente große Gewinne. Im Jahre 2001 befanden sich die Versicherungsunternehmen noch in einer Krise. Inzwischen wissen sie gar nicht mehr, wohin mit ihrem Geld.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Jan Mücke [FDP]: Interessant! Dann müssen wir
wohl eine Versicherungssondersteuer einführen! Was halten Sie davon?)

Meine Damen und Herren, mit der Aussetzung des Riester-Faktors für die Dauer von zwei Jahren sind Sie insofern auf dem richtigen Weg, als die Renten dadurch geringfügig steigen werden, allerdings so geringfügig, dass die Rentner im Jahre 2008 wieder weniger Geld bekommen
werden als im Jahr zuvor.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Bei Ihnen hätten sie auch nicht mehr!)

Um das zu vermeiden, reicht es nicht aus, nur den Riester-Faktor auszusetzen.
Sie wissen ganz genau, dass die Bürger in diesem Lande das nicht länger hinnehmen. Die Aussetzung des Riester-Faktors für zwei Jahre ist nichts anderes als ein wahltaktisches Manöver,

(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Das ganze System, das Sie vorschlagen, ist ein einziges
wahltaktisches Manöver!)

das Sie betreiben, weil Sie merken, dass Sie bei Wahlen eins auf die Mütze kriegen. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum Schluss. Wir werden Sie in der Rentenpolitik weiter vor uns hertreiben. Ich garantiere Ihnen: Sie werden noch vieles machen, was in unserem Sinne ist, auch dann, wenn Sie es gar nicht wollen. Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] - Christine Scheel
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach Ihrem Modell ist doch noch nicht einmal die Höhe
der Beitragssätze zu halten! Ich frage mich wirklich, wie Sie das alles bezahlen wollen,
was Sie da fordern!)

Quelle: Bundestagsdebatte: Antrag auf Überprüfung der Riesterrente (Drucksache 16/8495)