02.01.2013
„Betriebliche Altersversorgung über Entgeltsumwandlung rechnet sich“. Damit wirbt die Politik in lauten Tönen für die Versicherungswirtschaft, der Arbeitnehmer aber wird getäuscht!
Vergleichsberechnungen zeigen, dass dies für den/die Durchschnittsarbeitnehmer mit einem Bruttomonatseinkommen von 3.000 – 4.000 € nicht mehr stimmt.
Der Arbeitnehmer fährt bei Entgeltsumwandlung in der Regel nicht besser, als bei einer privaten Altersvorsorge z.B. über Festgeldsparen bei einer Bank oder bei Abschluss einer privaten Rentenversicherung.
Der Grund liegt darin, dass die Förderquote von rund 50% in der Auszahlungsphase ab 2040 (100%ig nachgelagerte Versteuerung
der Betriebsrenten, Zahlung des vollen Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeitrages, Einrechnung der Minderung der Rente aus der GRV) wieder zunichtemacht.“ (Prof. Birk, Universität Bamberg)
Nachfolgend eine Zusammenfassung der Ausführungen von Prof. Birk:
1)
Steuer und sozialversicherungsrelevante Rahmenbedingungen
Seit 2002 dürfen 4 % des Einkommens bis zur Beitragsbemessungsgrenze (BBG) durch Entgeltumwandlung als betriebliche Altersvorsorge z. B. in eine Direktversicherung
eingezahlt werden. Das waren 2012 ca. 2688,- €. Ferner können seit 2005 in der Sparphase zusätzlich zu diesem sozialversicherungsfreien Betrag noch weitere 1.800,- € steuerfrei angelegt werden.
Seit 2004, Verabschiedung des GKVModernisierungsgesetzes, müssen jedoch alle in der GKV-Pflichtversicherten, volle KV- und PV-Beiträge auf Betriebsrenten abführen, sofern dieser Rentenbetrag 1/20 der BBG übersteigt. Das gilt auch für einmalige Kapitalzahlungen. Hier wird 1/120 der Kapitalsumme als Grundlage für die Berechnung des Beitrages herangezogen.Je nach Familienstand beträgt der volle Beitragssatz zur KV und PV insgesamt bis zu 17,7 %.
Seit 2005 sind Betriebsrenten und einmalige Kapitalzahlung nun auch nachgelagert zu versteuern. Seither wird auch der Freibetrag von 40 % schrittweise bis 2040 abgebaut, d. h., ab 2040 sind damit alle Renten- und Kapitaleinkünfte zu 100
% steuerpflichtig.
2)
Entgeltumwandlung mindert die gesetzliche Rente (GRV)
Unterstellt man ein Jahreseinkommen von 32.446 €, führt eine Entgeltumwandlung von 100 € über 44 Jahre betrachtet zu einer
monatlichen Minderung der SV Rente um ca. 60 €. Dabei wurden jährliche Steigerungsraten des absoluten Rentenbetrages von 2 % und der des Rentenwertes von 1,5 % angenommen.
3)
Entgeltumwandlung kein Gewinn für Durchschnittsverdiener
Für privat krankenversicherte oder Arbeitnehmer mit einem Arbeitsentgelt über der BBG rechnet sich ggf. diese Form der BAV noch. Für Rentner mit einer BAV unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze (z. Zt. 131,25 €) entfallen auch die Abgaben. Auch könnte in Fällen, wo ggf. der AG die Entgeltumwandlung freiwillig bezuschusst oder man einen Anbieter mit sehr niedrigen Kostenstrukturen findet, eine BAV auf dieser Basis doch noch einen Gewinn abwerfen.
Schließt aber heute ein in der GKV Pflichtversicherter einen Vertrag mit Entgeltumwandlung ab, der erst nach 2040 zur Auszahlung kommt, machen die nachträgliche Versteuerung und die Abführung der KV/PV-Versicherungsbeiträge die in der Ansparphase erzielten Vorteile wieder zunichte. Der Abschluss einer privaten Rentenversicherung oder eines Sparvertrages wäre unter Umständen ertragreicher.
Dazu ein Beispiel:
Ein lediger 23-jähriger schließt 2012 einen nicht dynamisierten Vertrag mit Auszahlung zum Rentenbeginn in 2056, also nach 44 Jahren ab und zahlt aus einem Bruttoeinkommen
von 3.400,- € monatlich 100,- € in diesen ein. Durch Steuer- und Sozialversicherungs-Ersparnis hat er dadurch nur eine Nettobelastungvon 49,12 €.
Lt. Angebot des Versicherers erhält er 261,63 € garantierte BAV-Rente plus einer Überschussbeteiligung von 524,55 €. Nach den gesetzlichen Abzügen von diesen zugesagten Beträgen in Höhe von 111,71 € plus 223,98 € (ca. 42,7 %) bleiben ihm 149,92 € plus 300,57 €.
Der Verlust in der GRV beläuft sich unter Berücksichtigung der gleichen Ansätze wie unter 2 bzw. wie vorstehend angenommen auf 59,30 € brutto, oder. 38,30 € netto. Vermindert man die BAV auch noch um diese Beträge, ergibt sich ein reales Einkommen aus der BAV von 111,62 € plus 262,27 €.
Der Vergleich mit einer zu den heutigen Bedingungen normal verzinsten Privatrente geht mit monatlich + 2,55 €/37,09 € zugunsten dieser Anlageform aus. Wählt man die Kapitalzahlung, wäre dies ein Mehrertrag von 750,- €.
3)
Ein überraschendes Fazit
Angenommen der Gesetzgeber würde wieder zu den Kriterien der Bewertung der Pflichtbeiträge der freiwilligen, privaten Aufstockung zurückkehren (wurde 1992 leider abgeschafft), würden 100 € monatlich über 44 Jahre bezahlt, zu einem Rentenzuwachs von 302,- € brutto/Monat führen.
Bei 20 Jahren Rentenbezug würde dies im Mittel 348 € brutto bedeuten, die gleichen Steigerungsraten angenommen, wie in 2) beschrieben. Berücksichtigt man die Anteile der Erwerbsminderungs-und Hinterbliebenenrenten – diese repräsentieren ca. 20 % der Rentenbeiträge – erhöht sich dieser Mittelwert sogar um 10 % bei Ledigen und sogar um 30 % bei Verheirateten. Dies wären bei Ledigen dann ca. 382,- Euro.
Bei einem Zinsniveau, wie wir es gegenwärtig haben, können am Kapitalmarkt die Anbieter von BAV-Systemen die in Aussicht gestellten Renditen nicht mehr erwirtschaften, d. h. der Auszahlungswert oder die monatlichen Renten sinken.
In der GRV ist die Rentensteigerung nicht an die Entwicklung des Kapitalmarktzinses gekoppelt, sondern an die des Bruttolohns. Ist diese besser, fällt der Vergleich erneut zugunsten der GRV aus.
Diese Fakten zeigen wieder einmal beispielhaft die Verlogenheit, mit der die Verantwortlichen in Politik und in Medien mit der betrieblichen Altersvorsorge umgehen.
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