Ravenna, 2006 Foto: H.S.
20.04.2014 - von Gerd Feller
Empört Euch! Diese Forderung erhebt Stephané Hessel in seinem kleinen Buch „Empört Euch! (Ullstein-Verlag. 2010), das er im Alter von über 90 Jahren verfasst hat. Er ist also einer von uns Alten, in Berlin geboren, Veteran der
französischen Widerstandsbewegung, Überlebender des KZ Buchenwald und einer, der uns daran erinnert, auch im Alter die Grundsätze und Werte unserer Demokratie zu vertreten und uns zu empören und einzumischen, wenn
soziale Errungenschaften in Frage gestellt und Frieden und Menschenrechte gefährdet werden.
Recht hat er! Wir leben zwar in Deutschland relativ friedlich und allgemein gut versorgt, aber es sieht schon kritischer aus, wenn wir den Blick auf Europa richten, und global gesehen ist die Lage ziemlich katastrophal. Selbst zwei brutale Weltkriege im letzten Jahrhundert mit entsetzlichen Folgen können nicht von gewaltbereiten Drohgebärden, Säbelgerassel, gefährlichen Scheinangriffen
und rücksichtlosem Waffeneinsatz, der das Volk und
Volksvermögen zerstört, abhalten.
Das Heidelberger Institut für Konfliktforschung zählte 2013 weltweit 414 Konfliktherde, davon gelten 45 als hochgewaltsam, und von diesen werden wiederum 25 als Kriege eingestuft.
Viele von uns Alten haben den Zweiten Weltkrieg noch miterlebt. Unsere Jugendzeit ist jedenfalls durch die Erlebnisse im Krieg und in der Nachkriegszeit geprägt und oft auch erheblich belastet worden. Wir hatten noch kein Heer von Psychologen, die uns beim Abbau der persönlichen Traumata helfen konnten, aber vielleicht war das gerade ein
Umstand, der uns vom Selbstmitleid abgelenkt und zum Nachdenken gebracht hat.
Da fällt mir auch die vierte Strophe ein aus dem Gedicht „Der Krieg“ von Georg Heym, damals 1911/12 voraussehend geschrieben: „Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen an, und er schreit: Ihr Krieger alle, auf und an!
Und es schallet, wenn das schwarze Haupt er
schwenkt, drum von tausend Schädeln laute Kette hängt.“
Ich gehe davon aus, dass der größte Teil der Kriegs- und Nachkriegsgeneration, bis auf einige Unbelehrbare, jegliche gewalttätigen Konflikte ablehnt und wenig Verständnis für waghalsige politische Experimente aufbringt.
Deshalb sollten wir uns einmischen und empören über alles, was sich in Europa und anderswo gegen demokratische und
menschenrechtliche Grundsätze und Werte abspielt und entwickelt. Stephané Hessel mahnt, dass sich die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft, die Intellektuellen und die ganze Gesellschaft nicht kleinkriegen lassen dürfen von den Machenschaften religiöser Fundamentalisten und Fanatiker, machtgieriger,
sich selbst überschätzender Politiker und geldgieriger illegaler Geschäftemacher.
Es gibt außer Gewalt und Krieg noch viele Gründe sich zu empören: soziale Ungerechtigkeit, Rechtsbeugung, Diskriminierung, Unterdrückung, Menschenverachtung.
Fragwürdig ist auch die Gleichgültigkeit vieler
Unbetroffener gegenüber dem, was sich in sicherer Entfernung abspielt, die weit verbreitete „Ohne mich“-Haltung, wenn es nicht um ganz naheliegende persönliche Interessen geht.
In unserer Generation leben die letzten Zeugen der schrecklichen Ereignisse des vergangenen Jahrhunderts. Wir dürfen nicht schweigen, wir sollten Widerstand leisten und
uns empören und einmischen, in der Öffentlichkeit, bei unseren gewählten politischen Vertretern und Vertreterinnen vor Ort und in Berlin, zusammen mit allen Senioren und Landesseniorenvertretungen, damit unser
Leben nicht doch noch so endet, wie es angefangen hat, nämlich in Unfreiheit, Krieg, Angst und Chaos. Bleibt bei dem in Deutschland vor 70 Jahren gefassten Vorsatz:
Nie wieder Krieg!
(leicht gekürzte Fassung)
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