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Pflegestärkungsgesetze beseitigen Pflegenotstand NICHT!

Meiningen, 2015 Foto: H.S.

25.08.2015

Per Einschreiben wurde der folgende Offene Brief an den Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe geschickt: "Auch das am Mittwoch 12.08.2015 vom Bundeskabinett verabschiedete Pflegestärkungsgesetz II löst leider die bestehenden Pflegemängel nicht auf. Gute Pflege ist nur möglich, wenn es bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Bezahlung in der Pflege gibt. Das hat u.a. Frau Rundt von der Niedersächsischen Landesregierung klargestellt: "Bei einem weiteren Scheitern der Pflegeselbstverwaltung, muss der Bund den Ländern eine Eingriffsmöglichkeit in Form einer Verordnungsermächtigung gewähren. Drohende Versorgungsengpässe durch Fachkräftemangel infolge unzureichender Pflegesätze, müssen ein ausreichender Grund für Interventionen der Strukturverantwortlichen Länder sein."

Wir sehen das genauso und fordern das unverzügliche Handeln des Gesetzgebers, denn die Pflegeselbstverwaltung in den Bundesländern hat kläglich versagt!

Ein wesentlicher Grund dafür ist der heute bereits vorhandene Fachkräftemangel, den die Anbieter zwar selbst beklagen - aber bisher nichts dagegen unternommen haben. Befristete Arbeitsverträge, geringe Bezahlung, hohe physische und psychische Belastungen, geringe Wertschätzung durch Leitungskräfte u.v.m. steigern weiter die Unattraktivität der Pflegeberufe.

Die Anbieter sind über ihre Trägerverbände in der Pflegeselbstverwaltung für menschenwürdige Pflege verantwortlich - das hat der Gesetzgeber in §75 SGB XI (Rahmenvertrag) festgelegt. Damit wurde ihnen die Aufgabe zugewiesen, dies in selbst organisierter Form umzusetzen. Leider hat es bis heute nicht funktioniert und wird auch in Zukunft nicht funktionieren, da die Trägerverbände in Konkurrenz zueinander stehen. Zudem wurde eine menschenwürdige Pflege durch Pflegekassen und Sozialhilfeträgern (Kostenträger) nie eingefordert, weil dies entsprechende Kostensteigerungen zur Folge hätte. Im Gegenteil werden bis heute von den Kostenträgern eher Kostensenkungen verlangt. Letztlich auch, weil immer mehr pflegebedürftige Menschen auf Unterstützung durch Sozialämter angewiesen sind.

Seit Einführung der Pflegeversicherung vor 20 Jahren hat sich am Stellenschlüssel des Pflegepersonals kaum etwas geändert. In Niedersachsen liegt der Stellenschlüssel im unteren Bereich aller 16 Bundesländer. Dagegen hat sich aber in dieser Zeit die Arbeitsbelastung für Pflegekräfte so dramatisch gesteigert, dass eine menschenwürdige Pflege faktisch nicht mehr gewährleistet werden kann.

Im neuen Pflegestärkungsgesetz werden die Rahmenbedingungen für stationäre Einrichtungen weiter verschärft, was eine weitere Verdichtung der Belastung für Pflegekräfte bedeutet, da eine Anpassung der Personalschlüssel nicht zu erwarten ist. Hinzu kommt - nach Feststellungen des Pflege-Beauftragten der
Bundesregierung Karl-Josef Laumann - dass Pflegekräfte in Niedersachsen circa 500 Euro pro Monat weniger für die gleich Tätigkeit, als die in NRW bekommen.

Die Attraktivität der Berufe in der Pflege muss deutlich gesteigert werden, um mehr Menschen für diesen physisch und psychisch anstrengenden Beruf zu gewinnen und möglichst lange im Beruf zu halten. Die Berufsflucht - Pflegekräfte sind oft nur ca. 7-8 Jahre als solche tätig - muss unbedingt gestoppt werden. Im übrigen können Berufsrückkehrer nur gewonnen werden, wenn sie neben einem deutlichen Anreiz auch eine gute und begleitete Wieder-Einarbeitungsphase haben.

Wir Unterzeichner appellieren an ihre soziale Verantwortung und fordern Sie hiermit auf:

  • 1. Lösen Sie die Pflegeselbstverwaltung in der jetzigen Form auf, um die Angelegenheiten gesetzgeberisch neu zu regeln!
  • 2. Sorgen Sie dafür, dass mehr Menschen wieder gerne und langfristig im Pflegebereich arbeiten wollen und können und ausreichend Zeit für ihre wertvolle Arbeit haben!
  • 3. Leiten Sie unverzüglich die notwendigen Maßnahmen zur deutlichen Verbesserung der Versorgungssituation pflegebedürftiger Menschen, insbesondere durch verbindliche nachprüfbare Personalschlüssel, ein!


  • Im Sinne der hilfs- und pflegebedürftigen Menschen, deren Angehörigen sowie des Pflegepersonals freuen wir uns auf Ihre baldige Stellungnahme.

    Mit freundlichen Grüßen
    Werner Kollmitz
    kontakt@menschenwuerde-inder-altenpflege.de
    Link
    Reinhard Leopold c/o HEIM-MITWIRKUNG - Unabhängige Selbsthilfe-Initiative für Pflegebetroffene 28203 Bremen
    Michael Thomsen 49143 Bissendorf
    sowie diverse Mitunterzeichner (alphabetische Reihenfolge), u.a.
    Wolfram-Arnim Candidus, Bürger Initiative Gesundheit e.V.
    Wolfgang Eric Frank, Pflege-Forum-Augsburg
    Claus Fussek, Pflege-Kritiker München
    Hans J. Göers,Betreuungsverein Bremerhaven e.V.
    Jill Kamphöner, Geronto Pro
    Marita Mauritz, DBfK Nord-West
    Armin Rieger, Verfassungsbeschwerde Pflege
    Werner Schell, Pro Pflege Selbsthilfenetzwerk
    Monika Skibicki, Förderverein Pflegekammer Niedersachsen
    Dr. Manfred Stegger, BIVA e.V.
    Adelheid von Stösser, Pflege-Selbsthilfeverband e.V.
    Andreas Westerfellhaus, Deutscher Pflegerat e.V.

    Link: Pflegereform im Medienrauschen