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Ruffato: Ich war in Lissabon + dachte an dich - BUCHTIPP

Madeira, 2012 Foto: H.S.

02.11.2015 - von Hanne Schweitzer

In einer Zeit, in der hunderttausende Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen ihre Heimat verlassen, und das Nachdenken über das Schicksal eines Einzelnen kaum noch möglich scheint, beschreibt Ruffato in seiner brillianten Erzählung das Leben des brasilianischen Auswanderers Sérgio. Den zieht es, ausgestattet mit einer einzigen Adresse, nach Lissabon.
Der Wunsch, Brasilien zu verlassen und sein Glück in Portugals Hauptstadt zu suchen, überkam Sérgio zum ersten Mal, als er mit seiner Schwester in Sao Paulo einkaufen ging. Dort traf er diesen coolen, weitgereisten Typ mit Sonnenbrille, dessen Weltläufigkeit Sérgio so mächtig imponierte, dass er ihm sechs Zigaretten einer Marke abkaufte, die er noch nie geraucht hatte und dazu eine Flasche Whisky, der ebenfalls etwas ganz Besondereres war.

Aber es dauert, bis seine innere Entschlossenheit von seiner Welt in eine andere zu wechseln groß genug geworden ist, um den vagen Gedanken in die Tat umzusetzen. "Mensch Sérgio, du klotzt ran, legst Geld zur Seite", wird er ermuntert. Nach ein paar Investitionen könne er dann einen ruhigen Lebensabend zu Hause verbringen.

"Lieber Gott, soll ich tatsächlich gehen?" Sérgio löst sein Sparbuch auf, kauft sich ein Flugticket, verabschiedet sich von der Familie, von den Toten auf dem Friedhof und von den Freunden. "An dem Morgen meiner Abreise, das vergesse ich nie, versammelte sich eine Menschenmenge vor meinem Fenster, die Straße wimmelte wie zu Sankt Christophorus, Spruchbänder waren aufgespannt ..., der Taxifahrer, vorgewarnt über die Bedeutung seines Fahrgastes, hatte sich mit Schlips und Kragen in Schale geworfen und wartete würdevoll, bis sich der Aufruhr gelegt hatte, die herzlichen Umarmungen, ergriffenen Händedrücke, Ratschläge und Tränen."

Seine ersten Tage in Lissabon verschläft er in einem Hotel in Madragoa unter mehreren Decken. Alsdann schlägt er sich mit kindlich naiver Unbeholfenheit als Illegaler durch Lissabon. Die Zimmerwirtin demütigt ihn, von anderen wird er wegen seines Akzents verspottet, und seine Arbeit in einem Touristenrestaurant ist er bald wieder los, die Migranten aus Osteuropa sind gewitzter und geschäftstüchtiger und nicht so unendlich alleine wie er.

Luis Ruffato: Ich war in Lissabon und dachte an Dich
Verlag Assoziation A, Berlin 2015
91 Seiten, Hardcover, 14 €
Link

Link: Luis Ruffato: Mama, es geht mir gut
Quelle: Büro gegen Altersdiskriminerung

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